Was mir im Klavierunterricht gefehlt hat?
Spontan hätte ich gesagt, eigentlich gar nichts.
Nach längerem Nachdenken fällt mir ein, dass es in der Zeit, in der ich schon länger spielte und meine Lust auf interessante und "anspruchsvollere" Klavierstücke wuchs, zu einer Art stillen fachlichen Entfernung zwischen meiner Lehrerin und mir kam. Kaum spürbar, aber doch vorhanden. Sie wollte nicht, dass ich bestimmte Stücke spielte (ich wollte z.B. Gershwin und bekannte Chopin-Etüden spielen), es war ihr nicht recht, wenn ich Stück x im Schulkonzert spielte, ich sollte nur unbekannte Sonaten von Beethoven spielen (ich übte stattdessen heimlich die Pathétique und die Appasionata), und auf Probleme wie Schmerzen in der Hand kam keine richtige Antwort. In einem Schulkonzert spielte ich zwei Chopin-Etüden, davon eine von ihr ausdrücklich "verbotene" (die sie dann letztlich "duldete"), was die Sache auch nicht besser machte [Das Konzert lief super und ist eines meiner schönsten Klaviererlebnisse].
Heute würde ich alle diese Dinge offen ansprechen, aber damals dachte ich, dass ich fürs Klavierspielen letztlich nicht geeignet bin und irgendetwas dauerhaft grundlegend falsch mache, ohne zu wissen, was dieses "etwas" ist. Einige Zeit danach beendete ich das Klavierspiel für fast 20 Jahre und wendete mich interessanteren Dingen zu.
Was ich sehr gut im Unterricht fand: Meine Lehrerin gestaltete ihren Unterricht so, dass ich selbstständig wurde und letztlich ohne Lehrer klarkomme. Sie hat nie gelobt (das würde ich als Lehrerin anders machen, aber vielleicht war es gut so, wie es war). Sie hat mich durch ihr Vorbild gelehrt, genau hinzuhören und hinzufühlen und mich in das Klavierspielen mental zu versenken. Ich habe unfassbar viel von ihr gelernt, auch menschlich. Sie war durch und durch Pianistin.