Auswendigspielen - Superwichtig?

Mich würde ja mal interessieren, wer denn dieses abfällige Schmunzeln schon erlebt hat, das heute so weit verbreitet sein soll, wenn jemand mit Noten auf die Bühne kommt.
 
Zusammenfassung des bisherigen Geschehens

Ihr Lieben,

für Eure reichlichen Antworten vielen Dank.

Ich hatte eine individuell auf meine Situation zugeschnittene Frage gestellt und mich schnell in einer - teilweise mit großem Eifer geführten - Grundsatzdebatte wieder gefunden. Argumente von "Wie es Dir recht ist!" bis "Die Größen das aber anders, das muss ja einen Grund haben!" war vertreten, mal mit Fremdsprachen gewürzt, dann mit fehlender Grammatik, aber das passiert uns allem im Eifer des Gefechts nun einmal. Dass ich jetzt hier keine konkreten Zitate einsetze, mögen die Leser mir nachsehen.

Nicht auf jedes Argument möchte ich antworten, aber auf einige:

Ich halte es für falsch, ohne Ausdruck zu üben. Selbst eine Tonleiter hat bei mir Ausdruck. Das habe ich immer so gemacht und werde es weiter so halten. Wenn ich ein Stück einübe, dann beginne ich sofort an der Gestaltung zu arbeiten. Probiere aus, empfinde es, erlebe es und lasse es mir etwas erzählen. Mein musikalischer Ausdruck hat noch nie darunter gelitten, dass ich nicht alles im Schlaf auswendig konnte. Wie gesagt, Klavier ist nicht mein erstes Instrument, da kann ich auf mehr Erfahrung zurück blicken.

Ich möchte keinen Eindruck mit meinen Fähigkeiten schinden, noch an Vorspielen teilnehmen oder Konzerte geben. Auch habe ich nicht das Bedürfnis, noch ein Musikstudium dran zu hängen. Mein Ziel ist es, mit der wenigen Zeit, die ich habe, möglichst gut etwas in Bezug Musik anzufangen. Da kommt mir obiges zum musikalischen Ausdruck gerade recht. Mein Vorteil hierbei ist - das möchte ich einräumen - meine Notenfestigkeit. Ich kann sie nicht nur gut spielen. Wenn ich Noten lese, höre ich sie, ohne dass ich auf eine Taste drücke. Daher beginne ich mit der Gestaltung genaugenommen schon beim Lesen. Warum andere erst den Text spielen lernen und danach mit der Gestaltung beginnen, ist mir ein Rätsel, das zu ergründen ich anderen überlasse.

Ferner interessiert mich auch nicht, was Autoritäten machen. Ich mache nicht nach, ohne von deren Tun überzeugt zu sein. Nur weil sie zu den Großen gehören, müssen sie nicht alles richtig machen. Ein mühsamer, aber erkenntnisreicher Weg. Um bei der Erde und er Scheibe zu bleiben: Viele Autoritäten hatten gesagt, die Erde sei eine Scheibe. Für die runde Erde sprachen aber die besseren Argumente. Was wäre passiert, würden wir heute immer noch diese Autoritäten nicht anzweifeln? Fielen wir dann herunter? Oh, Schreck, das geht ja gar nicht!

Die Vermutung, mit dem Auswendiglernen Hirnorganisationsprozesse in Gang zu setzen, ist interessant und überlegenswert. Hat jemand dazu Kenntnis von einer Studie? Würde mir diese gern zu Gemüte führen.

Nach Euren ganzen Argumenten aber werde ich von meinem Weg erst einmal nicht abweichen. Denn ich habe nun einmal wenig Zeit, will aber nicht auf ein Leben mit Musik verzichten und es reicht mir nun einmal nicht, sie nur als gelesen zu erleben. Nur auf dem Papier, statt sie selbst zu machen. Wie seit 30 Jahren.

Für Eure Meinungen mich bedankend verbleibe ich mit den besten Grüßen

Lucia
 
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Prima, Lucia; guter Standpunkt. Geh DEINEN Weg. Es gibt nicht auschließlich richtig und falsch, nicht schwarz und weiß. Hauptsache, Du fühlst Dich vor den Tasten wohl!
 
Danke, fisherman.

Muss noch hinzufügen, dass ich ein Problem habe, mich Dogmen zu fügen. Nur weil eine Geistesgröße das so und so macht, muss es nicht perfekt sein. Wenn alle im Studium zu Repetitor rennen, muss das nicht bedeuten, dass man es ohne nicht auch gut und zügig schaffen kann.

Die wirklich wichtigen Dinge sind doch Musikalität, Empfinden und Verstand dabei. Ich denke, dass man schon bei einer Tonleiter Dynamik und Spannung hören können sollte, mit ihr etwas erzählen sollte. Ich weiß, dass viele nicht dieser Ansicht sind, dennoch halte ich es so.

Bin ich jetzt ein komischer Kauz? Und was wäre, wenn es so wäre?
 
hallo,

ein kleines Töpfchen mit Katzengras lässt sich mit der Nagelschere stutzen (falls der Stubentiger es verschmäht), eine große Wiese wird sich besser mit einem Rasenmäher stutzen lassen :)
wenns irgendwo manuell hoch her geht, ist es ergonomischer, nicht in die Noten zu schauen :) aber das macht man an heiklen Stellen ja ohnehin nicht. Ob die Noten nun auf dem Flügel stehen oder nicht, ist völlig egal (und es ist auch den "Autoritäten" egal) - - - freilich lässt sich kein zwingender Grund finden, das spielen ohne Noten eines Stückes, das man mag (oder gar im Konzert vorträgt), zu verurteilen: es wird ja niemand gezwungen, "auswendig zu lernen" (das ist ja ohnehin eine irreführende und lernpsychologisch arg vorbelastete Formulierung)
ich behalte ja auch nicht restlos alles im Kopf, vor allem, wenn Studenten was spielen/üben, was ich selber gar nicht im Repertoire haben will - und da brauche ich dann die Noten. Auch bei Stücken, die ich mal im Studium trainiert hatte und ohne Noten konnte, habe ich sehr vieles vergessen - na und, dann wirds im Unterricht halt mit Noten demonstriert.
vermutlich ist es sehr unterschiedlich, wie lange es dauert, bis jemand das, womit er sich befasst, in sich aufgenommen hat - Zwänge allerdings gibt es da eigentlich nicht. Fühlt man sich in Musik zu Hause, wird man im Lauf der Zeit immer weniger lang in die Noten schauen müssen: das kommt ganz von allein.
kurzum: der Shakespeare-Titel "viel Lärm um nichts" streift das hier behandelte Thema ein wenig :)

liebe Grüße,
Rolf
 
Sieht einfach schicker aus, genialer, überlegener - so ohne Noten.

Doch gesamtmusikalisch gesehen ist auswändig spielen der Einzelfall. Im Ensemble oder moderner Musik sind Noten fast "Vorschrift". (oder ist es auswendig? ... Oder auswindig?)

Jaja, nur wir Pianisten müssen mal wieder ALLES können, sogar auswandiges Spiel.
Son Quatsch. Mit oder ohne Noten: die Musik an sich zählt. Sonst nichts!!

Wenn es klappt, jot, wenn es nicht klappt, auch jot.
 
@Rolf
Für die Wiese gibt es noch die Alternative genannt Sense. Schon einmal probiert? Sehr gut für die Umwelt und verschafft Bewegung.



Im Übrigen verwundert mich das "Verteufeln". Als gute Christin überlasse ich solche Verdammnis höheren Mächten und grübele, wer hier mit wieviel Leidenschaft was verteidigt oder ins Absurde geführt hat. Jeder hat seinen eigenen Weg. Viele davon führen nach Rom und einige zur Musik.

Meine Quintessenz aus der Diskussion ist ein Verbleiben auf meinem Weg: Die wenige Zeit, die ich habe, verwende ich lieber auf das Studium wichtigerer Dinge als auf das Auswendigdaherspielen. Z.B. ein Durstück in Moll zu spielen oder die Kirchentonarten, ein Lied in einen Chorsatz zu bringen, weil es gut für das harmonische Verständnis ist, oder das Beschäftigen mit Stücken, die nicht der große Bringer an Fähigkeiten sind, dafür aber die Tür in eine andere Stilistik öffnen.
 
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@Rolf
Für die Wiese gibt es noch die Alternative genannt Sense. Schon einmal probiert? Sehr gut für die Umwelt und verschafft Bewegung.



Im Übrigen verwundert mich das "Verteufeln". Als gute Christin überlasse ich solche Verdammnis höheren Mächten und grübele, wer hier mit wieviel Leidenschaft was verteidigt oder ins Absurde geführt hat. Jeder hat seinen eigenen Weg. Viele davon führen nach Rom und einige zur Musik.

hallo Lucia,

das mit Sense / Schnitter ist ein perspikaker Einwand (als nicht so guter Christ allerdings erinnert mich die Sense zu sehr an grausige Landarbeiternot früherer Zeiten, andererseits an Sensenmann und marcia funebre), aber solange ich den Rasenmäher selber schiebe, hab ich auch etwas Bewegung :)

verteufeln hin, für absolut erklären her: egal ob mit ob ohne Noten - es sollte anständig klingen, wie man das bewerkstelligt, ist eine sekundäre Frage (aber gerade diese sekundäre Frage erhitzt ja die Gemüter...)

liebe Grüße vom starrsinnigen Rolf (der bei schwierigen Stellen weder aus dem Fenster, noch in die Noten, sondern auf zweckdienliche Tastenabschnitte schaut) :)
 
Hallo, Rolf, der Starrsinnige,

Starrsinn hat seinen Vorteil. Man verteidigt seinen Standpunkt. Umbequemer, aber viel besser als die Mantel-in-den-Wind-dreher. Nicht nur unter Politikern anzutreffen.

Was Sensen anbelangt, kann ich persönlich mitreden, da ich mit ungefähr neun Jahren den Umgang mit denselben erlernte. Die Alternative beim Heumachen, wo der Rasenmäher gar nichts bringt, sondern eine Mähmaschine etwas brächte, wäre sie einsetzbar.

Recht hast Du auf jeden Fall damit, dass es darauf ankommt, was man schließlich erreicht. Anderorts las ich davon, dass tatsächlich empfohlen wird, erst das Stück als solches zu erarbeiten und danach sich des musikalischen Ausdrucks zu widmen. Schauderhaft, aber wird wohl gemacht. Naja, viele Wege und Rom und Musik und so.
 
Auswendig spielen - ontopic

Hier ein Fernsehtipp für alle, die glauben, auswendig spielen sei nicht überlebensnotwendig:
Das Mädchen, das die Seiten umblättert. Franz. Psychothriller. 2006.
Heute abend (Di., 19.5.2009), 21.45-23.05 auf Bayern 3​
Ein sehenswerter Film für alle, die einen Faible für "psychologische Kriegsführung" und subtilen französischen Humor haben.
 

Da ich, wenn überhaupt, nur daheim vorspiele, habe ich meine Noten dabei. ... warum soll ich dann auswendig lernen? Wieso ist das so wichtig, dass es ein so großes Thema ist? ...

Wenn man nur zu Hause spielt bzw. seine Noten dabei hat, finde ich, dass auswendig spielen nicht wichtig ist.

Bei mir ist es so, dass ich i.d.R. Stücke, die ich mit Noten lernte, extrem selten auswendig spielen kann, nur solche, meist einfache Stücke, die ich übers Gehör lernte, spiele ich immer und ewig auswendig, z.B. auch Begleitungen bei Gesangsstücken, wie Lady Madonna (Lennon/McCartney).

Gruß Sebastian
 
Hier ein Fernsehtipp für alle, die glauben, auswendig spielen sei nicht überlebensnotwendig:
Das Mädchen, das die Seiten umblättert. Franz. Psychothriller. 2006.
Heute abend (Di., 19.5.2009), 21.45-23.05 auf Bayern 3​
Ein sehenswerter Film für alle, die einen Faible für "psychologische Kriegsführung" und subtilen französischen Humor haben.

...und für alle, die ihn im fernsehen verpasst haben: lohnt sich auch auf dvd. ich habe ihn seinerzeit (als ich noch nicht klavier gespielt und noch zeit fürs kino hatte :D) im kino gesehen und war hin und weg eben von genau dieser vordergründig so unschuldigen kriegsführung und der rache eines nicht mehr ganz so kleinen mädchens an seiner nicht mehr ganz so großen lehrerin. einfach nur klasse.

lavendel
 
Mir fällt Auswendigspielen vielleicht etwas leichter als anderen, weil ich auch viel improvisiere und mir über meine Harmoniekenntnisse "Eselsbrücken" schaffen kann. Das hilft mir vor allem bei Passagen, bei denen ich auf die Tasten sehen muss (z.B. bei weitläufigen Arpeggios). Die Gefahr ist allerdings, dass sich eventuelle Fehler meistens dauerhaft einschleichen. Außerdem bin ich durch Auswendigspielen nie zu einem guten Notenleser geworden.
 
lavendel, ariadne, Ihr seid aber gefährlich :D! Diese Frauen...:rolleyes::?
 
lavendel, ariadne, Ihr seid aber gefährlich :D! Diese Frauen...:rolleyes::?

wiiiiiiiiiiiiiiiiir?????????????? kann gaaaaaarnicht sein
g025.gif
. oder, ariadne?

lavendel
 

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