lieber friedrich,
vielen dank für diesen hinweis!
Um gleich mal zwei dinge anzuführen: Wenn jemand in provokateurs-pose
irgendjemandem am zeug flicken will, soll er sich die dirigenten vornehmen.
Wagner - als kapellmeister-routinier, als der er übrigens auch verunglimpft worden ist -
war schon aus gründen der textverständlichkeit daran interessiert, daß das orchester
die gesangspartien nicht übertönt. Wenn wagner-interpreten (und natürlich -innen!)
verzweifelt gegen den lärm aus dem orchestergraben anbrüllen müssen,
ist das die schuld der dirigenten, die von klangdosierung keine ahnung haben.
Weitere fehlerquellen: Undurchdachte personenführung durch regisseure,
die den sängern unmögliche, der tonbildung abträgliche körperhaltungen
zumuten (auch beliebt: Sie mit dem rücken zum publikum singen zu lassen),
ferner das unselige kammerton-wettrüsten (momentaner stand: 443 hz oder mehr?),
das eine frequenzzahl zur norm macht, an die vokalmusik-komponisten des 19.jahrhunderts
im traum nicht gedacht hätten.
"unsangbarkeit" trifft bei wagner in einem ganz anderen sinne zu: Ein großer teil der gesangspartien
ab dem "rheingold" ist einfach lieblos komponiert = ungesanglich; es sind endlose rezitative, in denen
sich musikalisch nichts anderes abspielt als die umschreibung der jeweiligen harmonischen ereignisse.
Der eigentliche gesang findet im orchestergraben statt. Ehe jetzt notariell vereidigte wagnerianer wie rolf
buhuhu rufen, füge ich hinzu, daß es natürlich ausnahmen gibt (um nur mal im "ring" aufzuzählen:
Alberichs fluch, winterstürme wichen..., wotans verzweiflung, todesverkündigung, war es so schmählich...,
siggis schmiedelied, das waldvöglein, ewig war ich..., das nornenterzett, hagens wache,
die szene mit den rheintöchtern - starke scheite schichtet etc.). Analoges findet sich im "tristan", im "parsifal"
und in den "meistersingern". Es sind oft geradezu eingestreute nummern, mit denen der alte richie
seinem eigenen programm untreu wird, nummern, die wie für die single-auskopplung berechnet sind.
Ihnen steht zeitlich ein so gigantischer berg unmelodiöser endlos-rezitative gegenüber,
daß man den regisseuren für ihre sängerfeindliche personenführung fast schon wieder dankbar sein kann.
Herzliche grüße!
Gomez