Beides ist wohl richtig. Alleine an der unterschiedlichen Art, wie Menschen eine der natürlichsten Bewegungen machen: Das Gehen (was wohl alle von klein auf lernen), sieht man, wie individuell und komplex die Motorik ist. Als Dachdecker sehe ich, wie uneffezient Werkzeuge alle Art eingesetzt werden, egal ob von Kindern oder Erwachsenen. Da ist alterunabhängig nichts Natürliches dran. Es sind eben nicht immer Alltagsbewegungen bzw. man muss oft erst lernen, diese mit einzubinden.
Ich gebe ja zu, dass meine Behauptung verkürzt und im Wortsinne "idealisiert" war.
Realiter scheint es viele Menschen zu geben, die motorisch ungeschickt sind und unaufmerksam gegenüber sich selbst.
Aber auch die Selbstanalyse kann man üben. Man versucht ja auch gerne und oft, die ganz großen Weltprobleme zu analysieren und hat wie oft auch ganz tolle Ideen, was andere ändern müssten, damit (für einen selbst) alles besser wird. Warum nicht das analysieren, was einem so nah ist wie nichts sonst (sich selbst) und was nebenbei auch das einzige ist, worauf man unmittelbar verändernden Einfluss hat (man selbst). Koscht ja nix, wie der Schwabe zu sagen pflegt.
Und ganz oft einfach die Vorstellung, daß man sich für sowas wie Klavierspielen (oder Tanzen) irgendwie ganz speziell / künstlich bewegen muß, weil man ja schließlich was ganz besonderes macht. Da bewegt man sich dann ganz bewußt völlig unnatürlich, wie man es bei Alltagsverrichtungen nie tun würde.
Das ist der Grund, den ich am häufigsten beobachte, aber am wenigsten wirklich verstehe.
Damit hast Du den Kern meiner Aussage viel prägnanter auf den Punkt gebracht als es mir vergönnt war.
Für die Hirninteressierten: "Schuld" ist das überdimensionierte Großhirn des erwachsenen Menschen. Das macht aus einer Mücke gern einen Elefanten.
In dem Augenblick, wo man motorisch etwas Neues lernt, wird es aktiv. Normalerweise ist es aber nicht sein Job, Alltagsmotorik zu initiieren oder gar zu steuern. Dementsprechend krampfig fällt das Ergebnis zunächst aus, bis das Erlernte in "tiefere", archaischere Hirnregionen sackt und dort erheblich zuverlässiger und unkomplizierter abrufbar ist.
Hilfreich kann sein, immer wieder extrem aufmerksam zu beobachten, wie andere Leute die Bewegungen ausführen, und sich intensiv vorstellen, selbst die Bewegung auszuführen. Lernen durch Imitation ist intellektuell zwar so dermaßen"bäh", dass man sogar ein extrem abwertendes Lexem dafür hat: "Nachmachen" wird gern pejorisiert zu "nachäffen" (es gibt offenbar keine schlimmere Beleidigung für die vermeintliche Krone der Schöpfung als mit unintellektuellen Nahverwandten verglichen zu werden). Dabei ist Motorik an sich überhaupt nicht intellektuell. Durch den Intellekt initiierte Motorik ist krampfig, weil Motorik erst dann gut und sicher funktioniert, wenn sie nicht (mehr) durchs aktive Bewusstsein gesteuert werden muss.
Dann gilt sie als "natürlich", und witzigerweise tritt hier plötzlich die zuvor verpönte Unintellektualität ("nachäffen") in positiver Konnotation auf.