Vor einiger Zeit habe ich mir die arabischen Zeichen angeschaut und muss gestehen, die kommen mir sehr schwierig vor.
Interessant, dass Du das schreibst! Ging mir genauso (inkl. "vor einiger Zeit arabische Zeichen angeschaut").
Meine These hierzu: Das Russische hat zu unserer Muttersprache einen geringeren "linguistischen Abstand" (größer als zu den "germanischen" oder "romanischen" Sprachen West-, Mittel- und Nordeuropas, klar, aber irgendwie ist Vieles bekannt). Die Schrift geht von links nach rechts, viele Zeichen kennt man bereits, im Russischen gibt es die romanischen Fremdwörter wie in allen mir geläufigen europäischen Sprachen, die Wortwurzeln sind oft identisch - indo-europäisch halt. Wenn man bereits Altgriechisch gelernt hat, ist es fast kein Problem mehr.
Anders das Arabische: Der linguistische Abstand zu den uns üblicherweise geläufigen Sprachen des germanisch-romanischen (i.w.S. indoeuropäischen) Spektrums ist erheblich. Die Schrift läuft "andersherum" - da geht der Gehirnkrampf schon los. Die Schrift besteht nicht aus "Buchstaben", wie man es gewöhnt ist, sondern aus "Schnörkeln mit diakritischen Zeichen" wie in den semitischen Schriftsystemen üblich. Das will unsereins nicht so schnell in die Birne.
Und dann die Sprache (Lexik / Grammatik / Morphologie - von der Lautung ganz zu schweigen) selbst - mon Dieu, da gibt es nach meinem Empfinden nichts, worauf man im hermeneutischen Sinn zurückgreifen könnte (im Gegensatz zum Russischen, wo man vieles "irgendwie schon kennt").
Spannend wäre es, ob jemand, der z.B. mal Theologie studieren wollte oder tatsächlich studierte und daher (oder aus reinem Interesse) Hebräisch erlernte, mit dem Arabischen besser klarkommt.
Beim Notenlesen (aber auch bei Arabisch oder Russisch) kommt im Unterschied zum Lesenlernen in der Muttersprache noch erschwerend hinzu, daß man es gleichzeitig mit einer neuen Sprache zu tun hat, in der man noch nicht zu Hause ist.
Ja, die Schriftzeichen zu lernen, ist wahrhaftig das kleinste Übel - falls man im europäischen oder semitischen Bereich bleibt. Europäische (das verwirrende "Indo-" lass ich lieber mal weg) Schriftsysteme bedeuten theoretisch: Ein "Laut X" hat die Entsprechung "Zeichen/Zeichenkombination Y". Bei den semitischen Schriftsystemen hat man das konsonantische Grundgerüst + Vokalismus in Gestalt diakritischer Zusatzzeichen. Von daher - geht irgendwie. Ganz anders in den Schriftsystemen des chinesischen Spektrums, die aus einer Bildschrift abgeleitet sind. Da gibt es kein "Alphabet" in unserem Sinn. Gebildete Chinesen kennen erheblich mehr Zeichen als unsere analytischen "Alphabete" hergeben.
Trotzdem, wenn wir von Zeichensystemen reden (Noten), ist das Tertium comparationis das fremde Schriftsystem. Es gibt ja auch musikalische Sprachen, die einem ohne größere Bemühungen ähnlich unverständlich sind wie die arabische Sprache.
Just dieses Problem haben nicht wenige Menschen mit Zwölftonmusik oder anderen Spielarten der musikalischen Entwicklung im 20. Jh.
Unsere kapitalistische Zeit, die aus allzu natürlichen menschlichen Schwächen gezielt mittels psychologischer Beeinflussung Kapital für einzelne schlägt, ist nicht ganz unschuld daran, dass Menschen die Quelle wahren Glücks nicht mehr kennen.
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Nicht "unsere kapitalistische Zeit " ist schuld - sie ist nur eine Emanation dessen, was Du "menschliche Schwäche" nennst. Schuld (wenn man das große Wort bemühen möchte) hat jeder Einzelne, der sich nicht dem trägen Vorsichhinexistieren entrafft - weil er zum Beispiel gar nicht will oder zu faul ist oder sich trefflich damit arrangiert hat, sich keen Kopp machen zu müssen. Ohne die Überschüsse des pöhsen Kapitalismus (aka Marktwirtschaft, das trifft´s etwas besser) keine soziale Hängematte. Fies, gell?
Übrigens ist es auch kein Zeichen "menschlicher Stärke", als pluripotente Jäger- und Sammlerhorden durch die Steppen zu ziehen. Diese Leute hätten nämlich SO VIELE ganz existenzielle Sorgen (Happa-Happa, Kälte, Wasser, von medizinischer Versorgung ganz zu schweigen), dass sie nicht allzu viel Muße übrig hätten, sich über Notenlernen und Klavierspiel den Kopf zu zerbrechen.
Schon komisch, dass die neolithische Revolution sich durchgesetzt hat.
Von diesem jungsteinzeitlichen Sündenfall bis zu "unserer kapitalistischen Zeit" gibt es eine bruchlose Linie hin zu immer virtuoserer Arbeitsteilung und umfassenderer Ressourcenbereitstellung. Es scheint schon irgendwie den menschlichen Bedürfnissen zu entsprechen, sonst hätte es in den letzten 15.000 Jahren eine andere Entwicklung gegeben. Selbst diejenigen, bei denen sich in den letzten 15.000 Jahren nicht so viel entwickelt hat, machen sich zu Millionen auf den Weg und scheuen kein Risiko (und keine Niedertracht), um endlich von den Segnungen des teuflischen Systems zu profitieren.