So, dann versuche ich es mal ein wenig detaillierter, auch wenn ich gerade feststelle, dass bei der Fülle der Eindrücke die Erinnerungen schon ein wenig verwischen.
Los ging es gestern bei der ortsansässigen
Ferd. Thürmer Pianofortefabrik. Wenn man tatsächlich einen der letzten deutschen Klavierbauer in der Stadt hat, dann sollte man da doch auch mal reinschauen, oder?
Man darf sich von dem hochtrabenden Namen "Pianofortefabrik" allerdings nicht blenden lassen. Es handelt sich um einen von außen unscheinbaren Handwerksbetrieb in einem Wohngebiet, bei dem ich zunächst nicht mal den Eingang gefunden habe. Als ich es dann doch geschafft hatte, wurde ich sehr freundlich empfangen, kurz nach meinem Hintergrund gefragt, mir wurden passende Instrumente in der Verkaufausstellung gezeigt und dann hatte ich die Gelegenheit, mich an den Instrumenten auszutoben.
Positiv im Gedächtnis geblieben sind mir - wie schon angedeutet - die beiden Kawai K-200 und K-300 mit Silent-Option. Sowohl als akustisches Instrument als auch im Silent-Modus fand ich den Klang für diese Preisklasse hervorragend. Beim ersten mal im Silent-Modus musste ich mich tatsächlich kurz versichern, ob er überhaupt an ist oder ob ich noch akustisch spiele.
Danach habe ich mich hauptsächlich den ausgestellten Flügeln gewidmet und wieder eine Menge gelernt. Die für mich unerwartesten Erfahrungen:
- Der Klang, wenn man einfach nur per Pedal die Dämpfer anhebt. Beim ersten mal habe ich mich regelrecht erschrocken.
- Die Wirkung des Una-Corda-Pedals: Da bewegt sich ja tätsächlich die gesamte Klaviatur um ein paar mm zur Seite. Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie genau man arbeiten muss, um das zuverlässig umzusetzen.
Als wirklich altes Instrument habe ich einen Niendorf von 1928 mit 1,70 Länge angespielt, der mich allerdings nicht zu fesseln vermochte.
Drei Kawai-Flügel (GL10 mit 153cm, GL30 mit 166cm und GL50 mit 188cm) habe ich als nächstes angespielt. Auch hier finde ich, kriegt man für vergleichsweise wenig Geld ordentliche Instrument. Mir haben sie gut gefallen, auch wenn sie mich nicht angesprungen haben. Bei drei Flügeln der gleichen Baureihe, die sich im wesentlichen durch die Länge unterscheiden, konnte ich dann auch selbst hören: Länger ist besser. Wie viel besser und ob es den zusätzlichen räumlichen und finanziellen Aufwand wert ist, das ist eine andere Frage, die wohl nur jeder für sich selbst beantworten kann.
Beim Gang durch die Halle kam ich immer wieder an schon besagtem Bösendorfer (180cm) vorbei, der ja preislich so gar nicht in mein Beuteschema passte und der auch gar nicht geöffnet war. Ich habe mich trotzdem mal dran gesetzt und selbst bei geschlossenem Deckel war es das erste und einzige Instrument am gestrigen Tag, das mir eine Gänsehaut verursacht und im wahrsten Sinne des Wortes feuchte Augen gemacht hat. Es kribbelt jetzt noch, wenn ich dran denke.
Ich habe mir dann den Spaß gegönnt, mir noch die Deckel eines noch größeren Bösendorfers (genaue kann ich jetzt gar nicht sagen) und 280cm-Thürmer-Konzertflügels öffnen zu lassen. Der Bösendorfer hatte leider ein kleines Problem, was zu unschönen Resonanzen geführt hat. Da muss der Klavierbauer wohl eine Kleinigkeit korriegieren. Daher habe ich diesen Flügel direkt wieder zugeklappt.
Der Thürmer-Flügel war natürlich für den kleinen Don extrem imposant. Ein großartiges Erlebnis, so ein Instrument mal zu spielen. Da merkt man, was im Bass und im Diskant noch an wohltönenden Klängen möglich ist. Zum Abschluss bin ich dann tatsächlich noch mal ganz an den Anfang zurück gekehrt und habe das Kawai K-200 noch mal angespielt. Ok, mit dem Bösendorfer und dem Thürmer kann es selbstverständlich ein keinster Weise mithalten, aber selbst im direkten Vergleich mit diesen Hochkarätern hatte ich bei dem Kawai nicht den Eindruck, an einem Billig-Instrument zu sitzen. Ob das nur für Kawai oder gegen meine Ohren spricht? Wer weiß das schon so genau.
Ich hatte als Kind ein Thürmer-Klavier von ca. 1910, und in meiner verklärten Erinnerung war das ein sehr, sehr schönes Instrument.
Sie haben ein schwarzes Thürmer von 1911 für unter 10.000 Euro da stehen. Also komm nach Bochum und kauf Dir ein Stück Kindheit.
Fortsetzung folgt.