Verkopft-rational spielende Piansten und Musiker entlarvt man mit etwas Erfahrung sofort. Dem sollte man nachspüren. Dann wird man musikalischer.
Und doch ist genau das auch eine Eigenart (verkopft-rational klingen), die auch in einigen klassischen Stücken durchaus drinstecken kann.
Die Kunst (die Musikalität) zeigt sich bei einem solchen Stück dann allein durch den Interpreten ... so mancher bekommt auch sowas in einer Weise gespielt, dass es mitreissen kann ... und dann klingt es plötzlich nicht mehr verkopft.
Oft steht das Urteil "verkopft-rational" oder "reine Kopfgeburt" (Hallo Athene) aber auch mit mangelndem Verständnis der Stilmittel zusammen ... für manches braucht man eben einfach die passenden Antennen. Die kann man aber durch hören durchaus etwas trainieren.
Rationalität spielt gerade in der europäischen Musik mMn eine recht große Rolle. Wir haben zumindest ein Tonsystem entwickelt, welches in teilen doch recht weit von dem entfernt ist, was die Natur zu bieten hätte (nahezu 100% der Klassik nach 1750 ist auf reinen Naturtoninstrumenten (z.B. Fanfaren (Posaune ohne Zug) oder Hörner ohne ventile) grundsätzlich nicht spielbar bzw. klingt auf diesen Instrumenten eben nurt bedingt schön. Aber dafür können wir in einem Stück 40 Runden um den Quintenzirkel drehen, wenn uns das irgendwie sinnvoll erscheint
In Anderen Kulturen hat man nicht temperiert ... und dafür viel mehr damit herumexperimentiert, was über einem liegenden Basston möglich ist, man hat Instrumente entwickelt, mit denen man einen Harmonieteppich legen kann und hat für die Melodieführung viele Microintervalle ... in der fernöstlichen Musik spielen sogar stufenlose Glissandi eine wichtige Rolle ... da wurden teilweise Flöten entwickelt, mit denen man sowas spielen kann (und ich meine damit keine Zugflöte bzw. Luftpunpe) und natürlich hat sich in jeder Kultur die Musik an das existierende/bevorzugte Instrumentarium angepasst.
Auch wenn es anfangs sehr seltsam klingt ... auch Musik, die die Oktave in 6 oder 8 gleiche Tonschritte einteilt, kann sehr interessant wirken ... gerade weil sie von dem in unserer Kultur sehr dominanten System mit 12 gleichen Tonabständen abweicht, und dadurch unsere Hörerwartungen ja doch immer wieder irgendwie enttäuscht. Wir erwarten Quinten, Quarten, Terzen und Sexten ... aber die gibts in einem äquiheptatonischen System nunmal nicht ... und dennoch kann man auch mit diesen Tonsystemen "Harmonie" erzeugen ... die ist nur eben ganz anders, als die in Europa gewohnte.
Harmonie als Stichwort ... Harmonie ist vor allem Gewöhnung. Hau dir eine halbe Stunde eine kl. None um die Ohren, spiele dann andere Dissonanzen, und die kleine None am Ende wirkt wie eine "Auflösung".
Das Gefühl der Harmonie hängt stark an der Erfüllung von Hörerwartungen ... und die unterscheiden sich von Kultur zu Kultur erheblich.