Hier ein Beitrag, der nicht von mir stammt, sondern dem Austausch mit einer befreundeten Klavierlehrerin entspringt. Ich finde ihn sehr gut, sehr interessant und sehr richtig. Smilies musste ich leider entfernen, wurden nicht richtig dargestellt.
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In der Diskussion wird klar, dass es sehr verschiedene Bedürfnisse im Hinblick auf die äußere Form des Klavierunterrichts (Häufigkeit, Bezahlung, Kündigungsfristen ....) gibt. Und das nicht nur auf Seiten des Lehrers und des Schülers, sondern auch unter den Schülern selbst!
Dabei wird aus meiner Sicht einiges durcheinandergeschmissen:
a) zum Einen schließen manche Schüler von sich auf andere und denken, dass alle Menschen vertrauenswürdig sind
b) dann denken sie, dass zufriedene “Kunden” nicht kündigen
c) dann denken sie, dass ein Klavierlehrer gut ist, wenn die Eltern bzw. Schüler zufrieden sind
d) dann verwechseln sie die Situation eines Arbeitnehmers und eines Arbeitgebers mit der Situation Klavierlehrer – Schüler
e) dann denken sie, dass ein Vertrag nur für den Klavierlehrer gut ist
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zu a)
Ich möchte mich als Klavierlehrerin nicht zum Spielball von Dingen machen lassen, auf die ich keinen Einfluss habe. Man darf auf gar keinen Fall davon ausgehen, dass ein Schüler die Perspektive eines Klavierlehrers, die zudem noch von Klavierlehrer zu Klavierlehrer anders sein kann, kennt und nachvollziehen kann. Man muss für sich selbst sorgen. Der Schüler wird nicht für den Klavierlehrer sorgen und das ist auch nicht seine Aufgabe. Ein Vertrag sorgt für Klarheit. Mündliche Absprachen werden schnell vergessen, schriftlich fixiert kann alles nachgelesen werden. Es gibt weniger Unruhe, jeder weiß, woran er ist. Ein Knebelvertrag ist das nicht, denn ein Schüler kann auch zu einem anderen Lehrer gehen. Ein Vertrag lässt auch immer Raum für persönliche Absprachen, denn die Bedürfnisse der Schüler sind selbstverständlich sehr unterschiedlich. Er hilft auch, dass sich Lehrer und Schüler überhaupt über ihre Wünsche und Bedürfnisse Gedanken machen und diese artikulieren. Das ist sinnvoll und erspart in missverständlichen oder problematischen Situationen eine Menge Ärger. Ich hatte noch nie einen Schüler, der sich über einen Vertrag beschwert hat. Im Gegenteil gab der Vertrag ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Seriosität.
zu b)
Es gibt sehr viele äußere Umstände, weswegen ein Schüler keinen Unterricht mehr nehmen will, obwohl er sehr zufrieden ist. Ich hatte schon mal den Fall, dass eine Schülerin, nur weil sie einen Monat nicht üben konnte (Urlaub, viel zu tun, Unterricht hatte sie schon,....) allen Ernstes meinte, sie würde diesen Monat nicht bezahlen wollen. Manche wollen von einem Tag auf den anderen aufhören, weil sie gerade von ihrem Ehepartner verlassen wurden und am Klavier, wenn sie in Ruhe sind, einen Heulkrampf bekommen. Da gibt es nichts, was es nicht gibt. Es hilft diesen Menschen, wenn sie sich Zeit nehmen, um in Ruhe und wohlüberlegt eine Entscheidung zu treffen. Genauso bei Kindern. Krisen im Klavierspiel kommen vor und es sollte nicht sofort die Möglichkeit gegeben werden, dem Impuls, aufzuhören, nachgeben zu können. So viele bereuen es später, in ihrer Jugend aufgehört zu haben, was man auch des Öfteren im Forum liest – diese Entscheidung sollte man nicht leichtfertig, sondern gut überlegt treffen! Probleme in der Schule, familiäre Schwierigkeiten, keine Lust mehr in der Pubertät,......die Gründe, aufzuhören, ohne unzufrieden mit dem Unterricht zu sein, sind unendlich. Die Lösungen aber auch! Mögliche Lösungen können z.B. auch die Unterrichtsgestaltung oder Absprachen beim Üben betreffen.
Curby sagte. dass, wenn ihm gekündigt würde, es wohl einen Grund dafür geben würde, nämlich dass er schlechte Arbeit geleistet habe, wenn ich das richtig verstanden habe. Das muss keinesfalls so sein! Was würde er sagen, wenn sein Arbeitgeber sagt, er kündige ihm kurzfristig und fristlos, weil er die nächsten Monate kein Geld habe, weil er mal kurz die Firma schließt, um in Urlaub zu fahren, weil er jemanden gefunden hat, der die gleiche Arbeit billiger macht, weil die Auftragslage gerade nicht so gut sei, ..... . Wenn jemandem gekündigt wird, heißt das nicht, dass er schlechte Arbeit macht... es können ganz andere Gründe dahinter stehen.
zu c)
tacet.... Nur so viel: ein guter und engagierter Lehrer hat ein hohes Verantwortungsgefühl für seine Schüler, für ihre persönliche und musikalische Entwicklung. Es ist wahr, dass es schwierig ist, pädagogische Leistungen zu messen. Trotzdem verstehe ich das ImmeraufdieOmme angeführte Argument der Unverbindlichkeit nicht. Gute pädagogische Arbeit und Unverbindlichkeit sind nicht miteinander vereinbar, sogar diametral entgegengesetzt.
zu d)
Beim Verhältnis AN – AG sind beide wirtschaftlich auf die Leistung bzw. den Lohn angewiesen. Hier jedoch übt der eine Teil in der Regel “nur” ein Hobby aus. Es hat in der Regel keine gravierenden Auswirkungen auf die Lebensumstände des Schülers, wenn er aufhört mit Klavierspielen. Es ist ihm daher nicht existentiell wichtig – es ist nicht lebensnotwendig aus wirtschaftlich-materieller Sicht. Daher ist die Bereitschaft, den Klavierunterricht zu beenden, mit Sicherheit höher, als die Bereitschaft, den Job aufzugeben zu kündigen oder gekündigt zu werden. Ausnahmen sind möglich und hier im Forum erfreulicherweise anzutreffen.
zu e)
Ein Vertrag ist natürlich für den Klavierlehrer gut wegen der Planungssicherheit. Klavierlehrer haben auch Familie, müssen Miete und Hobbies ihrer Kinder zahlen. Es ist auch ein Unterschied, ob man nur für sich, oder für eine Familie verantwortlich ist. Aber auch für den zahlenden Kunden ist ein Vertrag oft sinnvoll. Einmal in finanzieller, dann auch in pädagogischer Hinsicht:
Finanziell: Eine monatliche Regelung ist für den Schüler wesentlich günstiger. Einzelstundenpreise gehen in die Richtung einer Handwerkerstunde, eines Osteopathen o.ä.. 10er Karten sind etwas günstiger. Hat also jemand das Bedürfnis nach großer Freiheit, ist das kein Problem, nur teuer. Ich biete höchst selten Einzelstunden und nur ab und an 10er-Karten an, da mir in den meisten Fällen an einer kontinuierlichen Arbeit gelegen ist.
Pädagogisch: diese kontinuierliche Arbeit ist in den meisten Fällen zu einer erfolgreichen gemeinsamen Arbeit notwendig. Bei Kindern sowieso! Punkt b) zeigte schon, dass es sinnvoll ist, auch manche Durststrecke und Krise zu überwinden und ein Vertrag kann dafür sorgen, dass nicht sofort alles hingeschmissen wird.
Trotzdem ist es wichtig, die Gefühle, die hier teilweise recht klar und drastisch geschildert wurden, ernst zu nehmen. Vermutlich hat es etwas damit zu tun, dass manche das Gefühl haben, über den Tisch gezogen zu werden von so einem Vertrag. Dem kommt, um zur Eingangsfrage zu kommen, eine Probezeit von z.B. drei Monaten entgegen, bei dem der Schüler jederzeit kündigen kann. Danach wird oft eine Kündigungsfrist von drei Monaten als für beide Seiten akzeptabel empfunden. Auf der anderen Seite kann es sein, dass Klavierlehrer, die hier mitlesen, betroffen sind von den geäußerten Gefühlen und sie als mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit empfinden. Das ist keine gute Basis für eine gemeinsame Arbeit. Können beide Seiten ihre Bedürfnisse artikulieren in gegenseitigem Respekt, ist es sicher möglich, eine wie immer geartete Einigung zu treffen und dann mit dem zu beginnen, was der Grund ist für das Gespräch und den Vertragsabschluss: dem Musizieren und Klavier spielen.