Improvisation, warum wird es totgeschwiegen....

  • Ersteller des Themas amicusrarus
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Auch die ausgefeilteste, gewiefteste, durchdachteste Improvisation ist doch Geplapper für ein paar Ohren, zwischen denen es einfach kein Verständnis für die jeweilige Art von Musik gibt.

Beispielsweise ist vieles aus dem Jazzbereich für mich Geplapper. Wird es wohl auch bleiben, er birgt für meine Neugier schlicht keinen Angelhaken. Oder geht mit mir in ein Museum für abstrakte Malerei und ich werde all meine Schauspielkunst aufwenden, Interesse zu heucheln. Hoffe nur, ich wär nicht so blasiert, dass ich sage hey, das könne ich auch, faken mit "künstlicher Intelligenz" oder so.

Was ich sagen möchte: Ob etwas Geplapper ist oder nicht, wird zwischen den Parteien des Kommunikationsaktes ausgehandelt. Also, entweder verstehen die sich oder nicht oder halt nur teilweise. Das Urteil Dritter ist dabei absolut unmaßgeblich. Plappernde Kleinkinder scheinen einander manchmal zu verstehen, wusste mir eine Mutter zu berichten.
 
Auch die ausgefeilteste, gewiefteste, durchdachteste Improvisation ist doch Geplapper für ein paar Ohren, zwischen denen es einfach kein Verständnis für die jeweilige Art von Musik gibt.

Jo, kenn ich. Ich hörte Musik über Kopfhörer auf der Arbeit. Kollege fragt mich: "Was hörstn da?" Ich reiche meinen Kopghörer. Er: "Weiß der überhaupt, was der da spielt!?" Ich: "Er weiß das. ich weiß das. und ich weiß, dass er es weiß." Der schaute mich ungläubig an.

Normale Härte.

Geht mir aber umgekehrt auch so. Leute erfreuen sich an so unglaublich banalen Dingen, dass ich deren Begeisterung zur Kenntnis nehmen, aber nicht wirklich nachvollziehen kann.

Geht mir z.B. oft bei Mozart so.

Grüße
Häretiker
 
na ja, wenn du auf dem Dorf wohnst, hast du nicht viel Möglichkeiten es sei denn du willst zum Unterricht 30 Km fahren.
Und wenn dein Geldbeutel dir nur ca 1 Std im Monat erübrigt, überlegst du dir schon ob du es dir nicht selber beibringen kannst...dauert zwar länger und ist sehr fehler behaftet, aber besser als nichts...., nu werd ich mal ernsthaft sehen...irgendwo wird es sicherlich eine Möglichkeit geben...
Kenne ich alles. Aber Du hast Internet. Und es gibt durchaus seriöse Klavier-Onlinekurse wie ZAPIANO, die die Improvisation in den Mittelpunkt stellen. Also so richtig scheinst Du nicht danach gesucht zu haben. Denn es gibt schon eine ganze Menge, was man auch irgendwo auf dem Dorf machen kann und wofür man keine Unsummen bezahlen muss.
 
Falls es hier Interesse an einem kleinen Kurs in Klavierimprovisation gibt, könnte ich irgendwann mal einen anbieten. Man kann in jedem "Stadium" improvisieren, mit verschiedensten musikalischen Parametern und in verschiedenen musikalischen Stilen - und zwar so, dass es weit über Zufall und Geplapper hinausgeht!
 
Noch eins zum Erlernen der alten Meister:
Es ist ein Trugschluss, zu denken, man könne wunderbar improvisieren, wenn man von nix eine Ahnung hat. Dann weiß man ja gar nicht, worüber man spricht.
Wenn wir von Bach bis Ligeti uns mit der Literatur liebevoll beschäftigen, wandern wir zum Einen durch die Evolution unserer Klaviermusik und zum Anderen werden wir konfrontiert mit sehr kunstvoller Sprache.
Ein Kind, das in früher Jugend gute Bücher liest, wird sich sprachlich besser ausdrücken können, als eines, das nur Computer spielt. Das Gehirn hält einfach mehr Worte, Satzstellungen, Ausdrucksmöglichkeiten parat, weil es sie schon gelernt hat.
Das lässt sich wunderbar auf die Musik übertragen.
 
Zum Thema Improvisieren fällt mir ein Konzert von Frau Montero auf, dass aus einem konventionellem Teil bestand und aus einem improvisierten Teil. Da konnten einzelne Zuschauer ein Stück nennen. Das Thema wurde dann spontan improvisiert. Man kann davon ausgehen, dass 90% der gewünschten Themen für die Pianistin nichts Neues mehr waren. Hätte man aber mal das Thema aus Haydns 9. Streichquartett gefragt, dann hätte man es vorsingen müssen.
 
"unglaublich banal" ... in Zusammenhang mit Mozart ist schon eine steile These ... :004: ich würde das eher so sagen: dem einen gefällts, dem anderen nicht ...

Deswegen schrieb ich ja 'mir geht das so bei Mozart'. Eingeschränkt mit einem 'oft'.

Vor ein paar Monaten, ich fuhr mit dem Auto durch die Gegend, mal Sendersuchlauf vom Radio rattern lassen. Sender gefunden, Klaviermusik. Habe mir das dann die paar Minuten angehört, die es noch lief und dachte sofort: Das kann nur Mozart sein. War dann auch so. Kam mir halt banal Trallala plätescherplätscher vor. Ich kann da nichts dran finden. Es kommt mir halt banal vor.

YMMV.

Grüße
Häretiker
 
Mozart ist halt scheintrivial. Der tiefere Sinn ist mehr im Detail und die Komplexität nicht so offensichtlich wie z.B. bei Bach oder Beethoven.
 

Zu Mozart gibt es einige Sprüche:
- KV-Nummern 5xx und 6xx
- die Sachen in Moll-Tonarten
- Vokalmusik besser als Instrumentalmusik

Ich für meinen Teil gehe in jede Mozart-Oper sofort, bei den Klaviersonaten mag ich lieber (jaja) mehr den zweiten Band, seine Duos und Trios finde ich langweilig, Quartette und größer wiederum toll.

Ist schon viel Nähwerk, was 's Wolferl fabriziert hat.

Was an Mozart so spezifisch komplex sein soll, habe ich noch nicht erklärt bekommen.

Aber bei solchen musiksystematischen Fragen hält sich die Musikwissenschaft sehr bedeckt. Zu Bach und Beethoven gibt es tonnenweise Literatur, schon seit den 19. Jhd., aber bereits für Brahms, der eigentlich auch für Strukturfetischisten interessant sein müsste, ist seit Schönberg auch nicht mehr groß was gekommen. Bei Schubert, Schumann, Chopin,... muss man in den Regalen der Universitätsbibliothek mit spitzen Fingern graben, um so Dissertatiönchen zu dieser und jener Fragestellung herauszuzuzeln.

Cool, dass es aber die hochverdiente Reihe musik konzepte gibt.

Warum will ich so etwas haben? Ganz einfach: um die Werke besser zu verstehen. Derartige Informationen sind unmittelbar für die Spielpraxis relevant.

Sonst würden wir Bach immer noch mit strengstem Orgellegato in gemächlichstem Tempo spielen. Die Matthäus-Passion dauerte mal 6 Stunden...
 
Zuletzt bearbeitet:
Man muss Mozart auch stets vor dem Hintergrund betrachten, was damals sonst so abging auf der Komponistenszene.

Außer Haydn und CPE Bach war da nix. Die "Mannheimer" komponierten tatsächlich Banalgedudel.

Im Vergleich zu dem, was in dem. neuentstandenen "galanten Stil" sonst so geschrieben wurde, waren selbst Mozarts "banale" Stücke ein Wunderwerk an Komplexität und Subtilität.

Mit Bach oder gar Komponisten, die nach ihm kamen, darf man ihn natürlich nicht vergleichen. Es gibt aber, neben viel in der Tat etwas belang-armem Kram, so einige wirklich großartige Werke von ihm, z.B. KV 466, 488 und 491, Requiem, c-moll-Messe, Sinfonien 40 und 41, g-moll-Streichquintett, Don Giovanni und Zauberflöte usw. usf.

Haydn wird leider gegenüber Mozart etwas unterschätzt, wahrscheinlich weil Mozart populärer ist. Ich halte Haydn für den bedeutenderen Komponisten von beiden.
 
Ich habe den sehr deutlichen Eindruck, dass diejenigen, die hier so nette Urteile über Mozarts Musik fällen, schlicht keine Ahnung haben. Man kann halt nur das hören und verstehen, was einem gegeben ist. :007::egelTeufel::006:
 
Ich habe den sehr deutlichen Eindruck, dass diejenigen, die hier so nette Urteile über Mozarts Musik fällen, schlicht keine Ahnung haben. Man kann halt nur das hören und verstehen, was einem gegeben ist. :007::egelTeufel::006:

Wer die Überlegenheit des real existierenden Sozialismus nicht erkennt, hat nicht genug nachgedacht. :-)
(Kritikimmunisierung 101)

Nee, im Ernst:
Beim 'Don Giovanni' gab es tatsächlich tolle Momente, da dachte ich mir: geht ja, er kann ja! Aber der Rest ist halt ... man kann es gerne verkaufen "das ist halt zu subtil". Für mich gibt es Grenzen der Subtilität, genauso wie es auch Grenzen der Komplexität gibt. Oh, da hat er den Trugschluss mal noch etwas weiter heraus gezögert, wow. Bleibt aber halt ein Trugschluss. Mit subtilen Pfiff. Aber immer noch ein Trugschluss. Na denn.

Grüße
Häretiker
 
[...] leider nicht seit Anfang an dabei hier [...] tl;dr [...] dennoch (möchte ich besenftigen)

(Weiß aber noch nicht ob das hier bereits stand.)

Man könnte "Improvisation" vor dem Hintergrund der Notwendigkeit oder des Bedarf sehen. Musik zum Unterhalten. Es gab nicht allerorts Retorten, und noch etwas weiter zuvor nicht überall Noten ggf. Instrumentarium. Da galt es "zu improvisieren". Sinniere über ein Thema von A. Lindhorst. Wenn dann nur wenige Motive im Kopf sind, füllte man die Lücken und überbrückte damit ggf. seine Wissenslücken, stopfte sie also nach seinem Gutdünken. Hier eine Volksweise, da ein Gassenhauer, lokale Weisen, gemeinschaftlicher Zeitvertreib beim Pflaumenentkernen.

Da bestand dann halt auch einfach Bedarf an Beschallung.

Wann kommt es heute vor, dass sich solch ein Szene formt? Auf jeder Kirmes dödelt ein Alleinunterhalter. Lokales Liedgut gibts gefühlt nur noch südlich des Weißwurstäquator, singen tut keine Sau mehr, musikalisch kommunizieren außerhalb eines "musikalischen Kontext" auch niemand mehr.

Da braucht man nicht mehr Improvisieren. Alexa... ?

Es ist vielleicht nicht die "klassische Ansicht" von Improvisation, aber ich wollte diese These / grob skizziert, in den Ring werfen.

Edit: Der Zeitgeist ändert sich und klar dass dann zwangsläufig die Fähigkeiten seitens Spielern und Zuhörern verkümmern und dass das Auswirkungen auf den Status Quo und die Legitimation / legitimen Kontext von "Improvisation" hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zum Thema Improvisieren fällt mir ein Konzert von Frau Montero auf, dass aus einem konventionellem Teil bestand und aus einem improvisierten Teil. Da konnten einzelne Zuschauer ein Stück nennen. Das Thema wurde dann spontan improvisiert. Man kann davon ausgehen, dass 90% der gewünschten Themen für die Pianistin nichts Neues mehr waren. Hätte man aber mal das Thema aus Haydns 9. Streichquartett gefragt, dann hätte man es vorsingen müssen.
Da gibts das Video im netzt in dem sie auf "Wir lasse de Dom in Kölle" improvisiert .. ich denke das war für sie was Neues ... allerdings gibts bei fast jedem Song (den das Publikum aus dem Stand singend vorschlägt) eine Hookline aus maximal 12 Noten ... und da kann eine Montero natürlich eine Improvisation drauf aufbauen.

Sie steigt auch gleich auf die Tonart des Publikums ein ... respekt
 
A propos Mozart: hier erklärt der unvergleichliche und unnachahmliche Victor Borge, wie eine Mozart-Oper funktioniert.

Wer direkt zur Oper gelangen möchte, kann zwar bis ca. 5:00 "vorspulen", bringt sich aber um saukomische vorherige 5 Minuten
 
Falls es hier Interesse an einem kleinen Kurs in Klavierimprovisation gibt, könnte ich irgendwann mal einen anbieten. Man kann in jedem "Stadium" improvisieren, mit verschiedensten musikalischen Parametern und in verschiedenen musikalischen Stilen - und zwar so, dass es weit über Zufall und Geplapper hinausgeht!
Da wäre ich sehr gerne dabei, wenn das zustande kommt!
 

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