Interessant, also ich glaube man könnte hier so manches Posting hernehmen, ein paar Worte austauschen und es dann jedem lebenden Klavierspieler und Pianisten in den Mund legen. Vor allem die, die mit "Hätte ich früher mehr..." und "Wenn ich [sonstwas] könnte, wäre ich sooo glücklich"... anfangen.
Ich habe beispielsweise schon als Kind angefangen. Bei mir sehen die Sätze also folgendermaßen aus: Hätte ich als Kind nur mehr geübt, hätte ich nur früher besseren Unterricht erhalten, hätte ich nur früher Unterricht in Musiktheorie bekommen. Warum waren so viele andere Klavierstudenten Jungstudenten und ich nicht? Warum hab ich die Aufnahmeprüfung fürs künstlerische Studium erst im zweiten Anlauf bestanden? Tja... da hab ichs also wirklich ziemlich schlecht erwischt, muss ich sagen... :D
Und überhaupt hab ich viel zu spät angefangen, virtuos zu spielen. Kürzlich habe ich ein Liszt-Klavierkonzert live gehört, der Pianist spielte so bravourös und brilliant, stand so sehr über allem, dass es wirklich bewundernswert und vielleicht beneidenswert war. Und gab noch eine Paganini-Liszt-Eigen-Transkription von La Campanella als Zugabe, noch schwerer und glitzernder als das Liszt-Original. Um so spielen zu können müsste ich bestimmt schon mit 15 Islamey gespielt haben, und ich werde wohl nie die perfekte Technik haben, auch wenn mir das Nicht-Pianisten unterstellen.
Man lebt sein ganzes Leben lang in der Erwartung, etwas zu werden. Wann darf ich mich endlich als Pianistin bezeichnen, wann bin ich endlich gut, berühmt und spiele tolle Konzerte (in tollen Konzerthallen, vor tollem Publikum, mit tollen Gagen und tollen Kritiken), wann bin ich endlich vergleichbar mit den ganzen tollen Leuten um mich herum?
Jetzt kürzlich dachte ich mir mal - worauf willst du denn eigentlich noch warten, bis du endlich mal dein Pianistendasein akzeptierst. Es kann natürlich immer noch besser werden, aber es ist auch jetzt schon toll. Man gewöhnt sich einfach nur furchtbar schnell an den Ist-Zustand und schielt automatisch nach oben [was man auch braucht, um ein guter Musiker zu werden, zu sein und zu bleiben].
Ich würde auch gern mal mit einem richtig guten Dirigenten (und zugehörigem Orchester) das 2. Chopin-Klavierkonzert spielen. Wo das Orchester Rücksicht nimmt auf mich, und nicht ich aufs Orchester. Am besten natürlich in der Carnegie-Hall :D
Also - wenn man sich auf den Hintern setzt, kann man schon nach ziemlich kurzer Zeit tolle Stücke spielen, die gut klingen, Spaß machen, effktvoll sind, Leute beeindrucken. Und ziemlich bald denken die - wahnsinn, der kann Klavier spielen! Über den Grad der Qualität (und dessen Vorhandensein) wird nur seltenst überhaupt nachgedacht.
Und ich sags auch immer wieder gerne: Am einfachsten Mozart-Menuettchen kann man sofort hören, ob ein Anfänger oder Profi spielt. Warum? Weil man auch in die vermeintlich einfachsten Musik all das hineinlegen kann, was man für große Mozart-Sonaten braucht, und in kleine Chopin-Mazurken das, was man für Andante-Spinato et Grande Polonaise braucht. Und wenn man einen guten Lehrer hat, kann er einem auch als Anfänger einiges davon zeigen und man wird staunen, wie unendlich viele Möglichkeiten und Potential in kleiner Musik steckt und wie lange man daran Arbeiten und lernen kann. Sehr hübsch und nicht zu schwer sind z.B. Clementi-Sonatinen.
viele Grüße, Stilblüte