"Aus den Fingern spielen"

Normalerweise bewegt man sich im Alltag doch auch zweckmäßig.
Ich denke nicht, dass das etwas Selbstverständliches ist, denn zweckmäßiges Bewegen unter Ausnutzung der Schwerkraft ist oft genug verstellt durch Haltungsschäden, unausbalancierte Spannungszustände der Muskulatur, Dysbalancen, verminderters Körpergefühl aufgrund Bewegungsmangel, persönliche ungünstige Bewegungsmuster, Verhaltensauffälligkeiten, persönliche Macken und Belastungen, die sich in Bewegungsmustern und Haltungen niederschlagen, Bedingungen die die Harmonie der Bewegungen stören insbesondere Zeitdruck, Ungeduld, Ehrgeiz, Schmerzen, ......und vieles mehr, was Bewegungen in ihrer Zweckmäßigkeit und Natürlichkeit hemmt.
 
Beides ist wohl richtig. Alleine an der unterschiedlichen Art, wie Menschen eine der natürlichsten Bewegungen machen: Das Gehen (was wohl alle von klein auf lernen), sieht man, wie individuell und komplex die Motorik ist. Als Dachdecker sehe ich, wie uneffezient Werkzeuge alle Art eingesetzt werden, egal ob von Kindern oder Erwachsenen. Da ist alterunabhängig nichts Natürliches dran. Es sind eben nicht immer Alltagsbewegungen bzw. man muss oft erst lernen, diese mit einzubinden.
 
Jep, spätestens wenn man im OP liegt und am Bewegungsapparat operiert wird, sollte einem klar werden, dass man sich ganz offensichtlich die ganze Zeit unzweckmäßig bewegt hat, sonst wäre jetzt das und das nicht total verschlissen...
 
Um das zu merken sind wohl drastische Erlebnisse wie OPs nötig, anders kann ich mir nicht erklären warum Smartphone-Dauergucker sich nach mehreren Kilometern Bewegung mit gesenktem Kopf über Nackenschmerzen wundern...

Zum Armgewicht: Peters Schilderung seines Unterrichtes kam mir sehr bekannt vor, meine KL hat zum Erklären allerdings keine Tischplatte genutzt und mir auch ungefähr erklärt wie sich das ganze anfühlen sollte.

In erster Linie ging es darum, dass ich nicht mit Muskelkraft den ganzen Arm runterdrücke oder die Noten mit unbewegtem Handgelenk rausfingere, sondern locker bleibe und die Bewegung vor allem im Handgelenk stattfinden sollte.

Dazu hat sie mein Handgelenk etwas über der Tastaturhöhe gehalten und ich sollte den ganzen Arm entspannen und schwermachen. Das Gefühl beschrieb sie ähnlich wie bei autogenem Training, d.h. ich sollte bewusst ausatmen und fühlen wie der Arm immer schwerer wird, OHNE ihn mit Muskelarbeit runterzudrücken. Es ist also nur das Eigengewicht, dass den Arm "runterzieht". Das hat sie am Anfang der ersten Stunden (besonders vor Etüden mit viel Staccato) gemacht, damit ich gar nicht erst anfange zu verkrampfen und durch Anspannung Druck auf die Tasten zu bringen, sondern stattdessen mit dem Armgewicht und beweglichem Handgelenk spiele. (Vermutlich hat sie die Hand also festgehalten um zu merken ob ich die Muskeln an- oder entspanne)

Tatsächlich neige ich dadurch auch nicht zu übermäßigem Anspannen, wenn ich mich aber noch sehr auf die Noten eines neuen/schweren Stückes konzentrieren muss verspanne ich stattdessen den Rücken und ziehe die Schultern hoch, insofern mache ich also einfach einen anderen Fehler :-D.
 
Das Pferd kann auch von anderer Seite aufgezäumt werden: Wenn ich einen weichen, vollen, runden Klang haben will, dann werde ich meine Bewegung entsprechend ausführen, dagegen fällt die Bewegung anders aus, wenn es spritzig,kurz und leicht klingen soll....dergleichen gibt es dann klangorientiert ein weites Repertoire an Bewegungen.
 
Ich denke nicht, dass das etwas Selbstverständliches ist, denn zweckmäßiges Bewegen unter Ausnutzung der Schwerkraft ist oft genug verstellt durch Haltungsschäden, unausbalancierte Spannungszustände der Muskulatur, Dysbalancen, verminderters Körpergefühl aufgrund Bewegungsmangel, persönliche ungünstige Bewegungsmuster, Verhaltensauffälligkeiten, persönliche Macken und Belastungen, die sich in Bewegungsmustern und Haltungen niederschlagen, Bedingungen die die Harmonie der Bewegungen stören insbesondere Zeitdruck, Ungeduld, Ehrgeiz, Schmerzen, ......und vieles mehr, was Bewegungen in ihrer Zweckmäßigkeit und Natürlichkeit hemmt.

Und ganz oft einfach die Vorstellung, daß man sich für sowas wie Klavierspielen (oder Tanzen) irgendwie ganz speziell / künstlich bewegen muß, weil man ja schließlich was ganz besonderes macht. Da bewegt man sich dann ganz bewußt völlig unnatürlich, wie man es bei Alltagsverrichtungen nie tun würde.

Das ist der Grund, den ich am häufigsten beobachte, aber am wenigsten wirklich verstehe.
 
Womöglich führt das wiederholt beschriebene Empfinden von "Freiheit" dazu, dass sie endlich rauslassen kann, was längst verinnerlicht, aber bislang irgendwie blockiert wurde.

Das hast Du recht gut erkannt! :-)

Dieses Gefühl der Freiheit ist es, warum ich nach wie vor keine Motivation habe Unterricht zu nehmen.

Ich könnte mir aber vorstellen, dass es nicht am vorherigen "schlechten Unterricht" liegt.

Ich hatte guten Unterricht, ich habe viel bei meinem ehemaligen KL gelernt. Die Zeit mit ihm war (bis auf einige Ausnahmen) sehr bereichernd für mich. Nach wie vor halte ich ihn (allerdings mit Einschränkungen) für sehr kompetent. Aber erst nach Beendigung des Unterrichts bin ich nach und nach zu der Erkenntnis gelangt, dass er mir einiges vorenthalten hat. Darüber war ich einige Zeit sehr enttäuscht und traurig, denn ich habe sehr große Stücke auf ihn gehalten. Er hatte vermutlich Gründe dafür, dass er mir diese Dinge nicht vermittelt hat. Vielleicht dachte er, mich mental und physisch mit zu viel Wissen/Theorie/Technik zu überfordern. Denn er kannte meine diversen "Baustellen" des Bewegungsapparats.
 
Und ganz oft einfach die Vorstellung, daß man sich für sowas wie Klavierspielen (oder Tanzen) irgendwie ganz speziell / künstlich bewegen muß, weil man ja schließlich was ganz besonderes macht.
Typisch für Erwachsene;-)Technik einüben und Machen wollen....sicher kann durch technische Übungen Bewegung bewußter werden, Fehlbewegung korrigiert werden. Der wichtigste Lehrmeister ist jedoch die Musik selbst und der eigene möglichst unverstellte Bewegungssinn, Aufmerksamkeit und Gehör. Für mich persönlich am Wichtigsten beim Musizieren: Hören und Fühlen, kommt Notentext hinzu, dann auch Denken und Merken. Eigentlich ganz einfach:super:
 
Für mich persönlich am Wichtigsten beim Musizieren: Hören und Fühlen, kommt Notentext hinzu, dann auch Denken und Merken. Eigentlich ganz einfach:super:

JAHAAA!

Und einfach alles entspannen, was man nicht braucht, um die Finger dort zu haben, wo man sie braucht, und um die gewünschten Tasten so zu Beschleunigen, wie man das gerne möchte.
 

Dieses Gefühl der Freiheit ist es, warum ich nach wie vor keine Motivation habe Unterricht zu nehmen.
Freiheit, den eigenen Unterricht mitzugestalten, die eigene Übezeit zu gestalten, den Zugang zum Instrument und zur Musik zu entwickeln, selbst tätig zu werden..........Freiheit und Unterricht das schließt sich doch nicht aus, verstehe ich nicht. Ich denke , dass ein Blick von außen zum Lernen wichtig ist, nur im eigenen Saft kochen, kommt irgendwann an Grenzen.
 
Beides ist wohl richtig. Alleine an der unterschiedlichen Art, wie Menschen eine der natürlichsten Bewegungen machen: Das Gehen (was wohl alle von klein auf lernen), sieht man, wie individuell und komplex die Motorik ist. Als Dachdecker sehe ich, wie uneffezient Werkzeuge alle Art eingesetzt werden, egal ob von Kindern oder Erwachsenen. Da ist alterunabhängig nichts Natürliches dran. Es sind eben nicht immer Alltagsbewegungen bzw. man muss oft erst lernen, diese mit einzubinden.

:-)Ich gebe ja zu, dass meine Behauptung verkürzt und im Wortsinne "idealisiert" war. ;-) Realiter scheint es viele Menschen zu geben, die motorisch ungeschickt sind und unaufmerksam gegenüber sich selbst.

Aber auch die Selbstanalyse kann man üben. Man versucht ja auch gerne und oft, die ganz großen Weltprobleme zu analysieren und hat wie oft auch ganz tolle Ideen, was andere ändern müssten, damit (für einen selbst) alles besser wird. Warum nicht das analysieren, was einem so nah ist wie nichts sonst (sich selbst) und was nebenbei auch das einzige ist, worauf man unmittelbar verändernden Einfluss hat (man selbst). Koscht ja nix, wie der Schwabe zu sagen pflegt.


Und ganz oft einfach die Vorstellung, daß man sich für sowas wie Klavierspielen (oder Tanzen) irgendwie ganz speziell / künstlich bewegen muß, weil man ja schließlich was ganz besonderes macht. Da bewegt man sich dann ganz bewußt völlig unnatürlich, wie man es bei Alltagsverrichtungen nie tun würde.

Das ist der Grund, den ich am häufigsten beobachte, aber am wenigsten wirklich verstehe.

Damit hast Du den Kern meiner Aussage viel prägnanter auf den Punkt gebracht als es mir vergönnt war. :super:

Für die Hirninteressierten: "Schuld" ist das überdimensionierte Großhirn des erwachsenen Menschen. Das macht aus einer Mücke gern einen Elefanten. ;-)In dem Augenblick, wo man motorisch etwas Neues lernt, wird es aktiv. Normalerweise ist es aber nicht sein Job, Alltagsmotorik zu initiieren oder gar zu steuern. Dementsprechend krampfig fällt das Ergebnis zunächst aus, bis das Erlernte in "tiefere", archaischere Hirnregionen sackt und dort erheblich zuverlässiger und unkomplizierter abrufbar ist.

Hilfreich kann sein, immer wieder extrem aufmerksam zu beobachten, wie andere Leute die Bewegungen ausführen, und sich intensiv vorstellen, selbst die Bewegung auszuführen. Lernen durch Imitation ist intellektuell zwar so dermaßen"bäh", dass man sogar ein extrem abwertendes Lexem dafür hat: "Nachmachen" wird gern pejorisiert zu "nachäffen" (es gibt offenbar keine schlimmere Beleidigung für die vermeintliche Krone der Schöpfung als mit unintellektuellen Nahverwandten verglichen zu werden). Dabei ist Motorik an sich überhaupt nicht intellektuell. Durch den Intellekt initiierte Motorik ist krampfig, weil Motorik erst dann gut und sicher funktioniert, wenn sie nicht (mehr) durchs aktive Bewusstsein gesteuert werden muss.

Dann gilt sie als "natürlich", und witzigerweise tritt hier plötzlich die zuvor verpönte Unintellektualität ("nachäffen") in positiver Konnotation auf. :zunge:
 
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Lernen durch Imitation ist intellektuell zwar so dermaßen"bäh", dass man sogar ein extrem abwertendes Lexem dafür hat: "Nachmachen" wird gern pejorisiert zu "nachäffen" (es gibt offenbar keine schlimmere Beleidigung für die vermeintliche Krone der Schöpfung als mit unintellektuellen Nahverwandten verglichen zu werden). Dabei ist Motorik an sich überhaupt nicht intellektuell. Durch den Intellekt initiierte Motorik ist krampfig, weil Motorik erst dann gut und sicher funktioniert, wenn sie nicht (mehr) durchs aktive Bewusstsein gesteuert werden muss.

Dann gilt sie als "natürlich", und witzigerweise tritt hier plötzlich die zuvor verpönte Unintellektualität ("nachäffen") in positiver Konnotation auf. :zunge:

Dazu fällt mir diese herrliche Geschichte ein:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hundertster_Affe


.
 

Eine für mich wirklich hochinteressante Geschichte! Und er japanische Forschungsleiter heißt sogar zufällig auch "Kawai". :super:

Ich hoffe inständig, dass der Grund Deiner Assoziation die erstaunliche Vermittlungs- und Kulturfähigkeit der makakigen Kollegen ist, nicht aber, dass Du meine Worte nicht als esoterischen Hokuspokus ansiehst?
 
Ich hoffe inständig, dass der Grund Deiner Assoziation die erstaunliche Vermittlungs- und Kulturfähigkeit der makakigen Kollegen ist, nicht aber, dass Du meine Worte nicht als esoterischen Hokuspokus ansiehst?

Nein! :angst: :bye:

Zielsetzung dieses Forschungsprojekt war den beobachteten Lernprozess kognitiv zu erfassen und den verschiedenen Lernformen zuzuordnen.

Zunächst wurde angenommen, dass hier Imitationslernen und Kulturentwicklung
gezeigt wird.

In späteren Studien, die insbesondere den Zeitverlauf der Ausbreitung Beobachteten, zeigte sich, dass die o.g. These unwahrscheinlich ist, sondern das Erlernen des Verhaltens eher auf Reiz-und Ortverstärkung beruht. Also durch die Nähe zum Wasser und die Anwesenheit von Artgenossen.

Somit würde das Verhalten nicht eine kulturelle Entwicklung aufzeigen, sondern eher auf individuelles Lernen durch Versuch und Irrtum beruhen.
 
Das macht aus einer Mücke gern einen Elefanten. ;-)In dem Augenblick, wo man motorisch etwas Neues lernt, wird es aktiv. Normalerweise ist es aber nicht sein Job, Alltagsmotorik zu initiieren oder gar zu steuern. Dementsprechend krampfig fällt das Ergebnis zunächst aus, bis das Erlernte in "tiefere", archaischere Hirnregionen sackt und dort erheblich zuverlässiger und unkomplizierter abrufbar ist.

Das scheint mir eine passende Erklärung zu sein.

Als ich deine Worte las, kam mir das Wort "Beiläufigkeit" als Bild in den Sinn.
Wenn man versucht die Bewegungen, die zum Erreichen des Ziels nötig sind, mit einer gewissen Beiläufigkeit auszuführen, also nicht aktiv bewuß gesteuer, artifiziell, sondern sich auf das Ergebnis konzentriert: den Klang, müßte das ohne die sonst üblichen Verkrampfungen zum Ziel führen.

Und während ich das schreibe wird mir klar: Genau das wird immer gepredigt:
Versuche nicht, die Bewegungen (die Technik, z.B. für Legato, Stakkato etc.) zu lernen, sondern Musik zu machen. Die passenden Bewegungen werden sich dann schon einstellen.
 
Nein! :angst: :bye:

Zielsetzung dieses Forschungsprojekt war den beobachteten Lernprozess kognitiv zu erfassen und den verschiedenen Lernformen zuzuordnen.

Zunächst wurde angenommen, dass hier Imitationslernen und Kulturentwicklung
gezeigt wird.

In späteren Studien, die insbesondere den Zeitverlauf der Ausbreitung Beobachteten, zeigte sich, dass die o.g. These unwahrscheinlich ist, sondern das Erlernen des Verhaltens eher auf Reiz-und Ortverstärkung beruht. Also durch die Nähe zum Wasser und die Anwesenheit von Artgenossen.

Somit würde das Verhalten nicht eine kulturelle Entwicklung aufzeigen, sondern eher auf individuelles Lernen durch Versuch und Irrtum beruhen.

Sicher?

Warum klappt dann: "Tu was ich sage, nicht was ich mache" so schlecht?
Oder mit Karl Valentin gesprochen: "Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach."
 

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