Hallo,
ich hoffe, ihr seht einem Neuling nach, das er euch gleich mit einer Frage überfällt.
Nachdem ich mir jahrzehntelang praktisch nur Zauberflöte und die Entführung aus dem Serail angehört habe (die allerdings exzessiv), ist bei mir vor 3 Jahren der Knoten geplatzt und ich bin mittlerweile bei Wagner angekommen.
Da ich keinen Fernseher habe, dafür aber Kinder, die nichts von Babysittern halten, bin ich dafür im wesentlichen auf DVDs angewiesen (macht mir auch wenig aus - ich konnte micht schon immer vor einem Bildschirm gleich welcher Größe mit allen Sinnen in einen Film versenken).
Schwierig ist es für mich aber immer noch trotz youtube und Amazon-Rezensionen, jeweils DIE Inszenierung zu finden, die mich von den Socken holt - und das Rumprobieren kann dann doch recht teuer werden (dagegen ist jede Version, die mir gefällt 100mal ihr Geld wert: erst wenn ich mir eine Operninszenierung mindestens 20-30 mal angeschaut habe, kann ich zur nächsten Oper übergehen :oops: )
So, ich versuche ich jetzt mal zu beschreiben, was ich suche: Oper muss für mich vor allem eines leisten: große (und ernsthafte, also z.B. keine Lächerlichkeiten) Gefühle transportieren, durch ihre hinreissende Verquickung von Theater und Musik. Da auf DVD ja nur selten wirklich schlechte Sänger gebannt werden war ich mit der Musik fast nie unzufrieden. Eine Oper steht und fällt deshalb für mich in erster Linie durch die Schauspielerei und (vielleicht etwas geringer) die Atmosphäre der Kulisse. Ich mag keine Opern, in der die Sänger nur singen und nicht schauspielern. Ich brauche Gestik, Mimik (ruhig übertrieben) und Interaktion. Und gute Sänger sind leider nicht immer auch gute Schauspieler oder werden - noch schlimmer - durch eine dem Stück zuwiderlaufende Regieinterpretation verhunzt. In einer Oper will ich die Geschichte sehen, die vom Komponisten vertont wurde und keine andere (Höhepunkt der Verfälschung war für mich bisher Harry Kupfers "Fliegender Holländer" uminterpretiert als ein Traum von Senta. Aber auch auch vom Münchner Lohengrin in Braunhemden mit Jonas Kaufmann konnte ich mir nur unter Brechreiz einige Szenen auf youtube ansehen - obwohl er bezaubernd singt). Generell kann ich wohl mit traditionellen Inszenierungen öfters etwas anfangen als mit modernen, aber auch da gibt es Gegenbeispiele, s.u.
Ich liste mal auf, was mir - völlig subjektiv - bisher gefallen hat (und was Fehlkäufe waren):
Zauberflöte: 1982 Salzburg von Ponnelle - o.k., da war sicher eine Menge Nostalgie dabei, es war die erste Operninszenierung, die ich als Kind im Fernsehen gesehen hatte
Entführung aus dem Serail: da bin ich zweigeteilt zwischen 1991 Schwetzingen von Hampe (mit Blochwitz und Swenson) und dicht dahinter 2002 Florenz von Gramss (mit Trost und Mei unter Mehta). Nicht gefallen hat mir dagegen 1988 Covent Garden von Moshinsky - das war dann doch ZU altbacken, obwohl Kurt Moll als Osmin einsame Spitze war.
Don Giovanni: 1990 MET von Zeffirelli, ein Stück dahinter 1987 Salzburg unter Karajan (beide mit Ramey und Furlanetto - für mich Don Giovanni und Leporello schlechthin, super Schauspieler). Ein Fehlkauf dagegen 1966 Berlin von Felsenstein, obwohl ich gar nicht genau sagen kann, was mich stört. Viele andere Don Giovannis auf youtube (u.a. Allen, Raimondi) waren im Vergleich zu den o.g. auch nichts für mich.
Fidelio: 1978 Wien von Schenk (mit Janowitz und Kollo unter Bernstein)!!! Das war die erste Oper, die über Mozart hinausging. Über ein Jahr lang geradezu süchtig mindestens 100mal gesehen - ich ertrage bis heute kaum eine andere Inszenierung, obwohl ich mir sicher nahezu alles angeschaut habe, was es auf youtube gibt.
Semiramide: 1990 MET von Copley (mit Anderson, Horne und Ramey)
Nabucco: 2001 MET von Moshinsky (mit Pons und Guleghina), gut, obwohl evtl. noch steigerbar
Don Carlos: zweigeteilt zwischen 2008 Covent Garden von Hythner (ich kann mir keinen besseren Don Carlos vorstellen als Villazon!!) und 1994 Mailand von Zeffirelli (Ramey finde ich als Phillipp einfach eindrucksvoller, als Schauspieler ist er im vorletzten Akt in der Großinquisitorszene und beim folgenden Duett mit Elisabeth grandios, bei Furlanetto als Phillipp kommt für mich doch immer wieder das "Schlitzohrige" vom Leporello durch)
Der fliegende Holländer: obwohl ich generell Oper auf der Bühne bevorzuge: die verfilmte Version 1975 von Kaslik!! Donald McIntyre spielt den Holländer gnadenlos genial, atemberaubend
Meistersinger: 2001 MET von Schenk, wunderbar geschauspielert von allem Beckmesser von Allen, sehr gut auch Morris und Heppner, obwohl die Meistersinger allein von der Handlung her wohl nie meine große Liebe werden.
Lohengrin: 1986 MET von Schenk (mit Hofmann und Marton), JA das grenzt an Kitsch, aber der Lohengrin verträgt das.
Tannhäuser: 1983 MET von Schenk war diesmal ein Fehlgriff trotz der wunderschönen Kulissen und Kostüme: einfach nur LANGWEILIG, ich dachte schon, der Tannhäuser gefiele mir als Oper nicht. (Fast) überflüssig auch der Kauf 2008 Baden-Baden von Lehnhoff (mit Gambill und Nylund). Obwohl Nylund eine wunderschöne Elisabeth ist, hat mich nur eine Nummer wirklich umgerissen: Trekel mit "O du mein holder Abendstern", für dieses Maß an Ausdruck nehme ich sogar seine Grimassen in Kauf, mit denen er den überirdischen Gesang hervorbringt.
Absolut SUPER dagegen 1978 Bayreuth von Friedrich (mit Wenkoff und Jones).
Jetzt bin ich auf der Suche nach einem mich begeisternden Ring, danach auch Parsifal und Tristan.
Könnt ihr mir Tipps geben? Nachdem ich mich durch diese 71 Seiten hier gelesen hatte, dachte ich durch die Kommentare von rolf schon, der Ring von Boulez wäre das ein einzig Wahre für mich und habe mir die Links zur Walküre angesehen ("Leb wohl, du kühnes herrliches Kind") - JA, das war wunderbar. Aber dann hab ich mir die Parallelstelle vom MET-Ring mit Morris angesehen...ehem....also...hat mir schon auch gut gefallen.... Rolf, hast du noch Tipps für andere Stellen die ich v.a. vom Schauspielerischen her vergleichen könnte? Andere haben mir auch die Valencia-Inszenierung empfohlen...
Beim Tristan hab ich bisher von den Rezensionen her an die Version mit Gambill/Stemme gedacht. Gibt es Links von Schlüsselstellen, die Vergleiche zur Inszenierung von Müller ermöglichen? Oder doch die Bayreuther Inszenierung von Ponnelle?
Beim Parsifal hab ich bisher auf youtube v.a. in die Inszenierungen 1993 MET und 1981 Bayreuth geschaut: beide schön (mit leichter Tendenz zu Bayreuth), aber doch nicht völlig faszinierend. 2004 Baden-Baden fällt trotz des eindrucksvollen Amfortas (Hampson) flach: Kostüme und Kulissen sind zu verfremdend für mich. Ich dachte zuletzt an 1998 Bayreuth mit Elming - aber weiss jemand, ob die Untertitel da wirklich nur auf Englisch sind??
Freue mich auf Tipps,
Leu