Lese Rechtschreibschwäche bei Schüler

  • Ersteller des Themas sweetchocolate
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Wenn wir keine Lust haben aufzuräumen und unser Partner uns anschnauzt: "Jetzt räum gefälligst auf.", machen wir das dann? Wie wirkt sich ein solcher Umgang auf unsere Beziehung aus?

Falls wir ausgemacht hätten, dass ich aufräume, die Zeit aber anderweitig vertändelt hätte, wäre ich zu Recht beschämt und würde mich sofort ans Werk machen. Andernfalls würde ich entgegnen: "Mach´s selbst, wenn es Dich stört." :003:
Übrigens habe ich meinen Partner nicht als Lehrkraft engagiert, mit dem Ziel zu lernen, wie ich ein ordnungsliebenderer Mensch werde. :021:


Ich freue mich, dass der Begriff "Authentizität" endlich fiel. Authentische Gedanken, authentische Gefühle, authentische Reaktionen.

Authentizität bedeutet nicht, verletzend zu handeln, sondern aufrichtig/ehrlich.

Umgekehrt bedeutet "beschämt" zu sein nicht: "verletzt" zu sein!!! Wie soll das Gewissen ausgebildet werden ohne die korrekte Interpretation des Gefühls der Beschämung?

Die Botschaft "Du bist OK" ist nicht identisch mit "Es ist OK wie Du handelst".

Es sei denn, die Konfrontation mit Defiziten im HANDELN wird bereits als "persönliche Verletzung" interpretiert. Das würde auf eine Verflachung und Ausdünnung des emotionalen Arsenals hindeuten (hier: man ist nicht beschämt, weil man etwas verbockt hat, sondern fühlt sich "verletzt", weil andere es bemerkt haben und rückmelden) – oder sogar auf die Unfähigkeit, die eigene Persönlichkeit vom eigenen Handeln zu unterscheiden. Kinder müssen das lernen. Falls Erwachsene das nicht gelernt haben, fehlt ein wichtiger Schritt im Reifeprozess.
 
Falls wir ausgemacht hätten, dass ich aufräume, die Zeit aber anderweitig vertändelt hätte, wäre ich zu Recht beschämt und würde mich sofort ans Werk machen. Andernfalls würde ich entgegnen: "Mach´s selbst, wenn es Dich stört." :003:
Übrigens habe ich meinen Partner nicht als Lehrkraft engagiert, mit dem Ziel zu lernen, wie ich ein ordnungsliebenderer Mensch werde. :021:
Ganz genau, einfache Sache: Wenn es abgemacht war, ich es aber nicht gemacht habe, werde ich zu Recht angeschnauzt.
War es nicht abgemacht, hat der Partner gefälligst nicht die "Lehrkraft", den "Papi" oder die "Mami" zu spielen. (Ist es soweit gekommen, dass das in einer Partnerschaft passiert, ist sowieso Grundsätzliches schief gelaufen.)

Eine Partnerschaft oder Freundschaft zwischen 2 Menschen ist aber NICHT mit dem Verhältnis Eltern-Kind oder Lehrer-Schüler zu vergleichen. Hier GIBT es ein Gefälle: Der eine ist als Bestimmer definiert und kann und weiß mehr. Daraus ergibt sich auch ein anderer Umgang, weswegen Vergleiche mit Partnerschaften unpassend sind.
 
Michael Winterhoff analysiert jedoch sehr treffend, dass heute von Eltern und Lehrern dieses "Gefälle" aus "gutgemeinten" Motiven heraus immer mehr eingeebnet wird (bis hin zur psychologischen "Symbiose" bei Eltern gegenüber ihren Kindern), wodurch sich vielfältige entwicklungs- und lernmäßige sowie gesellschaftliche Probleme ergeben, mit denen wir zu kämpfen haben.
 
Hier GIBT es ein Gefälle: Der eine ist als Bestimmer definiert und kann und weiß mehr. Daraus ergibt sich auch ein anderer Umgang

Exakt. Auch eine andere Haltung ergibt sich daraus: Ich schaue zum Lehrenden auf, er hat für mich Vorbildcharakter, ich stelle seine Aufgabestellung (zunächst) nicht in Zweifel. In einem ganz bestimmten Punkt gibt es keine Augenhöhe: Jemand Anderes kann etwas, ich will es lernen, also "unterwerfe" ich mich freiwillig seiner Kompetenz und bezahle sogar dafür.

Da sollte ein deutlicher Unterschied zu einer "(Lebens)Partnerschaft" klar werden...

dass heute von Eltern und Lehrern dieses "Gefälle" aus "gutgemeinten" Motiven heraus immer mehr eingeebnet wird (bis hin zur psychologischen "Symbiose" bei Eltern gegenüber ihren Kindern), wodurch sich vielfältige entwicklungs- und lernmäßige sowie gesellschaftliche Probleme ergeben, mit denen wir zu kämpfen haben.

Der "symbiontische" Ansatz bedeutet im Kern, dass Eltern (bzw. in der Regel: alleinerziehende Mütter) das Kind instrumentalisieren, um eigene Lebensdefizite auszufüllen. Man möchte einen "allerbesten Freund" und sieht ihn im Kind. Man möchte immerwährende Harmonie, weil man selbst keine "gesunde" Harmonie (= inkl. Reibungspunkte, in denen man sich einigen muss oder nicht einigen kann) in der eigenen Herkunftsfamilie kennengelernt hat (Kälte oder Chaos oder beides). Man möchte "jemanden, der immer bei einem bleibt und einen nicht verlässt" und missbraucht die reale kindliche Abhängigkeit zur Therapie eigener Verlustängste. Schlimmstenfalls entwickeln beide Seiten Neurotizismen.
 
Falls wir ausgemacht hätten, dass ich aufräume, die Zeit aber anderweitig vertändelt hätte, wäre ich zu Recht beschämt und würde mich sofort ans Werk machen. Andernfalls würde ich entgegnen: "Mach´s selbst, wenn es Dich stört." :003:
Übrigens habe ich meinen Partner nicht als Lehrkraft engagiert, mit dem Ziel zu lernen, wie ich ein ordnungsliebenderer Mensch werde. :021:

Eine Partnerschaft oder Freundschaft zwischen 2 Menschen ist aber NICHT mit dem Verhältnis Eltern-Kind oder Lehrer-Schüler zu vergleichen. Hier GIBT es ein Gefälle: Der eine ist als Bestimmer definiert und kann und weiß mehr. Daraus ergibt sich auch ein anderer Umgang, weswegen Vergleiche mit Partnerschaften unpassend sind.

Michael Winterhoff analysiert jedoch sehr treffend, dass heute von Eltern und Lehrern dieses "Gefälle" aus "gutgemeinten" Motiven heraus immer mehr eingeebnet wird (bis hin zur psychologischen "Symbiose" bei Eltern gegenüber ihren Kindern), wodurch sich vielfältige entwicklungs- und lernmäßige sowie gesellschaftliche Probleme ergeben, mit denen wir zu kämpfen haben.

Exakt. Auch eine andere Haltung ergibt sich daraus: Ich schaue zum Lehrenden auf, er hat für mich Vorbildcharakter, ich stelle seine Aufgabestellung (zunächst) nicht in Zweifel. In einem ganz bestimmten Punkt gibt es keine Augenhöhe: Jemand Anderes kann etwas, ich will es lernen, also "unterwerfe" ich mich freiwillig seiner Kompetenz und bezahle sogar dafür.

Liebe Barratt, lieber hasenbein,

ihr seid der Meinung, dass es ein Gefälle gibt zwischen Lehrer und Schüler und Vergleiche mit Partnerschaften unpassend sind. Du, liebe Barratt, schreibst, "in einem ganz bestimmten Punkt gibt es keine Augenhöhe".

Und das ist völlig richtig, denn dieser "Punkt" besteht in dem Wissensvorsprung des Lehrers. Der Lehrer entscheidet, was wie gelernt werden soll und welcher Weg im Klavierunterricht eingeschlagen wird. Er wird als guter Lehrer seine Autorität und seinen Einfluss so nutzen, dass die Unterrichtsinhalte den Schüler und seine Fähigkeiten im Blick haben. So werden individuelle Wege beschritten, die für den Schüler und seine musikalisch-pianistische Entwicklung möglichst optimal sind.

Dazu ist eine intensive Zusammenarbeit mit dem Schüler notwendig. Man arbeitet als Team zusammen, auch mit Kindern. Es entwickelt sich eine Beziehung zwischen Lehrer und Schüler, die im guten Fall von Achtung, Wertschätzung und Vertrauen geprägt ist. Sie wird durch die Art des Umgangs miteinander, durch die verbale und non-verbale Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler, die so entstehende Unterrichtsatmosphäre getragen.

In dieser Lehrer-Schüler-Beziehung gibt es zwei Menschen. Und diese Menschen sind selbstverständlich gleich "wert", ihre Bedürfnisse sind gleich wert und im besten Fall nimmt jeder den anderen ernst. Ganz unabhängig vom Alter. Beziehungen sollten IMMER auf Augenhöhe sein - es geriete das Beziehungsgefüge ins Wanken, wenn die Bedürfnisse des einen mehr wert wären als die des anderen, wenn der eine mehr wertgeschätzt würde als der andere.

Die Lehrer-Schüler-Beziehung ist die Grundlage, auf der gearbeitet wird. Störungen in der Beziehung haben immer Störungen in der gemeinsamen Arbeit zur Folge. Manchmal auch umgekehrt. Störungen in der gemeinsamen Arbeit sind für einen erfolgreichen Unterricht kontraproduktiv, also sollte man versuchen, sie zu aufzulösen.

Es ist unmöglich, als Pädagoge nur an der Sache zu arbeiten, denn man arbeitet mit Menschen zusammen, deren Fähigkeiten man ausbauen will. Das erste, was man oft von Wiedereinsteigern hört, sind teilweise schreckliche Erfahrungen, die sie als Kinder mit ihren Klavierlehrern gemacht haben. Da wird nicht von der Sache gesprochen, dem Klavierspielen, sondern davon, dass im Takt auf ihren Rücken geschlagen wurde, an den Ohren gezogen wurde, sie angebrüllt wurden u.v.a.m.. WIE man etwas beibringt, kann man nicht von dem, WAS man beibringt, trennen.

Mit ist in meinem Unterricht sehr wichtig, dass ich mit all meinen Schülern, Kindern wie Erwachsenen, an einem Strang ziehe und sobald ich das Gefühl habe, dass das nicht der Fall ist, reagiere ich.

Für diejenigen, die denken, eine Beziehung habe in der pädagogischen Arbeit nichts zu suchen, sondern man solle sich um die Sache kümmern, zitiere ich Watzlawick, der sagte, man könne nicht nicht kommunizieren. Es stellt sich IMMER eine Beziehung welcher Art auch immer zwischen Menschen ein, wenn sie an etwas arbeiten. Immer erzeugt das Tun auch Gefühle verschiedenster Couleur, die mit der Sache eng verbunden sind.

In der Beziehung zu meinen Schülern bin ich also in jedem Fall "auf Augenhöhe". Wenn jeder zufrieden ist und die Bedürfnisse von Lehrer und Schüler befriedigt werden, ist das eine sehr fruchtbare und erfolgreiche Zusammenarbeit.

Lernen ist jedoch immer auch mit Frustration verbunden, mit Krisen, Selbstzweifeln, Ärger etc.. Dabei kann es zu Konflikten kommen, bei denen die Bedürfnisse beider Seiten nicht mehr befriedigt werden.

Im vorliegenden Fall gibt es so einen Konflikt (es gibt sogar mehrere, weil noch die Eltern involviert sind, aber ich konzentriere mich nur auf den Konflikt zwischen @sweetchocolate und ihrem neuen Schüler). Sie beschreibt ihren Schüler zunächst als sehr musikalisch.

Sie wendet sich an uns mit der Bitte um eine Einschätzung und beschreibt folgenden Unterrichtsverlauf:

Fortsetzung folgt
 
Fortsetzung

Da ich das Notenlesen wichtig finde, vor allem, wenn man auf dem Musikgymnasium ist, habe ich das natürlich schon nach ein paar Stunden mit eingebaut.
Der Schüler wirkte zunehmend gelangweilt-fragte wann die Stunde zu Ende ist etc. obwohl ich seine Wünsche berücksichtigt habe und ihn selbst die Stücke aussuchen ließ.
Ich zeigte ihm "Für Elise"-das Stück hatte er sich selbst ausgesucht, Schritt für Schritt, aber immer auch mit der Aufforderung, dass er den Notentext liest.
Er guckte total genervt. Ich fragte ihn warum er so genervt guckt, und er sagte, es sei langweilig.
Dann redete ich mal ein paar etwas direktere Worte mit ihm-dass er ja nicht kommen muss, wenn es ihm keine Freude macht-ich wäre ganz offen für die Stücke die er spielen möchte, aber er müsse dann schon auch mit arbeiten.

Bei Konflikten ist es mir wichtig, dass sie gelöst werden, weil Konflikte eine konstruktive und gemeinsame Zusammenarbeit verhindern. Das ist nur möglich, wenn man genau den Punkt trifft, wo es hakt. Sehr, sehr oft wird in Konflikten aneinander vorbeigeredet und dieses Reden nimmt kein Ende.

Hier findet die erste Störung des Unterrichts durch die mangelnde Mitarbeit des Schülers statt. Der Schüler wirkt gelangweilt und genervt während des Notenlesens.

Die Bedürfnisse von Lehrer und Schüler divergieren in dem Moment. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit beim Thema Notenlesen ist nicht möglich. Sweetchocolate hat das Bedürfnis, dem Schüler einen flüssigen Umgang mit dem Notenlesen beizubringen - für sie als Lehrerin (Autorität) ist das eine absolute Voraussetzung für einen gelungenen Unterricht, der auch die Beschäftigung von Notentexten (Interpretation von Werken aller Epochen ...) beinhaltet. Der Schüler seinerseits hat das Bedürfnis, auf gar keinen Fall Noten zu lesen. Ein Konflikt ist da.

Um den Punkt nun herauszufinden, wo es hakt, habe ich mehrere Möglichkeiten. Ich würde als Lehrer das "Aktive Zuhören" auswählen, denn vor allem hat der Schüler hier ein Problem. Er will nicht Notenlesen, was durch seine Reaktionen sehr deutlich zutage tritt. Ich kann allerdings auch anders reagieren, je nachdem, wie ich mich fühle.

Statt zu fragen, WARUM er so genervt guckt, würde ich ihm als erstes meine Beobachtung beispielsweise in dieser Form mitteilen: "Du guckst sehr genervt, während wir am Notenlesen arbeiten." Der Schüler wird darauf etwas antworten. Im weiteren Verlauf würde ich ihm durch Aktives Zuhören immer wieder seine Gefühle, Reaktionen und Ansichten spiegeln, ohne ihn oder sein Verhalten zu bewerten. So würden wir mit ziemlicher Sicherheit auf den Punkt kommen, dass er es hasst, Noten zu lesen, dass er sich dabei extrem unwohl fühlt und vielleicht sogar Angst hat.

Diese Öffnung des Schülers ist sehr wichtig, damit er selbst erkennen kann, wo es hakt. Er kann sich dann nicht mehr darauf ausruhen, Notenlesen sei langweilig, sondern er spricht über sich selbst und seine Probleme damit. Einsicht ist der erste Schritt zu einer Verhaltensänderung.

Nun könnte dieses Gespräch auch darauf hinauslaufen, dass er nicht Notenlesen will und meint, das wäre die Lösung seines Problems.

Dann teile ich ihm mit, dass ich mit dieser Lösung allerdings ich ein gewaltiges Problem hätte und dass diese Lösung für mich aus den und den Gründen nicht tolerabel ist. Ich könnte dann mit ihm nicht an der Interpretation von Kompositionen arbeiten, deren Grundlage der Notentext ist und das würde mich extrem unzufrieden machen, weil ich das als wichtigen Teil meiner Arbeit und eines effektiven Unterrichts ansehe o.ä. (konfrontierende Ich-Botschaft). Ich erzähle also von dem, was ich aus meiner Position als Lehrer (Wissensvorsprung, Autorität, s.o.) für wichtig halte und konfrontiere ihn damit, mit meinen Gefühlen und dem, was es für mich bedeutet, wenn wir auf das Notenlesen im Unterricht verzichten.

In so einem Gespräch würden die Bedürfnisse beider geklärt, ohne das sie bewertet werden und so könnte eine Lösung gefunden werden. Der Schüler würde sich wertgeschätzt fühlen und hat gleichzeitig Stoff zum Nachdenken über sich und seine bisherigen Verhaltensweisen bekommen. Die Eltern würden womöglich gar nicht involviert.

Predigten, Drohungen, Ansagen etc. sind Kommunikationssperren, die nur in seltenen Fällen zur Einsicht führen. Im Übrigen auch bei Erwachsenen.

Effektive Gespräche zur Konfliktlösung sind Teil jeder pädagogischen Arbeit und ich wünsche mir, dass jeder Lehrer das nötige Handwerkzeug besitzen würde, da Konflikte unvermeidlich sind. Ich kann ein solches Gespräch mit dem Schüler hier leider nur rudimentär wiedergeben. Wer mehr wissen will, kann sich mit Konfliktlösung beschäftigen. Für mich bietet das Gordon-Modell sehr effektive Handwerkszeuge, mit denen man eine klare Sprache sprechen und den Dingen auf den Grund gehen kann.

Liebe Grüße

chiarina

P.S.: Diese Art der Gesprächsführung ist nicht gleichzusetzen mit Gesprächen, die die Kinder schonen und Konflikte eben NICHT ansprechen. Diese Art der Gesprächsführung fordert heraus, sich auseinanderzusetzen mit sich und den Bedürfnissen des Anderen und bringt Konflikte auf den Punkt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe @chiarina , danke für die Mühe, die Du in Deine Beiträge legst, und für die Tiefe Deiner Argumentation. Es bereitet mir Freude, mit Dir zu diskutieren, obwohl (bzw. gerade weil?) wir nicht immer auf gleicher Linie sind.

Wie könnte ich dagegen anargumentieren, wo ich Dir doch im Grundsatz Recht gebe und mich an den gleichen Kommunikationsmodellen orientiere? Ich kann "nur", dafür aber kategorisch erwidern: Jeder muss wissen, wo er seine Grenzen zieht. Die Grenze wird selten durch Unfähigkeit überschritten, aber leider oft durch Unwilligkeit.

Modell hin oder her – es muss vom Schüler Leistungsbereitschaft kommen. Das erwarte ich. Basta. :001:

Was, wenn dem Schüler DEINE kommunizierte Befindlichkeit zum Beispiel völlig egal ist? Wenn der pubertierende Schnösel einfach keinen Bock hat? Wenn die Bockigkeit so weit geht, dass er sein Mütchen an der Lehrkraft kühlt, im Vollbewusstsein ihrer Sanktionsunfähigkeit?

Als private Lehrkraft erwarte ich bei einem freiwillig gebuchten Unterricht, dass der Schüler "will". Da ich keine andere Sanktionsmöglichkeit habe als ihn rauszuschmeißen, würde ich einen unangenehmen Schüler nur unterrichten, wenn ich das Geld dringend bräuchte.

Auch würde ich in so einen garantiert nicht mehr Energie stecken als in andere (es sei denn, ich könnte eine Zulage aushandeln, die mich für sonderpädagogische Klimmzüge entschädigt). Zusatzenergie würde ich nur für Schüler aufbringen, die es verdient haben.



P.S. Bekanntermaßen bin ich kein Klavierlehrer. Ich erteilte viele Jahre lang auf freiberuflicher Basis Nachhilfe, vorwiegend in Latein. Die Situation des freiwilligen, privat organisierten Unterrichts ist mir also bestens bekannt. Horrorgruppe: Jungs in der Pubertät. Grauenvoll. Man sollte diese Gruppe einige Jahre lang völlig in Ruhe lassen und nur Neigungsunterricht mit denen machen (Sport, Kunst, Musik, Werkeln o.ä.)
 
Was, wenn dem Schüler DEINE kommunizierte Befindlichkeit zum Beispiel völlig egal ist? Wenn der pubertierende Schnösel einfach keinen Bock hat? Wenn die Bockigkeit so weit geht, dass er sein Mütchen an der Lehrkraft kühlt, im Vollbewusstsein ihrer Sanktionsunfähigkeit?
Chiarina und andere werden jetzt vermutlich erwidern, dass das eine vollkommen falsche, herabsetzende und un-empathische Sichtweise auf einen Schüler sei und dass es doch immer Gründe habe, wenn ein Schüler verrückt spiele oder unwillig sei, blablabla.

Ja, ich stimme dem sogar zu - es HAT immer Gründe.

Aber menschliche Interaktion ist auch immer ein MACHTspiel. Das hören viele heutzutage nicht gerne, aber es ist einfach Fakt. Die ganzen modernen pädagogischen Ansätze und überhaupt die "politische Korrektheit" versuchen das zu verschleiern, so dass die Welt für die, die wenig Macht haben, nicht gar so harsch aussieht. Die wirklich Mächtigen und Erfolgreichen auf der Welt wissen jedoch stets ganz genau, dass alles auch ein Machtspiel ist (dies nicht offen zu sagen, ist bereits wichtiger Teil des Machtspiels).

Und selbstverständlich hat jeder Mensch - auch ein Kind! - das natürlich eingebaute Bestreben, Macht zu erlangen, zu erhalten und "auszutesten".

Man spricht hier auch von "Frame". In Beziehungen geht es darum, wer den "Frame" setzt, also letztlich der Hauptverantwortliche für die Spielregeln und Rahmenbedingungen ist. Und Schüler unterwerfen sich eben oft nicht, jedenfalls nicht freiwillig, dem "Frame" des Lehrers, schon gar nicht in der Pubertät.

Die Lehrer-Schüler-Beziehung kann jedoch nicht auf einer "egalitaristischen" Ebene funktionieren (das geht sowieso meines Erachtens nur bei Freundschaften), sondern der Lehrer ist verpflichtet, der "Frame"-Setzer zu sein. Ein Schüler WILL das in Wirklichkeit auch! Selbst wenn er frech oder faul ist! Denn nur dann kann er den Lehrer auch tatsächlich ACHTEN. Er möchte keinen "Kumpel", sondern jemanden, den er respektiert, zu dem er vielleicht sogar "aufschaut". Dann strengt er sich auch FÜR IHN an, nicht nur aus Eigeninteresse. (Michael Winterhoff hat ausgeführt, dass insbesondere Kinder im Grundschulalter besonders gerne für den Lehrer lernen und mit selbstverantwortlichem Kram wie "was möchtest Du denn heute gerne lernen?" ÜBERFORDERT sind.)

Das heißt: Statt immer nach irgendwelchen psychosozialen Gründen zu suchen und dauernd so verständnisvoll zu sein (wodurch man dem Schüler letztlich signalisiert, dass ER den Frame setzt, denn er muss ja nur rumspacken, schon beschäftigt sich der Lehrer voll viel mit ihm!), muss man sich der Machtdynamiken bewusst sein und dementsprechend handeln.

Eine Schülerin hat mal, als sie 11 war, VOLL rumgebockt. Sie hat sich wie ein Stier vor mir aufgebaut und gesagt: "Ich nehme MEINEN EIGENEN Fingersatz!" Immer wieder war sie unwillig gewesen, diverse Dinge so zu tun, wie ich es sagte, und "wusste es besser".

Nächste Stunde kam, weil ich deswegen zum Gespräch geladen hatte, die Mutter mit.
Wieder die Schülerin voll auf Konfrontation.
Ich ihr straight in die Augen geblickt, sinngemäß und in ruhigem, aber durchaus scharfem Ton gesagt: "So, pass auf, ICH bin hier der mit Ahnung, Du bist Einsteigerin, und wenn Dir das nicht passt, gibt es jede Menge andere, die liebend gerne die Stunde von Dir übernehmen!"

Ab da war sie (bis auf ganz gelegentliche kleine Zickereien) die Liebste und Bravste überhaupt, und ich war über Jahre für sie der beste KL überhaupt, und sie empfahl mich ständig im Freundeskreis weiter.

Dieses Erlebnis war für mich jenes, das mir diesen Macht-Zusammenhang endgültig deutlich machte und mir die Angst vor deutlichen Konfrontationen mit Schülern (die ich zuvor hatte!) nahm.
 
Ich Frage mich das auch häufig, wo die Grenze zu ziehen und der Unterricht oder zumindest die Stunde zu beenden ist... Ich denke mir dann: ich habe als Kind sehr ungern klavier gespielt, es war sicher kein Vergnügen für meinen Lehrer aber heute profitiere ich sehr davon. Mein erster Schüler war das erste halbe Jahr ein Alptraum, heute ist er sehr aufmerksam und fleissig und kommt sehr gerne. Man weiß nie wo es hinführt. Bei mir ist nur Schluss wenn ich von Schüler und/oder Eltern respektlos behandelt werde, das war aber zum Glück erst zweimal der Fall.
 

Manchmal kommt dann so Geeier, dass das Stück (das anfangs völlig OK war) aber auch langweilig sei, aber da sage ich dann gleich: "Ja nee, is klar, alle Stücke sind langweilig... Du hast auf das Üben schlicht keinen Bock, und daher redest Du das dann schlecht, um Deine Bocklosigkeit zu begründen."

Wohlgemerkt immer in einer menschlich positiven Atmosphäre, die deutlich macht, dass ich ihn als Mensch sehr wohl mag, nur mit seinem Verhalten hier und jetzt nicht einverstanden bin.
So wie ich Dich hier im Forum bisher als Lehrer erlebt habe, kommst Du ziemlich authentisch als kompetenter und menschlich durchaus angenehmer Typ rüber, dem ich das voll abnehme, diese Dinge deutlich aber trotzdem im Ton angemessen rüber zu bringen. Und ich glaube, Du bist mit Sicherheit auch in der Lage, zu erkennen, wenn einer Deiner Schüler an vor einem Problem steht, das er alleine nicht lösen kann und dann erst mal irgendeine Ausrede vorschiebt. Diese Probleme kann man gemeinsam lösen und ich bin mir bei Dir relativ sicher, das Du das schaffst, andernfalls würden Dich Deine Schüler nicht weiter empfehlen. Die Frage, die ich mir stelle ist, warum Du hier im Forum überhaupt nicht differenzierst und immer gleich pauschal alles als faul abkanzelst. Entspricht das Deiner Erfahrung? Dass sich ausnahmslos jedes Problem nur auf Faulheit zurückführen lässt?
 
Die folgende Situation (liegt schon viele Jahre zurück) eskalierte bei genau dieser Diskussion: Eine Klavierschülerin, gerade volljährig, war seeehr faul. Ich besprach die eben genannten Dinge mit ihr. Daraufhin sagte sie: „Ich spiele schon seit 11 Jahren Klavier, da wird das eben auch langweilig.“ Meine Antwort ging in die Richtung, dass das das Dümmste ist, was ich bisher im Klavierunterricht gehört habe. Sie antwortete, ich sei da, um ihr Klavierspielen beizubringen und nicht, um sie zu beleidigen.
Professionell geht sicher anders. Aber was solls. ;-) Wenn es zwischenmenschlich nicht passt, dann macht das keinen Sinn, gemeinsam Unterricht zu machen. Ansonsten hätte man dem begegnen können, dass "dumme Aussage" die Aussage wertet, nicht den Menschen. Sehr wichtig in der Pädagogik, nicht "Du bist dumm" sondern "das war jetzt eine dumme Aktion"... Ich hätte es spannend gefunden, warum die Schülerin, obwohl sie das langweilig findet, trotzdem noch Unterricht haben möchte. Keine Fortschritte mehr? Kann man da noch irgendwas beibringen, Fortschritte bewirken, die die Motivation dann auch wieder wecken? Aber dazu bracht es zumindest eine gewisse Leistungsbereitschaft und es muss menschlich passen.

Ich bin übrigens kein Lehrer, leite allerdings im Job haufenweise Leute fachlich an, die ich leider nicht rausschmeißen kann. Da ist es hilfreich, auch mit schwierigen Typen klar zu kommen. Ich hab allerdings den Vorteil, stets das letzte Wort zu haben, so dass die wiederum auf meinen Goodwill angewiesen sind. Das merken manche dann auf die harte Tour.
 
Entspricht das Deiner Erfahrung? Dass sich ausnahmslos jedes Problem nur auf Faulheit zurückführen lässt?
Ich bin, obwohl ich das ja nun hinreichend kenne, mal wieder verblüfft.
Darüber, was für ein typisches Beispiel diese Reaktion ist für die Art von Reaktionen, die im Internet "Diskussionen" völlig unnötiger- und idiotischerweise eskalieren lassen.
WO, um alles in der Welt, bin ich jemals so ENTHIRNT gewesen, zu behaupten, dass sich "jedes Problem (im Unterricht) nur auf Faulheit zurückführen lässt?" Aus welcher meiner Aussagen, bitte, lässt sich DAS entnehmen??
Ouuuuh Mann...
 
Genau, das schrieb ich. Auf solch eine Situation bereitet einen halt kein Studium vor. Erst im Laufe der Zeit habe ich gelernt, dass solch ein Verhalten nie persönlich zu nehmen ist und dass man in beruflichen Situationen eine professionelle Distanz zu gewissen Emotionen braucht. Man kann es auch Abgrenzung nennen.
 
Aus welcher meiner Aussagen, bitte, lässt sich DAS entnehmen??
Ouuuuh Mann...
Sagen wir mal, aus einer Vielzahl Deiner Posts würde ich das als Quintessenz so herauslesen. Und wie gesagt, ich glaub ja gar nicht, dass Du das tatsächlich so siehst, insofern frag ich mich, warum das in Deinen Posts so rüber kommt.
Zitat von hasenbein:
Der Schüler hat keine "Legasthenie". Aus welchen Gründen auch immer hat er schlicht zu manchen Dingen KEINEN BOCK und passt deswegen einfach nicht auf.[...]
Bei den aller-allermeisten Schülern sind die sog. "Leseprobleme" nicht "Legasthenie" oder irgendeine andere Modekrankheit, die herbeigezerrt wird, um Verantwortung auf andere abschieben zu können, sondern schlicht Desinteresse am Lerngegenstand (hier Noten). Desinteresse führt zu unzweckmäßigem, "dumm" erscheinendem Verhalten.[...]
Ja, blabla, weiß ich, es gibt wirklich Menschen, die Störungen haben. Aber die sind VIEL seltener, als es im heutigen Zeitalter der Modediagnosen behauptet wird.[...]
Man zeige mir eine ärztliche Bescheinigung bzw. mache wirklich glaubhaft, dass von Medizinern (nicht Psychologen oder Heilpraktikern oder dergleichen) eine Störung gefunden wurde - DANN glaube ich, dass eine Störung vorliegt, und handle dementsprechend. Vorher nicht. Peng, aus.[...]
Meine Tochter hat eine Leserechtschreibschwäche. Ob sie Probleme mit Notenlesen hat, weiß ich nicht. Ich hätte deutlich Bedenken, sie zu Dir als Lehrer zu schicken. (Zum Klavier lernen hatte sie allerdings in der Tat schlicht keine Lust.)
 
Sagen wir mal, aus einer Vielzahl Deiner Posts würde ich das als Quintessenz so herauslesen. Und wie gesagt, ich glaub ja gar nicht, dass Du das tatsächlich so siehst, insofern frag ich mich, warum das in Deinen Posts so rüber kommt.
Frage Dich - und das meine ich sehr ernst und überhaupt nicht als Angriff! - lieber, was DICH dazu führt, es so wahrzunehmen, dass das "in meinen Posts so rüberkommt".

Kannst natürlich nur Du beantworten, aber ich nehme schon an, dass es u.a. was damit zu tun hat, dass Du - wie so viele - von Gesellschaft und Medien darauf "getrimmt" bist, bestimmte Reizwörter und Reiz-Standpunkte als "böse", "rückwärtsgewandt", "rechts" etc. wahrzunehmen und daher bei jemandem, der darauf hinweist, dass auch Kinder und Schüler einfach "Biester" sein können und man die auch mal als solche behandeln darf, sogleich denkst: Aha, das ist einer, der hat mit Sicherheit diese autoritäre, "rechte" Grundeinstellung.

Damit hat Michael Winterhoff ja auch zu kämpfen, dass ihm, obwohl aus seinen Büchern sehr klar anderes hervorgeht, Autoritarismus und plattes "Grenzensetzen" unterstellt wird und er daher in eine bestimmte Ecke gerückt wird.

Differenziertes Denken, Wahrnehmen, Herangehen und Diskutieren verabschiedet sich leider heutzutage immer mehr aus der Gesellschaft.
 
und wenn Dir das nicht passt, gibt es jede Menge andere, die liebend gerne die Stunde von Dir übernehmen!"

Das ist doch immer der Punkt. Macht, Sanktionsfähigkeit, Zwang – ist doch egal wie man es nennt. Ich breche es gern runter und nenne es beim Namen.

Und weil man ja auch die größten Selbstverständlichkeiten erwähnen muss, um nicht sofort am Pranger zu stehen: Ich unterschreibe alles, was @chiarina so wunderbar dargelegt hat.

Aber ab einem bestimmten Punkt mag ich nicht mehr. Der Unterricht ist freiwillig. Ich mach das freiwillig (ja logo, gegen Honorar), der Schüler macht das freiwillig. Wo kein Wille, da kein Weg.

In meinem Fall: Niemand ist gezwungen, Latein als 2. FS zu erlernen. Niemand ist gezwungen, in der Schule nicht aufzupassen und schon in 7/2 auf die 4 zu rutschen, was dann die zu Recht alarmierten Eltern eine Nachhilfe engagieren lässt.

Der arme Studienrat an einem staatlichen Gymnasium hingegen hat den gesellschaftlichen Auftrag, alles was ihm vorgesetzt wird irgendwie in Großrichtung Klassenziel mitzuschleifen, koste es was es wolle (vor allem seine Zeit/Nerven sowie Zeit/Nerven derjenigen, die wollen und können [auch solche Kinder gibt es!]). Rausschmeißen kann er niemanden, noch nicht einmal vor die Tür schicken (das kleine Sackgesicht könnte sich ein Härchen krümmen – dann ist der arme Studienrat dran wegen Verletzung der Aufsichtspflicht, fahrlässiger Körperverletzung o.ä.). Er hat schlicht keine Sanktionsmöglichkeit ab dem Zeitpunkt, wo schlechte Noten nicht beschämend "wirken". Falls er in seinem Fach gut genug ist, kann er sich wenigstens noch einen anderen Job suchen.

Woher kommt wohl der Lehrermangel? Und warum gibt es Lehrermangel an staatlichen Schulen und nicht an privaten? Weil es an privaten Schulen wenigstens die Möglichkeit gibt, Schüler vor der Aufnahme zu selektieren, sich das Elternhaus anzuschauen bzw. die Bratzen rauszuschmeißen, die nachhaltig Leistung oder zivilisiertes Benehmen verweigern.
 
Jep, ein wichtiges Thema.

Niemand will zur Prügelstrafe zurück - aber heutzutage fehlen einfach Sanktionsmöglichkeiten, vor denen sich ein Schüler wirklich fürchtet, und das ist eine wesentliche Ursache für das Chaos in den Schulen.

Warum fehlen die? Weil man durch das 3. Reich gesehen hat, zu welchen schrecklichen Folgen Autoritarismus führen kann, und man zu Recht gesagt hat: "Nie wieder!" und das Pendel zur Gegenseite hat gehen lassen. Nur ist es längst viel zu weit zur Gegenseite ausgeschlagen.

BALANCE und DIFFERENZIERUNG sind immer wieder die Zauberworte.

Nicht aber Bekämpfung von A durch "möglichst viel" des Gegenteils von A.
 
Dass sich ausnahmslos jedes Problem nur auf Faulheit zurückführen lässt?

Es sei:
  • Ein normaldurchschnittlich intelligenter gesunder Mensch im heranwachsenden Alter.
  • Eine Aufgabe, die empirisch bestätigt altersgemäß ist (Beispiel: Stillsitzen und aufmerksam zuhören, dabei nach Möglichkeit mitdenken – ggf kurz nachhaken, wenn man es noch einmal oder ggf mit anderen Worten erklärt bekommen möchte).
Was außer "Faulheit" könnte seinen Lernerfolg hemmen? :konfus:

Mir fällt spontan nur der Komplex "Sorgen" ein. Der Betreffende könnte durch eigene oder familiäre Sorgen belastet sein (Verlustängste, Krankheit eines Angehörigen oder Haustiers, Streit oder Trennung der Eltern, whatever). Das ist unbedingt ernstzunehmen. Wer Sorgen im Kopf hat, kann seine kognitive Leistungsfähigkeit nicht ausschöpfen. Auch nicht, wenn er sich wirklich Mühe gibt.


Sonst? :denken: Ausreden gibt es jede Menge, aber echte Gründe?
 

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