Wie viel kostet euer Klavierunterricht?

Nur weil jemand an einer Hochschule war, muss er ja nicht jeden Schüler auf Hochschulniveau unterrichten. Die Kunst besteht ja darin, sich auf den jeweiligen Schüler einzustellen. Es mag Lehrende geben, die das auch so "drauf haben", aber bei gut ausgebildeten Lehrern dürfte die Trefferquote diesbezüglich höher sein.
 
Wenn ein Arzt als Putzkraft arbeitet, bekommt er auch nur ein Putzkraftgehalt.

Das ist korrekt. Was an diesem Vergleich hinkt: Der Arzt hat definitiv etwas anderes studiert und seine Qualifikation liegt nicht im Bereich der Gebäudereinigung. ;-)Er erledigt den Job also auf dem Niveau einer unausgebildeten Hilfskraft.

Das Hauptproblem ist doch, dass studierte Klavierlehrer mit Hochschulabschluss für die allermeisten Schüler überqualifiziert sind.Viele Schüler oder Schülereltern wollen keinen guten Unterricht oder sie verstehen unter guten Unterricht was anders als was Klavierlehrer drunter verstehen

Das kann ein Insider natürlich viel besser beurteilen als jemand "von der anderen Seite der Barrikade". Grundsätzlich ist es aber wünschenswert, schon Anfängern die bestmöglichen Lehrkräfte zu gönnen.

Dass Handwerker ordentlich bezahlt werden wollen, ist doch klar, sie arbeiten ja, aber Klavierlehrer sitzen doch nur da, oder?

Ich höre da eine Prise Resignation heraus. Dieses Schicksal teilen allerdings alle, deren Tätigkeit keine unmittelbar nachweisliche Wertschöpfung generiert. Geistes- und Sozialwissenschaftler kennen solche Einschätzungen ebenso wie Sporttrainer und sicher noch andere Berufsgruppen, unter deren Tätigkeitsprofil Laien sich nichts Konkretes vorstellen können. Sogar Lehrer an Schulen teilen dieses Verdikt. :-(

Im Vergleich zum Stundenhonorar eines Strafverteidigers ist das aber noch Peanuts.

Wenn viel vom Ergebnis der Dienstleistung abhängt, ist auch der Laie bereit, den aufgerufenen Preis zu bezahlen. "Klavierunterricht" würde ich, besonders auf Hobbyebene, tatsächlich anders einordnen. Nach meinem Dafürhalten sollte es eine klare Staffelung entsprechend der Qualifikation geben, wie es im Sportbereich absolut üblich ist.
 
Mein Paradebeispiel: Man schmeckt mit Sicherheit den Unterschied zwischen einem Spiegelei, das ich gebraten habe und einem, was ein Sternekoch gezaubert hat. Und warum? Weil sich selbst Fähigkeiten und Wissen der höchsten Qualifikationsebene bis nach ganz unten auswirken. Ich bin davon überzeugt, dass das auch für den Klavierunterricht gilt. Wer so schön Klavierspielen kann, dass auch Kenner es genießen können, der hat Kenntnisse über Zusammenhänge, Musikalität und vor allem die "Aufschlüsselung" in benennbare Parameter der Klaviertechnik, dass er dieses Wissen auch in entsprechender Anpassung einem Anfänger zugänglich machen kann. Klingt kompliziert - ich spreche z.B. vom Verständnis und der Gestaltung von Phrasen, Rhythmus, Auftakt und so weiter.

Gleichzeitig gilt aber dennoch: Ein Professor der Studenten unterrichtet braucht andere Fähigkeiten als jemand desselben Spielniveaus, der Kinder und / oder Anfänger unterrichtet. Von dem Standpunkt aus betrachtet muss der Anfänger-Lehrer sogar zusätzliches Wissen haben.
Und natürlich ist er in dem Sinne "überqualifiziert", dass er vielleicht eher selten Chopinballaden unterrichten wird oder in einer Haydn-Sonate an den Punkt gelangt, wo die Musik wirklich witzig, lebendig und im kleinsten Detail überlegt und gut klingt.

"Überqualifiziert" kann man also so oder so auslegen - einmal stimmt's, einmal stimmt's nicht...

Unterforderung und Langeweile ist übrigens etwas anderes :-D
 
Hi,

Wenn meinetwegen Krystian Zimerman die ersten Übungen aus der russischen Klavierschule spielt, klingt das sicher besser als wenn eine 60 jährige alte Dame, die gerade mit dem Klavierspielen angefangen hat, dieselben Übungen spielt.

Würde die Dame aber XXXX Euro ausgeben, um von Zimerman unterrichtet zu werden, wo die Taste "G" auf dem Klavier liegt und dass Tatüü-Tataa eine Quarte ist? Wenn die Dame dafür XXXX Euro tatsächlich ausgeben möchte, geht es ihr nicht eher um den Hype um seinen Namen? Oder geht es wirklich darum, dass ihr die hohen Zusammenhänge wichtig sind und deshalb nur Zimerman gut genug für sie ist, um ihr das Tatüü-Tataa Stück zu erklären, und sie ihn seiner Qualifikation entsprechend bezahlen will?

Beim Spiegelei kann man das Ergebnis bestimmt mit vielen Faktoren beeinflussen, wie Kupferpfanne, Antihaftpfanne, Gasherd, Elektroherd, Induktionsherd oder doch Ofen, Größe und Frische der Eier, Futter der Legehennen, Öl oder Butter oder Speckfett, die Temperatur, Vorerhitzen, Oberhitze, Unterhitze usw.

Wie viele Spiegeleibräter würden aber XXXX Euro ausgeben, um die hohe Kunst der Spiegeleizubereitung zu meistern. Reichen kostenlose Tutorials nicht aus?

http://eatsmarter.de/video/das-perfekte-spiegelei-braten

Eine Frau auf Diät brät aber trotz der guten Ratschläge doch lieber ohne Öl, und eine Mutter will auch nicht die ganze Zeit nur das Spiegelei im Blick behalten.
 
Ja, ich brauche auch kein Spiegelei für 100 Euro, alle Vergleiche hinken, das haben Vergleiche so an sich, sonst könnte man ja gleich den Originalfall nennen.
Mir ist schon klar, dass man das alles in Extreme bringen kann, wo es keinen Sinn mehr macht. Zimerman ist so ein Ausnahmemusiker, dass man sein Talent in der Tat nicht an Anfänger "verschwenden" sollte, es sei denn, sie zeigen eine sehr außergewöhnliche Begabung.

Selbstverständlich ist alles eine Frage des Preises, und wer nur mal ein bisschen klimpern will, braucht auch nicht sofort den besten Lehrer der Region. Allerdings könnte es dann sein, dass ihm die Lust am Klavierspielen gleich vergeht, weil der Unterricht eben fad ist.
Ansonsten bleibe ich dabei, dass sich höhere Qualifikation auch auf den Anfangsunterricht auswirkt, wenn der Lehrer sein Wissen denn vermitteln kann.
 
Ohh, es gibt schon passende Beispiele für das, was Stilblüte meint:

Ich hatte so ein Schlüsselerlebnis. Beim Fliegenfischen (dem Klavierspiel hinsichtlich der sensiblen motorischen Anforderungen nicht unähnlich) kommt immer wieder mal der Punkt, wo "technisch nix mehr richtig funktioniert". Da kann man nun zu vielen Lehrgängen von normal guten Lehrern gehen und dann halt in der Gruppe dann am Tag seine 100-200,- zahlen. Habe ich zwei, dreimal gemacht. Ja, davon wird man besser, aber DER Problemlöser für das zeitweilige "Zusammenbrechen der Technik" ist nicht dabei.

Dann ist mir das wieder passiert. Zufällig wurde ich von einem Profi, den ich gar nicht engagiert hatte, dabei beobachtet. Der kommt herangeschlendert, sagt: "Leg Deine Rute weg" und drückt mir 5 Kieselsteine in die Hand. "Schmeiß sie weg!", sagt er. Ich folge irritiert und engeistert. Danach nochmals 5 Kieselsteine...

"Jetzt konnst widda fischn! Und: Petri", sagt er und haut wieder ab. Ich nehme die Rute und ... voila - die Technik stimmt wieder. Besser und natürlicher als vorher. Seitdem ist der Punkt des temporären Zusammenbrechens der Technik für mich nicht mehr existent. Dieser 2 min "Unterricht" war also mehr wert als 6 Tage konzentrierten Lernens!

Das, was der Profi mir vermittelt hat, war das gleiche, was einen Superlehrer von einem guten unterscheidet: Schlüsselerlebnisse, die mit winzigen, anstrengungslosen Korrekturen langfristig große Wirkung entfalten.

@rolf hat mir auch mal so ein Erlebnis beschert (nochmals Dank!!!), als er mich klarmachte, dass ich die Taste als Trampolin für meinen Finger sehen und deren Aufwärtskraft nutzen soll... Eine kleine Bemerkung nur, aber eine große Wirkung.
 
Selbstverständlich ist alles eine Frage des Preises, und wer nur mal ein bisschen klimpern will, braucht auch nicht sofort den besten Lehrer der Region. Allerdings könnte es dann sein, dass ihm die Lust am Klavierspielen gleich vergeht, weil der Unterricht eben fad ist.

Hi,

Ich bestreite nicht, dass die Qualifikation des Lehrers auch auf den Anfängerunterricht auswirkt. Hier geht es aber um das Honorar.

Wird jemand, der nur mal etwas klimpern will, auch bereit sein, den guten Lehrer entsprechend seiner Qualifikation zu bezahlen? Studierte Lehrer mit Abschluss sind alle mehr wert als 30 Euro die Stun

Die Lust am Klavierspielen kann auch dann vergehen, wenn der Unterricht zu gut oder zu streng ist. Eine alte Dame, die gerne klimpert und der egal ist, wenn sie aus einem 3/4 Takt einen 4/4 Takt macht, wird es nicht mögen, wenn der gute Lehrer versucht, den Rhythmus zu korrigieren. Der Lehrer muss in dem Falle unter seinem Niveau unterrichten, wenn er die Dame nicht kündigen will.

Dann ist mir das wieder passiert. Zufällig wurde ich von einem Profi, den ich gar nicht engagiert hatte, dabei beobachtet.

Er hat Dich deshalb außer der Reihe angesprochen, weil er Dich zufällig gesehen hatte und gedacht hat, dass er Dir helfen kann.

Du wärst auch nicht von alleine auf die Idee gekommen, ihn als Lehrer zu nehmen, bevor er Dir das gezeigt hat. Und Du wärst auch nicht von alleine auf die Idee gekommen, ihn seiner Qualifikation entsprechend zu bezahlen, bevor er Dir das gezeigt hat. Hast Du ihn für seinen Unterricht hinterher bezahlt und zwar mindestens 600-1200 Euro (was Du für 6 Tage Lernens gezahlt hättest)?

Würdest Du für den Preis regelmäßig bei ihm Unterricht nehmen?
 
Eine alte Dame, die gerne klimpert und der egal ist, wenn sie aus einem 3/4 Takt einen 4/4 Takt macht, wird es nicht mögen, wenn der gute Lehrer versucht, den Rhythmus zu korrigieren.

Wie kommst Du darauf?
Und würde sie es eher mögen, wenn der schlechte Lehrer versucht, sie zu korrigieren? Oder müsste sie einen Lehrer finden, der das nicht hört, was sie da spielt?

Irgendwie habe ich das Argument immer noch nicht verstanden.
 

Ich glaube, viele Leute wissen gar nicht wirklich was sie wollen. Und zwar so lange, bis sie merken, dass sie wollen, was sie bekommen! Oder auch, dass sie es nicht wollen. Aber vor allem der erste Fall ist bemerkenswert.

Es kommt also jemand zum Unterricht und sagt "ich möchte Klavierspielen lernen". Was heißt das jetzt? Das kann alles mögliche heißen! Von "ich möchte das können, was der Klavierverkäufer immer so eindrucksvoll macht" über "ich möchte ein bisschen Yiruma klimpern" über "die Beethovensonaten haben mich schon immer fasizinert" bis hin zu "Klavierspielen wird zu meinem einzigen Hobby, und der Großteil meiner Freizeit geht da hinein". Weiß der Klavierschüler das, bevor er weiß, was er eigentlich tut? Vielleicht nicht.

Spaß kommt nach dem Können, Motivation kommt mit dem Spaß, Ehrgeiz mit der Motivation. Wenn man wirklich gefordert wird, erwacht vielleicht in manchem plötzlich ein neuer Anspruch und Ziele, von denen er vorher gar nicht wusste, dass sie da sind.
Wenn das so ist, kann das z.B. für ein Kind auch Gold wert sein, nicht trotz, sondern auch gerade wegen des Stresses in der Schule.

Und wenn es nicht so ist, wird das der Klavierlehrer auch merken. Man kann ja miteinander reden. Aber gleich von Anfang an den Anspruch runterschrauben, weil jemandem vielleicht mehr abverlangt werden könnte, als er will, bevor er das selbst weiß?
 
Hi Dorforganisten,

Ich habe versucht zu erklären, warum die meisten Schüler nicht bereit sind, Honorare zu zahlen, die der Qualifikation des Lehrers entsprechen.

Bei der Dame muss auch der gute Lehrer Abstriche in seiner Leistung machen. Wenn die Dame sich auf den Unterricht freut und den Klavierunterricht als Höhepunkt der Woche sieht, kommt es nicht drauf an, ob sie lernt, den Walzer richtig im 3/4 Takt zu spielen (und sich dabei als eine alte Versagerin zu empfinden). Ob der Lehrer von seiner Qualifikation her Rachmaninov Konzerte spielen und unterrichten kann, spielt keine Rolle.
 
Wenn die Dame sich auf den Unterricht freut und den Klavierunterricht als Höhepunkt der Woche sieht, kommt es nicht drauf an, ob sie lernt, den Walzer richtig im 3/4 Takt zu spielen (und sich dabei als eine alte Versagerin zu empfinden).

Ich verstehe diese Schlussfolgerung nicht. Warum sollte es nicht möglich sein, sowohl die Freude am Spielen, am Unterricht, als auch einen Lernerfolg und Fortschritte zu erleben?
 
Wenn Du sagst, dass sich die Dame als Versagerin fühlen würde, wenn sie ihren Walzer korrekt spielen soll, dann klingt das für mich danach, also ob Du die Gleichzeitigkeit von Lernerfolg und Spaß an der Sache ausschließen würdest. Wenn das nicht gemeint war, gut.
 
Hi Dorforganistin,

Ich wollte nur sagen, dass der Lehrer unter seinem Niveau unterrichtet, wenn er seine Ansprüche der Schülerin anpasst, nachdem er natürlich vieles versucht hat, weil er die Schülerin nicht komplett aufgeben will.

Genau in dem Fall:

Und wenn es nicht so ist, wird das der Klavierlehrer auch merken. Man kann ja miteinander reden.
 
Ich habe versucht zu erklären, warum die meisten Schüler nicht bereit sind, Honorare zu zahlen, die der Qualifikation des Lehrers entsprechen.

Der Grund dafütr isdt ein ganz einfacher. Weil sie nicht wissen, wie sehr sie davon profitieren.

Otto Normalo geht auch 20 x zum 08/15 Orthopäden wegen seines Rückens (auf Kasse) , bevor er bereit ist, einen Stundensatz von gut 500,- für eine internationale Koryphäe zu berappen. Denn er weiß zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die Koryphäe nur 10 Minuten braucht, um ihm wirklich zu helfen. Und dann eben nur 80,- abrechnet.

PS. Otto Normalo war ich - vor langer Zeit.

PPS. Die Kunst ist, die Koryphäen von den Schaumschlägern zu trennen. Das ist der schwierige Part. Und diese Suche kann halt viel mehr kosten (Zeit &Geld), als mancher aufbringen kann.
 
Hi fisherman,

Der Vergleich hinkt, weil der Orthopäde selber arbeitet. Beim Unterricht muss der Schüler auch mitwirken, damit das Lehrerhonorar was bringt.
 
Nein! So wie ein toller O. einen Impuls setzt, um ein Blockade zu lösen, so setzt ein guter Lehrer einen Impuls, der OHNE Arbeit einen Entwicklungssprung bewirkt. Für "Sprünge" mit Arbeit genügen normale Lehrer. ;-)
 

Zurück
Top Bottom