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Hallo allerseits,
Der Klavierbauer war nun heute morgen da.
Ich habe mich langsam an die Sache herangetastet, ihm erklärt, dass mir Dinge aufgefallen sind, dass ich mich in Foren informiert habe, in die Problematik hineingelesen habe, usw. usw., und habe ihm dann den Befund des Steinway-Technikers gezeigt. Sofort merkte man an der Reaktion, dass er meinte, der Steinway-Tech. wolle ihm eins auswischen...
(Zwischenbemerkung: "mein" Klavierbauer hat vor vielen Jahren den Steinway-Techniker mal dazu gezwungen, ein Klavier, wo unwissend der Bohrwurm drin war, von einer Kundin zurückzukaufen. Der Steinway-Techniker sagte mir neulich schon, dass der Befund, den er mir geschrieben hat, für meinen Klavierbauer wie ein Racheversuch aussehen könnte. Und es scheint, mein Verkäufer hat ihn tatsächlich so aufgefasst.)
Daraufhin habe ich mich schlicht auf die vielen, unabhängigen Urteile berufen, die ich aus den Klavierforen habe.
Anfangs brachte er den Einwand, dass man kein 90 Jahre altes Klavier in einem Neuzustand erwarten könne. Das räumte ich auch ein, aber sagte dann, dass man mich einstimmig davor gewarnt hat, der Basssteg könne jederzeit das Zeitliche segnen. Und das ist nun mal keine gute Voraussetzung für ein Klavier, welches man 20, 30, 40 Jahre behalten und spielen will. Und er hat ja GEWUSST, dass ich ein Klavier suche, welches bei redlicher Wartung 20, 30, 40 Jahre halten soll. ("Da werden sogar noch ihre Enkelkinder drauf spielen.") Am Basssteg hat sich dann das seriöse Gespräch "eingefunden".
Schließlich hat er dann eingewilligt, das Klavier im neuen Jahr abzuholen (Ende Januar oder Anfang Februar, weil er im Dezember und Januar verreist, und wir im Dezember auch) und folgendes auf seine Kosten zu reparieren:
1) Basssaiten entfernen, Basssteg abfräsen (schlagt mich nicht, wenn die Terminologie nicht 100% stimmt), Stegdoppel aus Buche anfertigen und einleimen, Saiten aufziehen. In dem Zusammenhang ggf. die ein, zwei tauben Saiten erneuern. Er meint, der taube Ton liegt definitiv an den Saiten, nicht dem Steg. OK, das ist seine Beurteilung, die ich ihm nicht absprechen kann.
2) Mechanik:
... a) er sieht keinen Grund, alle Dämpfer zu erneuern, wie der Steinway Tech das eigentlich vorgeschlagen hatte. Aber er sah ein, dass die Dämpfer gerade im Übergang Bass-Tenor nicht mehr gut sind. WAS er nun genau daran macht, ist mir noch nicht ganz klar.
... b) Einige Nussdruckfedern stehen von der Nuss ab, z.B. am Mittel-C, welches auch oft doppelt anschlägt, oder zur Saite fällt während die Taste gehalten bleibt. Diese Federn würde er ersetzen, so dass (laut seiner Aussage) die Hämmer dann nicht mehr zur Saite fallen, und das doppelte Anschlagen beseitigt wird. Er meinte, im Gegensatz zu Michael und zum Steinway-Tech: es ist nicht bei allen Klavieren so, dass der Hammer unter seinem eigenen Gewicht zur Hammerbank zurückfällt - daher habe man ja die Federn eingebaut. Gut, das muss ich ihm wohl glauben. Solange das doppelte Anschlagen behoben wird, bin ich auch schon glücklicher.
... c) Schwergängige Achsen: er sagt nach wie vor, dass Ballistol nicht verharzt. Er habe vor Jahren Achsen mit Ballistol gängig gemacht, und sie seien bis heute gängig. Mir scheint, er will nicht in die gesamte Mechanik neue Stifte einbauen. Aber er sieht ein, dass sie gängig gemacht werden muss. Vermutlich will er sie also mit Ballistol bearbeiten.
(Übrigens, seine erste Reaktion beim doppelt-anschlagenden Mittel-C war, die Bändchenluft zu verringern, damit das Bändchen den Hammer zurückzieht, aber das nur nebenbei...)
... d) Hämmer, die nicht in einer Flucht liegen, besser bzw. genauer einleimen / richten / einstellen / was-auch-immer.
... e) Mechanik regulieren.
3) Der Riss im Resonanzboden sei nicht kritisch, aber wenn, dann würde er ihn nicht mit Epoxy füllen, sondern (vermutlich von außen?! bin mir nicht sicher) einen Span einleimen. Da müssen wir noch klären, ob er das macht - jetzt, oder später, oder überhaupt... Ich würde es ja gerne jetzt machen lassen, zumal der Riss noch vor der ersten Rippe liegt.
Dann sagte er, ich solle nochmal bei ihm vorbeischauen. FALLS ich unter den Instrumenten, die er mittlerweile hereinbekommen hat (u.a. ein Rönisch aus derselben Zeit, ca. 1920), etwas sehe, was mir gefällt, wäre er bereit, das Ed. Seiler auszutauschen. Ansonsten sei er aber zur Reparatur bereit.
Soweit zum Gespräch.
Ich denke, wo er mir eine kostenlose Reparatur anbietet, ist es nicht redlich, ihm dazu keine Gelegenheit zu geben. Wenn er sagt, er bringt das Klavier kostenlos in Ordnung, dann (so finde ich) kann ich nicht darauf bestehen, dass er es zurücknimmt. Deswegen bin ich darauf eingegangen. Ich werde ihn aber trotzdem am Samstag mal besuchen, zumal die anderen Instrumente mich interessieren, wo ich mich nun etwas besser auskenne - aber ich denke, ich werde nicht auf einen Tausch eingehen. Vielmehr werde ich bis Samstag schriftlich festlegen, was gemacht werden soll, und ihn bitten, das zusammen mit mir zu unterschreiben.
Auch überlege ich, mir das Recht vorzubehalten, dass die Reparaturen von einem unabhängigen Klavierbauer (FALLS es sowas überhaupt hier gibt) begutachtet und "abgesegnet" werden, bevor ich das Klavier zurückbekomme. Falls er was gegen den Steinway-Tech hat, hole ich halt jemand anders. Dann weiß er zumindest, dass er Qualität zu liefern hat.
Die Garantie hat er mir übrigens mitgebracht, ich habe sie aber nur kurz überflogen.
Gestimmt hat er das Klavier jetzt nicht (bis auf einen Ton, der ziemlich schwirrte) - das verstehe ich auch - und deswegen habe ich das Gespräch auch gleich zu Anfang eingeleitet, damit er nicht erst eine ganze Arbeitsstunde verliert, bevor ich meine Geschosse auffahre.
Also soweit erstmal von hier.
Ich denke, notfalls muss ich "nach vorne fliehen", indem ich die Reparatur jetzt erstmal machen lasse, und falls das Klavier uns dann immer noch keine Freude macht, müssen wir es dann halt anderweitig zu verkaufen versuchen.
Gruß,
Mark