Professioneller Klavierunterricht
Liebe Diskutanten,
Auch ich habe diese Diskussion aufmerksam verfolgt und möchte hiermit auch einmal einige grundlegende Erfahrungen und Beobachtungen zur Diskussion beitragen.
Zunächst fällt mir auf, daß eine rein quantitative Sichtweise zur Beurteilung ob ein Instrumentalunterricht erfolgreich und somit sein Geld Wert ist, meines Erachtens nicht zielführend ist.
Es sind unglaublich uninformierte und wenig reflektierte Beiträge zu beobachten, in denen einzelne Personen ihrem Unmut Luft machen, warum der betreffende Lehrer zB vom Schüler versäumte Unterrichtsstunden nicht nachholt, ob in der Ferienzeit (bezahlter) Unterricht stattfindet oder nicht, ob jährlich 35,36,38 oder 40 Unterrichtseinheiten statt finden... !
Aus Lehrersicht ist der Sachverhalt sehr einfach: wenn der Schüler fleißig ist, den Klavierstunden Interesse und Wertschätzung entgegenbringt, die Klavierstunden von sich aus regelmäßig wahrnimmt, an Vorspielen und Schülerkonzerten teilnimmt, dann wird der Betreffende Schüler bei einem guten oder sehr guten Pädagogen Fortschritte machen, sein Klavierspiel wird sich verbessern und irgendwann ein wertvoller und von Außen geschätzter Teil seiner Persönlichkeit werden, auch wenn der betreffende Schüler im Einzelfall einmal krankheitsbedingt eine Klavierstunde nicht nutzen kann oder sein Lehrer im Einzelfall ein mal pro Halbjahr krankgeschrieben ist und der Unterricht ausfällt.
Die Gegenfrage ist hier: wie oft lassen Schüler, Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene ihre Klavierstunden ungenutzt aufgrund von Absagen aus weniger wichtigen Gründen oder schlicht und einfach, weil sie sich ungenügend vorbereitet (geübt!) haben?
Mir geht es so, und dieses Gleichnis erzählte ich einmal meinen Klaviprofessor, als wir uns irgendwann nach meinem Studium in der Frankfurter Musikhochschule trafen: "Wenn
von 12 Schülern täglich manchmal 9 kommen, die sich kaum oder gar nicht vorbereitet haben, fühle ich mich wie ein Frisör, wenn ein Kunde mit Glatze zur Tür hereinkommt, dabei möchte ich doch in der betreffenden Klavierstunde so gerne mit dem jeweiligen Schüler arbeiten..."
Daraufhin lachte mein Professor:" Da bleibt eben nur Glatze Polieren!"
Ob ein Schüler einen Intsrumentalunterricht also gewinnbringend für sich nutzen kann, ist also am wenigsten wichtig, ob zB vom Schüler abgesagte Stunden nachgeholt werden.
Im Gegenteil: holt man diese nach sinkt die Wertschätzung und der Respekt und der Schüler wird das in vielen Fällen dann öfters tun (so sind nun einmal die Menschen, es mag im Einzelfall Abweichungen geben...), und er wird weniger Gewinn (Fortschritt, Motivation) für sich herausbekommen.
Eben so verhält sich das oft, wenn zB die Großeltern den Klavierunterricht für ihr Enkelkind zahlen: nach meiner Beobachtung lassen in diesen Fällen die Eltern des Kindes deutlich öfter die Klavierstunden aus weniger wichtigen Gründen ausfallen, als wenn sie den Unterricht selbst bezahlen würden.
Nun zum Thema "Schulferien": hier geben die städtischen und kommunalen Musikschulen den Ton an, es wird eine Garantie von 36 Jahreswochenstunden mindestens zu Grunde gelegt, diese sollte nicht unterschritten werden, wird sie in der Regel auch nicht!
Möchte nun ein privater Anbieter seine Monatshonorare definieren kommt er um den Vergleich mit den städtischen Musikschulen nicht herum: Er kann zum Beispiel nicht zum selben Preis 43,45 oder 47 Jahreswochenstunden anbieten. Sein Monatsbeitrag müsste dementsprechend steigen!
Nicht verstehen kann ich den weit verbreiteten Irrtum der Schüler, in der Ferienzeit werde Unterricht bezahlt, der nicht stattfindet. In jedem vernünftigen Vertrag steht, das mit den zwölf gleichen Monatsbeiträgen lediglich die 36 garantierten Jahreswochenstunden bezahlt werden. Somit kann sich auch jeder leicht den Preis für eine einzelne Unterrichtseinheit ausrechnen.
In den 36 garantierten Jahreswochenstunden sind idR auch schon vorsorglich 2 krankheitsbedingte Ausfälle der Lehrkraft eingepreist.
Grundsätzlich bleibt für die Eltern zu beobachten ob ein Instrumentalunterricht erfolgreich ist, ob das Kind Fortschritte macht, das Kind motiviert und gerne zum Instrumentalunterricht geht, ob das Kind regelmäßig übt, insgesamt lässt sich das sehr gut an den jährlich mehrmals stattfindenden Schülervorspielen ablesen.
Grundsätzlich ist auch zu beachten, dass die städtischen Musikschulen subventioniert werden und darüber hinaus von der Mehrwertsteuer befreit sind. Private Anbieter sind dies in der Regel nicht. Daher lässt sich hier die Spreu vom Weizen trennen: Anbieter die einen qualifizierten Unterricht anbieten, können sich in der Regel von der Mehrwertsteuer befreien lassen, während Anbieter die kein abgeschlossenes Hochschulstudium vorweisen können bzw. deren Unterricht weniger qualifiziert ist die Mehrwertsteuer auf ihre Unterrichtspreise aufrechnen müssen.
Insgesamt gilt auch: je professioneller und hauptberuflicher ein Pädagoge seinen Unterricht bestreitet, umso höher ist der Druck für ihn gut zu sein! Je mehr wird es jedoch auch für ihn notwendig sein, seinen Unterricht durch Regeln
und Verträge zu strukturieren.
D.h. ein hauptberuflicher Instrumental Pädagoge hat eigentlich immer den Druck gut zu sein und sich zu verbessern was natürlich auch seinen Schülern zugute kommt.
Ein nebenberuflicher hingegen wird anbieten, zu seinen Schülern nachhause zu kommen,
wird höchstwahrscheinlich etwas unqualifiziertes über die Ferien Regelung faseln, und so versuchen seine Hauptberuflichen Kollegen auszustechen, aber ob ein solcher Anbieter, um den Begriff "Lehrer" zu vermeiden, in der Lage sein wird bei einem Kind ein gutes und profundes Instrumentalspiel von der Pike auf aufzubauen, und zwar so, dass nicht irgendwann die spieltechnschen Hürden so hoch sind, dass ein Schüler in der Literatur nicht mehr Fortschreiten kann und eben dann total frustriert ist, bleibt zweifelhaft, und somit auch, ob das von den Eltern somit angelegte Geld gut investiert ist.
Und hiermit zum letzten Punkt: Ein für den Schüler möglichst bequemer Unterricht muss nicht unbedingt der Beste sein! Ich persönlich habe in den Anfangstagen meines Unterrichts oft die Erfahrung gemacht dass die Klavierstunden bei den Schülern zu hause: nicht in einer konzentrierten Atmosphäre stattfinden: in manchen Fällen musste das Kind erst vom Nachbars Kind herüber geholt werden, oft fanden sich auf dem Tisch neben dem Klavier Gebäck und Getränke, gutgemeint, aber so etwas hat in einer konzentrierten Unterrichtsstunde nichts zu suchen. So manches Mal versuchten die Kinder in den eigenen vier wänden gegenüber dem Klavierlehrer als Chef aufzutreten. dies alles änderte sich nachhaltig als ich einen eigenen Unterrichtsraum bezog: Meine Schüler wissen, Sie müssen erstmal zu mir kommen und mir dann etwas Vorspielen, dann können Unterricht machen, Übrigens ein zentraler Faktor wenn es ums lernen geht. Das Gehirn funktioniert und lernt, wenn es sich erstmal selbst anstrengt, und nicht wenn ihm alles leicht gemacht wird!