Warum muss man als Kind angefangen haben muss, um Pianist zu werden?

Ok, dann habe ich Deine Aussage total falsch gedeutet. Tut mir leid. Ich bin so daran gewöhnt, dass es nicht gestattet ist mit sich selbst zufrieden zu sein, und dass man es wenn man es doch ist, tunlichst verbergen muss, dass ich auf die Idee, dass es dieses mal anders gemeint sein könnte, gar nicht gekommen bin.
Naja, ich hatte ja auch etwas allgemein formuliert ;)
 
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Ok, dann halte ich für mich fest:
Moderate Selbstüberschätzung kann positive Effekte auf die eigene psychische Gesundheit haben. Für die Mitmenschen ist sie meist doch eher lästig ;)
 
"Problem" Nr. 1: Die meisten üben nicht ausreichend viel
"Problem" Nr. 2: Manche haben ein extrem schlechtes Körperbewusstsein
"Problem" Nr. 3: Manche haben ein mangelhaft gebildete Gehör und hören zb Fehler nicht.

Problem Nr4: sie haben ausgeprägte Vorstellungen darüber was sie können und was sie nicht können, ob das der Realität entspricht oder nicht.

"Problem" Nr. 5: Der nicht auszurottende Irrglaube, man brauche einen Lehrer in erster Linie, damit der ein wenig die Haltung korrigiert und einem die motorischen Abläufe der Klaviertechnik zeigt. Das "Musikalische" bringen Erwachsene ja ohnehin mit, das ist nur im Unterricht mit Kindern wichtig.

Dabei ist das Erarbeiten einer vernünftigen Technik die weitaus einfachere Aufgabe als das Erarbeiten einer vernünftigen Musikalität. Das Forum ist voller Beispiele für diese groteske Fehleinschätzung. ("Ich werde mir einen Lehrer suchen, der alle paar Wochen mal drüberschaut, damit ich mir keine falsche Technik angewöhne.")
 
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Erzähle mehr davon, was ein KL diesbezüglich mit dem Schüler machen sollte.
Ja das würde mich auch interessieren. Ist es nicht so, dass ich selbst die Musikalität erkennen/erfühlen/verstehen muss? Wenn ich ein musikalischer Trampel bin, kann mir der KL noch so gut erklären wie das gespielt werden muss, ich werde maximal diese Stelle dann gut nachspielen können aber bei einem anderen Stück wieder bei 0 anfangen.
Ist es nicht so, dass sich jeder diese Musikalität erarbeiten muss (der eine mit mehr, der andere mit weniger Aufwand)?
 
Das kann man nicht mit wenigen Worten erklären. Ganz wesentlich ist die Verfeinerung des musikalischen Gehörs und daraus hervorgehend die Entwicklung einer absolut klaren Klangvorstellung. Denn was man nicht (innerlich) hört, kann man auch nicht adäquat spielen.
Mit Klangvorstellung ist deshalb viel mehr gemeint als Tonhöhen und Rhythmus (was im Prinzip einfach ist) - dazu gehört auch eine immer feinere Vorstellung von Artikulation, Phrasierung, Timing, Klangbalance, Klangfarbe etc.
Wer beispielsweise eine 4stimmige Bach-Fuge gut spielen will, muss sich diese Fuge innerlich präzise vorstellen können, d.h. das Werk nur in der Klangvorstellung "spielen" können und dabei absolute Sicherheit erlangen. Das ist bedeutend schwieriger als die technische Umsetzung auf dem Klavier, aber der einzige Weg, der vom Geklimper hin zur Musik führt. Nicht umsonst haben viele bedeutende Klavierlehrer ihren Schülern Gesangsstunden empfohlen, denn singen kann man nicht ohne innere Klangvorstellung. Klavierspielen leider schon (irgendwie jedenfalls), aber für's Klavierspielen ist das ebenso wichtig wie für den Gesang. Wer so weit ist, dass er ein Notenbild auf Anhieb innerlich zum Klingen bringen kann, kann übrigens auch prima vista spielen. Das funktioniert nämlich - zumindest bei anspruchsvollerer Literatur - ausschließlich über diesen Weg.
 
Erzähle mehr davon, was ein KL diesbezüglich mit dem Schüler machen sollte.

Ganz konkret und laienhaft formuliert:

Die/der KL lässt ein abgesprochenes Stück "bis zur nächsten Stunde" erarbeiten. Ergebnis: Das Stück (oder bei langen Stücken: ein musikalisch sinnvoller Abschnitt) kann bis dahin mehr oder weniger unfallfrei durchgefummelt werden. Der Anfänger kann im Wesentlichen die richtigen Töne spielen, im Idealfall auswendig und im halbwegs richtigen Rhythmus.:lol:

In den darauffolgenden Stunden werden der Aufbau und die Harmonien analysiert, die Motive benannt, die Entwicklung des musikalischen Materials bewusst gemacht, die Spannungsbögen und die Kulminationspunkte herausgearbeitet, die Rhythmik verfeinert, die Phrasierung entsprechend angelegt, es wird über Pedaleinsatz und Lautstärken, Betonungen oder Nichtbetonungen etc. getüftelt (z. B. wie laut soll welcher Ton eines Mehrklangs klingen, die werden in der Regel ja nicht alle gleichlaut gedroschen:girl:), es werden verschiedene Alternativen der Gestaltung ausprobiert, daraus entwickelt sich beim Anfänger allmählich ein immer konkreterer Gestaltungswille (wie soll das eigentlich klingen, wenn´s fertig ist), den bespricht man mit der Lehrkraft und überlegt gemeinsam, was man tun muss, damit es so klingt, wie man es haben will.

Das "Technische" erledigt sich meistens nebenher von selbst. Bei bewusst "technisch" herausfordernden Stücken werden im Vorfeld auch evtl. unbekannte technische Herausforderungen eingeübt (je nach Ausbildungsstand des Schülers, wie erarbeitet man sich Läufe, "Sprünge", Terztriller, chromatische Doppelgriffe oder so was), aber das macht man einmal und dann kann man´s ja für die Zukunft. Das muss nicht jedesmal neu eingeübt, sondern nur immer weiter klanglich verbessert werden.

Ist es nicht so, dass sich jeder diese Musikalität erarbeiten muss (der eine mit mehr, der andere mit weniger Aufwand)?

Äh... ja, schon, logo, aber wofür hat man denn eine Lehrkraft an seiner Seite? Um einem beizubringen, dass in G-Dur halt kein F sondern ein Fis kommt oder wie lang eine halbe Note im Gegensatz zur Achtelnote ausgehalten wird? Dafür braucht man eigentlich keinen Lehrer. ;-) Man braucht ihn, damit das (ehrenwert korrekt gespielte) Ergebnis dann irgendwann auch wie richtige Musik klingt. :lol:

Wenn ich ein musikalischer Trampel bin, kann mir der KL noch so gut erklären wie das gespielt werden muss, ich werde maximal diese Stelle dann gut nachspielen können aber bei einem anderen Stück wieder bei 0 anfangen.

Genau das ist seine Aufgabe: Geduldig immer wieder bei 0 anfangen (und Dich am besten im "geführten Gespräch" selbst herausfinden lassen, wie man die Stelle gestallten will), bis Du nicht mehr jeweils bei 0 anfängst, sondern bei 1, bei 2 etc. Ob unsereins noch die Stufe 10+ erreicht (die nenne ich mal "professionelles Durchdringen und Gestalten"), das wird sich weisen. :idee: Man kann selbst jedenfalls viel dazu beitragen (vulgo: üben).

Dass Du Dich als "musikalischen Trampel" bezeichnest, ist schon so eine typische Negativsetzung. Lass ab davon, bringt Dich nicht weiter! :-) Dafür nimmst Du schließlich Unterricht. :super:
 
Das ganze Problem liegt doch viel einfacher als hier beschrieben. Man braucht einfach nur den Glauben an sich selbst, um Pianist zu werden. Andere müssen einem ja da nicht zustimmen. Die Amateure haben sowieso keine Ahnung und die Profis sind halt missgünstig, weil sie schon lange den Spaß am Musizieren verloren haben und sich nur noch darauf beschränken, in Internetforen die Konkurrenz niedrig zu halten, indem sie jeden runterputzen, der glaubt, er kann was. Kurz und knackig: Zu glauben, man sei ein Pianist, ist den allermeisten Klavierschülern gegeben! Man darf nur nicht zu wählerisch damit sein, wessen Lob man für nötig hält.

Yes, we can!
marcus
 
Ich beobachte heutzutage, dass sich viel zuviele Menschen von Meinungen anderer Menschen abhängig machen. Sei es im Job, in der Familie oder eben bei einem Hobby wie Musik. Es gibt häufig nur noch das betreute Leben das daraus besteht nach Ratgebern sein Leben zu gestalten. Darunter fängt man am besten gar nicht erst an, weil es "Zeitverschwendung" sein könnte, nur weil man erst später mit einer Sache begonnen hat. Einige der bekanntesten und erfolgreichsten Musiker können nicht mal Noten lesen. Manche davon beherrschen ihr Instrument sogar nur mittelmäßig. Trotzdem habe sie es sehr weit gebracht.

Klar, man wird vielleicht nicht die Präzision eines Pianisten erreichen, der seit seinem vierten Lebensjahr das Klavierspiel eingehämmert bekommen hat. Aber um ordentlich und sauber sein Instrument zu spielen, muss man das auch nicht.

Wichtig ist, dass man selbst genug Motivation und Spaß und auch eine gesunde Frustrationstoleranz besitzt bei dem was man tut. Wenn man ständig nur danach leben würde, dass man Dinge nur dann tut, wenn die Bedingungen perfekt sind, wäre die Welt ein ganzes Stück langweiliger und weniger vielfältig.
 
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Das was mir zu dem Thema aufgefallen ist ist ein latenter Perfektionismus und sehr hohen Ansprüche an einem selbst und auch an andere.

Ich weiss aber nicht ob das generell ein Musiker Phänomen ist oder was mit Klavier spielen an sich zu tun hat oder einfach eine Eigenschaft dieses Forums ist.

Das Beispiel von erfolgreichen Musikern ,die wie Tyr es gebracht hat, die technisch nicht so versiert sind. Zeigt mir das Musikmachen eine recht grosse Komponente zu haben scheint die nicht wirklich objektiv Quantifizierbar ist. Denn das bräuchte es ja um zu unterscheiden was denn nun vernünftig ist und was nicht.
 
Ich glaube, das die Themen Perfektionismus und Klavier lernen fast zwangsläufig zusammen gehen. Weil das Klavier spielen sehr komplex ist und viele Fähigkeiten erfordert, wird man fast zwangsläufig mit seinen Grenzen konfrontiert. Damit muss man sich arrangieren. Und dann kommt die Frage, welcher Anspruch den man an sich stellt ist gerechtfertigt und welcher ist zu perfektionistisch, eben immer wieder hoch. Ich habe sogar mitbekommen, dass Eltern hochbegabter Kinder geraten wird, diese Klavier lernen zu lassen, damit diese Kinder eine Möglichkeit bekommen Fleiß zu lernen.
 
Fleiß lernen? Kann man m.E. nur, wenn man auch SELBST die Motivation mitbringt. Diese kann von außen ( "oah, diese blonde Frunse, spielt Elise schon!! Was kann die eigtl., das ich nicht kann?? - nichts !! " ) oder von innen kommen: "Ich will dies können. Es ist menschenmachbar, es haben viele bewiesen - und ich werde mich da einreihen!" ( Das gibt natürlich den "Startschuss" für weitere, sonst nur durch LEERER vermittelte, diesmal aber selbst gedachte und - zutreffende - Überlegungen. )

LG, Olli
 

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