Liebe Carnina,
natürlich muss man gar nichts, ganz besonders als Hobbymusikerin. Wenn man aber Ambitionen hat, sich weiter entwickeln will, seine Grenzen kennen lernen will - und das scheinst du mir zu sein - , sollte man nicht aufgeben!
Ich habe es vor Jahren schon einmal erzählt:
ich hatte mein Diplom als Instrumentalpädagogin bereits in der Tasche und studierte nun an einer anderen Hochschule Klavier. Mein erstes Semester bei meiner neuen Professorin war das härteste, was ich je hatte. Ich dachte, ich könne gar nichts. Eine leichte Haydn-Sonate, die ich vom Blatt spielen konnte - eigentlich. Meine Lehrerin schüttelte immerfort den Kopf und sagte "Hör's an!".
Ich konnte keine Intervalle so hören, wie sie wollte, ich konnte keine Pausen hören und gestalten, meine Artikulation und Phrasierung waren eine Katastrophe. Wohlgemerkt, ich hatte gerade in der Diplomprüfung den Carnaval gespielt.
Es waren sehr harte Monate und auch am Schluss dieses ersten Semesters waren weder ich noch sie zufrieden. Ich habe aber wahnsinnig viel gelernt. Dieses Semester legte den Grundstein für mein heutiges Hören und ich bin meiner Lehrerin unendlich dankbar, dass sie mich selbst hat entdecken lassen und mich dabei durchaus im Regen hat stehen lassen, weil sie mir nichts vorgeben wollte.
Es hat einen Grund, warum du dich bei diesem Stück so schwer tust! Gerade neulich sagte mir ein bedeutender Klavierprofessor, dass er Werke aus der Wiener Klassik sehr, sehr wichtig findet, weil man da seine wahren musikalischen Fähigkeiten zeigt. Artikulationskunst, Phrasierungskunst, feinste Nuancierungen im Anschlag, Stilverständnis, der Umgang mit der Zeit .... , da kann man sich nicht hinter glitzernden Fassaden verstecken und auch nicht in "vielen Tönen".
Das bedeutet aber auch, dass du dich nicht deines angeblichen Versagens schämst, sondern dazu stehst und dich deinem/r LehrerIn anvertraust. Du brauchst guten Unterricht bei diesem Stück! Alternativ oder zusätzlich kannst du auch zu einem anderen Stück der Wiener Klassik wechseln (Mozart Haydn), das dir mehr zusagt. Denn "Spielen können wollen" ist natürlich eine wichtige Motivation.
Das, was du hier lernst, wird dir auf jeden Fall auch bei allen anderen Stücken zugute kommen!
Liebe Grüße
chiarina