Was ist am Notenlernen so schwierig?

  • Ersteller des Themas DonMias
  • Erstellungsdatum

Meistens mangelt es einfach am nötigen Fleiß, bzw. am Durchhaltevermögen. Es überwiegt die Ungeduld.
Wie ich schon im Eingangsposting geschrieben habe: Ich habe da mittlerweile große Zweifel. Und jemandem, der es wirklich motiviert versucht und dann doch nicht schafft, hilft es wenig, ihm einfach nur Faulheit und Ungeduld vorzuwerfen. Evtl. würde es denen, die meinen, das Notenlesen nie lernen zu können, ja einfach schon helfen, wenn sie wüssten, dass es eben nicht bei jedem innerhalb von 3 Tagen intensiven Lernens klappt.

Wer lässt sich denn gern freiwillig Faulheit usw. vorwerfen...;-)
Da ist was dran. Schade eigentlich.
 
Evtl. würde es denen, die meinen, das Notenlesen nie lernen zu können, ja einfach schon helfen, wenn sie wüssten, dass es eben nicht bei jedem innerhalb von 3 Tagen intensiven Lernens klappt.

Und wo ist nun jemand, der erwartet, daß es nach drei Tagen schon klappt, nicht zu ungeduldig oder zu faul, um die Intensität einfach mal die zwei- oder dreihundertfache Zeit durchzuhalten, ohne zu wissen, ob es jemals klappt?

Wenn ich mich nur anstrenge, wenn es in kürzester Zeit zum Erfolg führt, bin ich nunmal total auf Instant Gratification gepolt. Klingt gleich viel besser als "faul".
 
Wenn ich mich nur anstrenge, wenn es in kürzester Zeit zum Erfolg führt, bin ich nunmal total auf Instant Gratification gepolt. Klingt gleich viel besser als "faul".

Man ist gewohnt: es reicht ein leiser Druck auf ein buntes Bildchen auf einem Bildschirm und am nächsten Tag flattert das vollkommene Glück in Form eines Päckchens ins Haus. Null Anstrengung, maximales Glücksgefühl.
Wer ist denn da noch so blöd und übt und trainiert und plagt sich ab?
Das wäre doch Rückschritt! Die Päckchenversender, die uns bis ins letzte Details analysieren und ausleuchten, wollen doch alle nur unser vollkommenes Seelenheil.

Unsere kapitalistische Zeit, die aus allzu natürlichen menschlichen Schwächen gezielt mittels psychologischer Beeinflussung Kapital für einzelne schlägt, ist nicht ganz unschuld daran, dass Menschen die Quelle wahren Glücks nicht mehr kennen.
 
Unsere kapitalistische Zeit, die aus allzu natürlichen menschlichen Schwächen gezielt mittels psychologischer Beeinflussung Kapital für einzelne schlägt, ist nicht ganz unschuld daran, dass Menschen die Quelle wahren Glücks nicht mehr kennen.
Als denkender Mensch kann ich noch immer selbst entscheiden, was ich von diesem Wahnsinn mitmachen will, was ich davon brauche, mir nützt, wie ich meine Zeit verbringen will und wie ich an Dinge herangehe. Mit der inneren Haltung "Noten lernen ist schwierig" mache ich mir schon meine Probleme selbst.
 
Vor einiger Zeit habe ich mir die arabischen Zeichen angeschaut und muss gestehen, die kommen mir sehr schwierig vor.

Interessant, dass Du das schreibst! Ging mir genauso (inkl. "vor einiger Zeit arabische Zeichen angeschaut").

Meine These hierzu: Das Russische hat zu unserer Muttersprache einen geringeren "linguistischen Abstand" (größer als zu den "germanischen" oder "romanischen" Sprachen West-, Mittel- und Nordeuropas, klar, aber irgendwie ist Vieles bekannt). Die Schrift geht von links nach rechts, viele Zeichen kennt man bereits, im Russischen gibt es die romanischen Fremdwörter wie in allen mir geläufigen europäischen Sprachen, die Wortwurzeln sind oft identisch - indo-europäisch halt. Wenn man bereits Altgriechisch gelernt hat, ist es fast kein Problem mehr.

Anders das Arabische: Der linguistische Abstand zu den uns üblicherweise geläufigen Sprachen des germanisch-romanischen (i.w.S. indoeuropäischen) Spektrums ist erheblich. Die Schrift läuft "andersherum" - da geht der Gehirnkrampf schon los. Die Schrift besteht nicht aus "Buchstaben", wie man es gewöhnt ist, sondern aus "Schnörkeln mit diakritischen Zeichen" wie in den semitischen Schriftsystemen üblich. Das will unsereins nicht so schnell in die Birne. ;-) Und dann die Sprache (Lexik / Grammatik / Morphologie - von der Lautung ganz zu schweigen) selbst - mon Dieu, da gibt es nach meinem Empfinden nichts, worauf man im hermeneutischen Sinn zurückgreifen könnte (im Gegensatz zum Russischen, wo man vieles "irgendwie schon kennt").

Spannend wäre es, ob jemand, der z.B. mal Theologie studieren wollte oder tatsächlich studierte und daher (oder aus reinem Interesse) Hebräisch erlernte, mit dem Arabischen besser klarkommt.

Beim Notenlesen (aber auch bei Arabisch oder Russisch) kommt im Unterschied zum Lesenlernen in der Muttersprache noch erschwerend hinzu, daß man es gleichzeitig mit einer neuen Sprache zu tun hat, in der man noch nicht zu Hause ist.

Ja, die Schriftzeichen zu lernen, ist wahrhaftig das kleinste Übel - falls man im europäischen oder semitischen Bereich bleibt. Europäische (das verwirrende "Indo-" lass ich lieber mal weg) Schriftsysteme bedeuten theoretisch: Ein "Laut X" hat die Entsprechung "Zeichen/Zeichenkombination Y". Bei den semitischen Schriftsystemen hat man das konsonantische Grundgerüst + Vokalismus in Gestalt diakritischer Zusatzzeichen. Von daher - geht irgendwie. Ganz anders in den Schriftsystemen des chinesischen Spektrums, die aus einer Bildschrift abgeleitet sind. Da gibt es kein "Alphabet" in unserem Sinn. Gebildete Chinesen kennen erheblich mehr Zeichen als unsere analytischen "Alphabete" hergeben.

Trotzdem, wenn wir von Zeichensystemen reden (Noten), ist das Tertium comparationis das fremde Schriftsystem. Es gibt ja auch musikalische Sprachen, die einem ohne größere Bemühungen ähnlich unverständlich sind wie die arabische Sprache. ;-)Just dieses Problem haben nicht wenige Menschen mit Zwölftonmusik oder anderen Spielarten der musikalischen Entwicklung im 20. Jh.

Unsere kapitalistische Zeit, die aus allzu natürlichen menschlichen Schwächen gezielt mittels psychologischer Beeinflussung Kapital für einzelne schlägt, ist nicht ganz unschuld daran, dass Menschen die Quelle wahren Glücks nicht mehr kennen.

Umgekehrt wird ein Schuh draus. Nicht "unsere kapitalistische Zeit " ist schuld - sie ist nur eine Emanation dessen, was Du "menschliche Schwäche" nennst. Schuld (wenn man das große Wort bemühen möchte) hat jeder Einzelne, der sich nicht dem trägen Vorsichhinexistieren entrafft - weil er zum Beispiel gar nicht will oder zu faul ist oder sich trefflich damit arrangiert hat, sich keen Kopp machen zu müssen. Ohne die Überschüsse des pöhsen Kapitalismus (aka Marktwirtschaft, das trifft´s etwas besser) keine soziale Hängematte. Fies, gell? ;-)

Übrigens ist es auch kein Zeichen "menschlicher Stärke", als pluripotente Jäger- und Sammlerhorden durch die Steppen zu ziehen. Diese Leute hätten nämlich SO VIELE ganz existenzielle Sorgen (Happa-Happa, Kälte, Wasser, von medizinischer Versorgung ganz zu schweigen), dass sie nicht allzu viel Muße übrig hätten, sich über Notenlernen und Klavierspiel den Kopf zu zerbrechen.

Schon komisch, dass die neolithische Revolution sich durchgesetzt hat. :lol: Von diesem jungsteinzeitlichen Sündenfall bis zu "unserer kapitalistischen Zeit" gibt es eine bruchlose Linie hin zu immer virtuoserer Arbeitsteilung und umfassenderer Ressourcenbereitstellung. Es scheint schon irgendwie den menschlichen Bedürfnissen zu entsprechen, sonst hätte es in den letzten 15.000 Jahren eine andere Entwicklung gegeben. Selbst diejenigen, bei denen sich in den letzten 15.000 Jahren nicht so viel entwickelt hat, machen sich zu Millionen auf den Weg und scheuen kein Risiko (und keine Niedertracht), um endlich von den Segnungen des teuflischen Systems zu profitieren. :lol:
 
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Nicht "unsere kapitalistische Zeit " ist schuld - sie ist nur eine Emanation dessen, was Du "menschliche Schwäche" nennst. Schuld (wenn man das große Wort bemühen möchte) hat jeder Einzelne, der sich nicht dem trägen Vorsichhinexistieren entrafft - weil er zum Beispiel gar nicht will oder zu faul ist oder sich trefflich damit arrangiert hat, sich keen Kopp machen zu müssen. Ohne die Überschüsse des pöhsen Kapitalismus (aka Marktwirtschaft, das trifft´s etwas besser) keine soziale Hängematte. Fies, gell? ;-)

Das kannst du laut sagen!
 
Von diesem jungsteinzeitlichen Sündenfall bis zu "unserer kapitalistischen Zeit" gibt es eine bruchlose Linie hin zu immer virtuoserer Arbeitsteilung und umfassenderer Ressourcenbereitstellung.

Die Diskussion ist hier off topic und daher werde ich mich hier nicht weiter beteiligen.
Nur die Bemerkung sei mir erlaubt, dass der lineare Fortschrittsglaube ein großer Aberglaube ist.
 

Ich würde einen "Nerd" mal ungefähr so definieren: Jemand, der Freude daran hat, Systeme (oder überhaupt Wissensgebiete) zu durchdringen und sich dann zu freuen, dass er über dieses Durchdringen dann zu Fähigkeiten gelangt (die typischerweise nicht sehr verbreitet sind).

Das Problem ist, dass nur recht wenige Menschen "Nerdiness" in sich tragen.
Den meisten macht Systeme-Durchdringen gar keinen Spaß, und wenn überhaupt, beschäftigen sie sich nur gerade so viel wie nötig damit, um eine bestimmte sie interessierende Sache hinzubekommen.
Die Selbstzweck-Freude, das Notensystem gecheckt zu haben und nun eine neue Kompetenz zu besitzen, ist ihnen fremd. Sie möchten "schöne Musik machen", und dass die in der Regel in Noten festgehalten ist, erscheint ihnen lediglich als lästiges Hindernis, als doofer Umweg, etwa so wie man früher zum Videorecorder nicht einfach "Nimm um 20.15 auf!" sagen konnte, sondern nach Studium der Gebrauchsanweisung mit komplizierten Tastendrücken irgendwie das Gerät dazu bringen musste, das zu tun, was man will, was man blöd und frustrierend fand (bzw. es dem Nerd in der Familie überließ, während man selber in der Gerätebedienung gänzlich inkompetent blieb).

Dies ist der Hauptgrund, warum viele Leute Notenlesen "schwierig" finden, nichts anderes.

LG,
Hasenbein
 
Ich kann mich erinnern, dass ich vor langen Jahrzehnten mal mit Russisch angefangen hatte und ich fand die Schriftzeichen gar nicht so schwer.
Vor einiger Zeit habe ich mir die arabischen Zeichen angeschaut und muss gestehen, die kommen mir sehr schwierig vor.
Interessant, dass Du das schreibst! Ging mir genauso (inkl. "vor einiger Zeit arabische Zeichen angeschaut").
Naja, die griechische oder kyrillische Schrift sehe ich nicht als eine "echt" fremde Schrift an, eher so was wie Sütterlin: die Buchstaben schaun halt a weng anders aus.
Mit der arabischen Schrift habe ich mich auch herum geschlagen, kann meistens ein paar Zeichen entziffern (Malayisch in arabischen Buchstaben), aber erst wenn ich das Wort erkannt habe, kann ich es lautlich auch passend zusammensetzen.
Indische Schriften sind noch lustiger: sie sind silbenzentriert, die Vokale stehen drüber/drunter/daneben/umschließend. Bei Sanskrit mit Devanagari-Alphabet ging das einigermaßen, zumindest erheblich besser als die arabischen Buchstaben - @Barratt du hast doch auch Sanskrit gelernt, wie sind deine Erfahrungen damit?
Die nächste Stufe sind die südostasiatischen Alphabete auf indischer Basis: während im Devanagari Konsonantenkombinationen noch zu einem Klotz zusammengefaßt werden und damit die Vokale an der "richtigen" Stelle bleiben, werden z.B. im Thai die Konsonanten hintereinander geschrieben, und man kann raten, ob der Konsonant nun ohne Vokal, mit kurzem o ist oder gar der Vokal des vorhergehenden Konsonanten anzuwenden ist... Solche Unklarheiten wie im Deutschen bei "Lieschen" oder "beinhalten" sind damit recht häufig. Und wie bei den arabischen Zeichen: erst wenn ich das Wort erkannt habe, kann ich das Ganze richtig zusammensetzen.
 
- @Barratt du hast doch auch Sanskrit gelernt, wie sind deine Erfahrungen damit?

Weh! Zuviel der Ehre! :angst:
Falls das so rübergekommen sein sollte, muss ich das schnell richtigstellen.

Eine Kommilitonin im Fach Philosophie, zu der ich auch ein bisschen privaten Kontakt hatte, war massiv fernöstlich angetoucht (sie überredete mich auch zu einem Seminar bei Kroker zum Daoismus; nicht viel später brach sie das Studium ab und gesellte sich einer obskuren Steiner-Community bei, keine Ahnung, was aus ihr wurde). Im Hauptfach studierte sie Indologie. Die Indologen, so mein Eindruck, scheinen in den ersten Semestern hauptsächlich damit beschäftigt zu sein, Sanskrit zu lernen (gehört ja nicht wirklich zum Kanon der üblicherweise an Gymnasien angebotenen Fremdsprachen ;-)).

Ich interessiere mich für Linguistik, Sprachsysteme und was damit zusammenhängt. Es werden in der Etymologie oft Wurzeln aus dem Sanskrit hinzugezogen. Also kam ich auf die Idee, das abgearbeitete Einsteigermaterial besagter Kommilitonin zu nutzen, um in diese uralte indoeuropäische Sprache hineinzuschnuppern, in der Erwartung, in etymologischer Hinsicht davon zu profitieren.

Von "Lernen" kann also wirklich keine Rede sein, und noch viel weniger von "gelernt haben" (= können:angst:).

Meine Erfahrung damit? Sehr fremdartig und uneindeutig, nach meinem Empfinden unserem morphologisch getakteten System auch nicht "ähnlich". Einziger Trost: Läuft auch von links nach rechts, manche Vorsilben sind bekannt, das war´s aber auch schon mit dem Trost. Die Schrift ist für "unser" Verständnis unökonomisch. Aspirierte stimmhafte Okklusive...:denken: Die Erkenntnisfreude reduzierte sich auf den phonemischen Einsatz der Aspiration (gerade für Deutsche immer wieder besonders erheiternd, da unsere Sprache damit so überaus freizügig umgeht, dass aspirierte stimmlose Okklusive angeblich DAS Merkmal für "deutschen Akzent" schlechthin sind).

Fürs Selbststudium (nach dem Motto "nebenher auch n bisschen Sanskrit lernen") m. E. nicht geeignet, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Anwendungsmöglichkeiten ebenso eingeschränkt wie nach meinem Empfinden inhaltlich "schräg" sind. Um einen intrinsischen Lernwillen für diese erheblichen Schwierigkeiten zu generieren, müsste man darauf brennen, in diese Welt einzudringen. Mit der भगवद्गीता kann ich persönlich aber, offen gestanden, so wenig anfangen wie mit der indischen Kultur als Ganzes.

Kurzum: Sanskrit wollte nicht von mir gelernt werden. :zunge:
 
Zuletzt bearbeitet:
Unsere kapitalistische Zeit, die aus allzu natürlichen menschlichen Schwächen gezielt mittels psychologischer Beeinflussung Kapital für einzelne schlägt, ist nicht ganz unschuld daran, dass Menschen die Quelle wahren Glücks nicht mehr kennen.
Trotz wohlformuliertem Pathos: weder ist das banale Notenlesen schuld am Kapitalismus, noch stellt es die Quelle wahren Glücks dar ;-):-D:-D
 
[...] Im Hauptfach studierte sie Indologie. Die Indologen, so mein Eindruck, scheinen in den ersten Semestern hauptsächlich damit beschäftigt zu sein, Sanskrit zu lernen (gehört ja nicht wirklich zum Kanon der üblicherweise an Gymnasien angebotenen Fremdsprachen ;-)).

[...]

Hi Barratt,

kommt drauf an. Die Dame, deren Magisterarbeit über den Status der Ind. Frau ich neulich erwähnt hatte, sagte, dass es da Unterschiede gibt. Zumindest in Hamburg. Sie konnte sich da - ganz grob gesagt - zwischen 2 Richtungen entscheiden, Altes Indien (Sprachen, Kultur usw. ) - und Sprache und Kultur des mittel- bis neuzeitlichen Indien. Sie entschied sich für letzteres, und dort sind zwar auch Sanskrit-Leistungen pflichtmäßig gefordert, aber - und insoweit stimmt es - nur im Grundstudium, und nicht in dem Umfang, wie wenn man sich in den uralten Bereichen tummeln würde. :-)

LG, -Rev.-
 
Mit der भगवद्गीता kann ich persönlich aber, offen gestanden, so wenig anfangen wie mit der indischen Kultur als Ganzes.
Kurzum: Sanskrit wollte nicht von mir gelernt werden. :zunge:
Tja, auch ich habe Bühlers Leitfaden für den Elementarkursus des Sanskrit bei weitem nicht vollständig durchgearbeitet, und vor meinem letzten Umzug an die Unibibliothek verschenkt. Die Bhagavadgita habe ich in Übersetzung gelesen und kann dir zustimmen.
Aber bei meiner Frage ging's mehr um das Schriftsystem, wer Sanskrit lernt, lernt das wohl mit Devanagari. Vom Schriftbild auf das Wort zu kommen erscheint mir bei Devanagari leichter als bei arabischer Schrift.
 

Zurück
Top Bottom