Wie geht Ihr mit Konflikten im Klavierunterricht um?

Mir erscheint folgende Definition des Begriffs „Bedürfnis“ als gut, das ist auch so wie ich das auch verstehe: https://www.duden.de/rechtschreibung/Beduerfnis
1. Wunsch, Verlangen nach etwas
2. [materielle] Lebensnotwendigkeit; etwas, was jemand [unbedingt] zum Leben braucht
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Und hier kommt nun eine Schwachstelle des Gordon Modells:
Wer überprüft denn die Legitimation eines Bedürfnisses??

Einfaches Beispiel:
Die 7 jährige hat nicht geübt weil es ihr „Bedürfnis“ war mit ihren Freunden zu spielen, als sie Zeit zum üben hatte. Man stelle sich das vor. Das „Bedürfnis“ (lassen wir mal die Wertediskussion außen vor) der Lehrerin ist aber, dass der Schüler gefälligst üben soll.

Welches Bedürfnis zählt nun mehr? Ist ein sozialer Kontakt nicht auch wichtig? Ist ein Bedürfnis wichtiger als das andere ? Wer entscheidet das ?

Dieses und ähnliche Beispiele führen zu philosophischen Gedanken und Schwierigkeiten.

Als Lösung sehe ich hier nur ein fachliche klare Ansage des Lehrers, egal ob diese dem Schüler in seine Bedürfnisse passen oder nicht.

VLV

P.S.: Als nächstes kommt noch, dass man seine Unterrichtsmethoden nach den Bedürfnissen des/der Schülers/Schüler ausrichtet und dann mit einem Kompromiss unterrichtet, damit möglichst viele Bedürfnisse erfüllt werden.
 
Als nächstes kommt noch, dass man seine Unterrichtsmethoden nach den Bedürfnissen des/der Schülers/Schüler ausrichtet.
Genau das gibt es in der Pädagogik schon längst. Nennt sich „Schülerorientierung“. Das, was die Schüler interessiert und was sie lernen wollen, steht im Mittelpunkt dieses pädagogischen Ansatzes. Die Idee dahinter: Schüler verbinden sich am besten mit einem Lerngegenstand, wenn sie durch eigene Fragestellungen und selbst entwickelte Problemlösestrategien involviert sind. Das ist das Gegenteil des Eintrichterns, das nur zu kurzfristigen und oberflächlichen Lernerfolgen führt.
 
Genau das gibt es in der Pädagogik schon längst. Nennt sich „Schülerorientierung“. Das, was die Schüler interessiert und was sie lernen wollen, steht im Mittelpunkt dieses pädagogischen Ansatzes. Die Idee dahinter: Schüler verbinden sich am besten mit einem Lerngegenstand, wenn sie durch eigene Fragestellungen und selbst entwickelte Problemlösestrategien involviert sind. Das ist das Gegenteil des Eintrichterns, das nur zu kurzfristigen und oberflächlichen Lernerfolgen führt.

Wo wir gerade beim Thema Orientierung am Schüler sind....:zunge:

ich komme gerade wieder von einer ziemlich ernüchternden Stunde und muss meinen Frust rauslassen....ich hatte hier schon einmal von zwei pubertierenden Schülerinnen erzählt (14 und 15 Jahre), die am liebsten Einaudi spielen und alles was in diese Richtung geht. Bereits zu Beginn wurde mir von der Familie mitgeteilt, dass ich wohl bei den Stücken (welche gerne mal über vier Seiten gehen..) zu sehr auf Details eingehe und man deswegen ziemlich lange an den Stücken hängt....darunter verstehe ich Fingersätze, Artikulation, Dynamik, Agogik, Einhalten von Bögen, korrekten Rhythmus....ganz normale Dinge eben. Dann dachte ich "Ok, gehste weg von diesen unendlich langen Stücken und machst etwas kürzeres, was schneller geht". So hab ich letztens z.B. Stücke von Händel mitgebracht, die maximal eine Seite lang waren, wenn nicht sogar nur eine halbe. Und nun, nach ca. 3 Wochen an einer gerade mal halbseitigen Sarabande muss ich feststellen, dass diese nicht mal ansatzweise sitzt oder vernünftig geübt wurde.
Als ich dann schon mal Vorschläge für das nächste kurze Stück (zB. das bekannte Arabesque) gemacht habe, hieß es "Hm, die Stücke sind ja eher für Grundschüler.." O_O bitte was ??? Dass jemand, der es in drei Wochen nicht ansatzweise schafft, eine leichte Sarabande von zwei Zeilen zu spielen so einen Satz äußert..das hat mich echt platt gemacht...die Schülerin hat dann auch gestanden, dass sie diese Sarabande auch nicht so toll fand und es deswegen nicht gut damit lief.

Nun die Preisfrage: ich soll bei den langen Einaudi-Stücke, die beiden Spaß machen, nicht zu sehr kommentieren, aber einfachere Stücke, bei denen es womöglich weniger zu besprechen gibt und wo man eigentlich schnelle Fortschritte erzielen könnte (gut für die Motivation), soll ich auch nicht wählen, weil = zu einfach. Was soll ich bitte machen ? Das macht mich echt fertig...:cry2:
 
@Anna_
Also zunächst mal ist es die Situation nicht wert, dass du dich davon fertig machen lässt. Du brauchst deine Energie ja schließlich noch für andere Schüler. Es ist immer gut, wenn man sich als Lehrer klar macht, dass man nicht komplett für den Lernerfolg seiner Schüler verantwortlich ist. Du kannst nur nach bestem Wissen und Gewissen einen Input geben. Was die Schüler daraus machen, liegt nicht mehr in deiner Macht. Es braucht eine Weile, bis man diese gesunde professionelle Distanz zu seinem Beruf entwickelt hat. Aber diese Abgrenzung ist absolut notwendig.

Darüber hinaus würde ich mit diesen Schülerinnen die Problematik und das Dilemma ganz transparent besprechen. Versuche mit den Schülerinnen jeweils einzeln Lösungen zu entwickeln, Abmachungen, so ähnlich wie ein Vertrag. Betone deine Fachkompetenz, deine Unterrichtserfahrung, dein Studium.

Schlimmstenfalls: Trenne dich von diesen Schülerinnen, mit dem Hinweis, dass sie mit dieser Einstellung höchstwahrscheinlich keinen seriösen, guten Unterricht finden werden.
 
Du tust mir echt leid!!! Ich würde so gerne Händel oder klassische Etüden spielen. Letzte Woche 15min von 30min Unterricht versucht, es meiner KL zu erklären, sie hat versprochen mir ein anspruchsvolles Stück mitzubringen. Jetzt hab ich mich eine Woche auf eine Sarabande oder irgend etwas in der Richtung gefreut und es gab:Perfect von Ed Sheran. Ja genau, das, was bei den Klavierapps immer als Werbung läuft.
Vielleicht kann ich mit den beiden Mädels tauschen. Länger als eine Unterrichtseinheit dauert die Bearbeitung von einem Werk nämlich nie. Also Garantiert keine lange Weile!!
Am Samstag hab ich eine Probestunde bei einem anderern KL. Manchmal ist das für beide Seiten besser.
Praktische Tips kann ich dir leider keine geben! Außer dich an deinen begeisterteren Schülern zu erfreuen und den Rest einfach als Arbeit zu betrachten..
Ganz liebe Grüße,
Hekse
 
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Du tust mir echt leid!!! Ich würde so gerne Händel oder klassische Etüden spielen. Letzte Woche 15min von 30min Unterricht versucht, es meiner KL zu erklären, sie hat versprochen mir ein anspruchsvolles Stück mitzubringen. Jetzt hab ich mich eine Woche auf eine Sarabande oder irgend etwas in der Richtung gefreut und es gab:Perfect von Ed Sheran. Ja genau, das was bei den Klavierapps immer als Werbung läuft.
Vielleicht kann ich mit den beiden MädelsTauschen. Länger als eine Unterrichtseinheit dauert die Bearbeitung von einem Werk nämlich nie. Also Garantiert keine lange Weile!!
Am Samstag hab ich eine Probestunde bei einem anderern KL. Manchmal ist das für beide Seiten besser.
Praktische Tips kann ich dir leider keine geben! Außer dich ein deinen begeisterteren Schülern zu erfreuen und den Rest einfach als Arbeit zu betrachten..
Ganz liebe Grüße,
Hekse

Ich würde mit dir gerne Klassik spielen ;) tja, da haben wir beide wohl Pech gehabt. Wo wohnst du denn ?
 

Wenn ich nun mit ihr gleich Unterricht gemacht hätte, wäre die Welt für sie absolut in Ordnung, da es ja spannend gewesen wäre. Stattdessen habe ich ihr erläutert, dass wir jetzt wohl immer, wenn sie nicht geübt hat, langweilige Gespräche über Disziplin und Fleiß führen werden, statt uns interessanten Musikaufgaben zu widmen. Da hat sie geguckt!
Update: Gestern war die 7(bald 8)-jährige wieder da, diesmal mit Heft und Zusatzblatt, welches sie beim letzten Mal Mangels Heft bekommen hat. Übetabelle ordentlichst ausgefüllt. Bis auf einen Tag hat sie täglich geübt, fast immer alle 3 Aufgaben, einmal nur 2.
In dieser Unterrichtsstunde konnte ich mit ihr einen wesentlichen Schritt machen: den Übergang von „Spurenlesen“ zur Notenschrift. Tochter, Mutter und ich – alle zufrieden :-) (ja, ich weiß, der Fleiß wird nicht lange anhalten, aber steter Tropfen usw.)
 
In dieser Unterrichtsstunde konnte ich mit ihr einen wesentlichen Schritt machen: den Übergang von „Spurenlesen“ zur Notenschrift.

:021: Köstlich formuliert.


Selbst mit den größten Volldeppen im gleichen Wagen (z.B. feiernde Touristen, Fußballfans...) ist das in Berlin noch zigmal entspannter als im Straßenverkehr*, und da zähle ich sogar das Fahradfahren mit dazu.

Jo. Als Mann / Handwerker magst Du das so empfinden. :016:
 
ich hatte hier schon einmal von zwei pubertierenden Schülerinnen erzählt (14 und 15 Jahre), die am liebsten Einaudi spielen und alles was in diese Richtung geht. […]
Als ich dann schon mal Vorschläge für das nächste kurze Stück (zB. das bekannte Arabesque) gemacht habe, hieß es "Hm, die Stücke sind ja eher für Grundschüler.."
Sind das, was da an Unmut und Kritik kommt Äußerungen vom Schüler oder von den Eltern? Ich würde in jedem Fall im Gespräch mit dem Schüler mal vorsichtig ausloten, wo denn die Reise hingehen soll. Bei Einaudi bleiben? Klassik? Blues vielleicht? Rags? Und ich würde ihn (und ggf. die Eltern, wenn die das sind, die meckern) auf den Widerspruch hinweisen, den Du hier im Forum formulierst. Wenn einfache kurze Stücke nach drei Wochen keine Fortschritte machen, ist wohl mal angesagt, über den Fleiß beim Üben und die Erwartungshaltung des Schülers bei chronischer Faulheit zu reden.
 
Mein Ceterum Censeo ist ja der Film "Rhythm Is It" (unbedingt anschauen!).

Dort ist dokumentiert, wie man sich NULL nach den "Bedürfnissen" und Wünschen der Jugendlichen gerichtet hat, im Gegenteil: mit ihnen etwas gemacht hat, was nach den Glaubenssätzen heutiger Pädagogik deren Bedürfnissen und deren Lebenswelt diametral entgegengesetzt ist. Mit durchschlagendem Erfolg.

Das zeigt: Das "Was" ist letztlich sekundär. Entscheidend sind a) die klare, strenge, konsequente Rahmensetzung und b) das "Wie", die Art und Qualität der Durchführung.
 
:heilig: Viele benutzen diesen Begriff. Zuerst wird der Verlauf der Melodie mit Strichen angedeutet (das sind die Spuren, als ginge jemand hoch und runter, z.B. im Schnee, und da wo er länger stand, ist die Spur auch größer geworden); später werden die Notenlinien eingeführt, um die genauen Höhenunterschiede deutlich zu machen. Das Mädchen hat selbst gemerkt, dass die „Spuren“, schnell und etwas ungenau auf das Blatt gemalt, schwer zu deuten sind. So kamen wir zu den schwarzen und weißen Kringeln (die sie vorher auch schon kannte, denn ich benutze auch eine Magnettafel) und den Notenlinien (das war neu, aber nicht erschwerend, sondern hilfreich).

Jo. Als Mann / Handwerker magst Du das so empfinden. :016:
Das hervorgehobene habe ich nicht verstanden.
 
Mein Ceterum Censeo ist ja der Film "Rhythm Is It" (unbedingt anschauen!).

Dort ist dokumentiert, wie man sich NULL nach den "Bedürfnissen" und Wünschen der Jugendlichen gerichtet hat, im Gegenteil: mit ihnen etwas gemacht hat, was nach den Glaubenssätzen heutiger Pädagogik deren Bedürfnissen und deren Lebenswelt diametral entgegengesetzt ist. Mit durchschlagendem Erfolg.

Das zeigt: Das "Was" ist letztlich sekundär. Entscheidend sind a) die klare, strenge, konsequente Rahmensetzung und b) das "Wie", die Art und Qualität der Durchführung.

Lieber hasenbein,

was für Schlussfolgerungen man aus diesem sehr sehenswerten Film zieht, ist offensichtlich unterschiedlich. Ich ziehe da z.B. Schlussfolgerungen, dass Menschen, hier Jugendliche, ein Angebot brauchen, das in ihnen Bedürfnisse wachsen lässt, die vorher im Verborgenen geschlummert haben.

Dieses Angebot war hier ein sehr starkes. Es wurde viel Geld investiert, das Projekt stand im Zentrum der Öffentlichkeit, die Schüler durften mit dem privilegiertesten Orchester Deutschlands arbeiten und bekamen mit Maldoom einen hervorragenden Tanzpädagogen, der sehr viel Erfahrung mit solchen Projekten hatte und der sich dort engagierte, weil er es wollte. Er sagte:

"Diese Möglichkeit, als Katalysator Menschen zu ermöglichen, einen positiven Wandel in ihrem Leben herbeizuführen, war für mich faszinierend. Denn das hatte ich mir immer gewünscht, als ich als Jugendlicher gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt demonstrierte."
und

"Die Schule passte sich an meine Arbeitsbedingungen an, das war natürlich ideal. In anderen Fällen muss ich mich auch anpassen, aber ich lehne es grundsätzlich ab, in dem Vierzig-Minuten-Rhythmus einer Schulstunde zu arbeiten. Ich brauche mindestens drei bis sechs Stunden an einem Stück, und das an zwei oder drei Tagen die Woche für den Zeitraum eines Monats. Anders kann ich zu den Schülern nicht diesen intensiven Kontakt aufbauen. Sie sind zu vielen Einflüssen ausgesetzt, da müsste ich sonst immer wieder von vorne anfangen. So kann man nicht sinnvoll arbeiten."

Er hatte ein immenses Zutrauen zu den Schülern und dort trifft sich seine Einstellung mit meiner.

Viele in diesem Faden, auch du, urteilen sehr negativ über Menschen, Kinder, Jugendliche, die sich nicht so benehmen, wie sie es erwarten und für richtig befinden. Eine solche Einstellung und Kommunikation verbaut aus meiner Sicht jeglichen Zugang zu diesen Menschen. Ohne dieses Zutrauen, dass in der humanistischen Psychologie halt so ausgedrückt wird

„Keiner weiß besser, was ihm gut tut und für ihn notwendig ist, als der Betroffene selbst. Wir können einander also nicht beibringen, was für uns gut ist. Nicht mit noch so ausgeklügelten Techniken. Aber wir können einander dabei unterstützen, es selbst herauszufinden.“

(Schmid, Peter F.: Der personenzentrierte Ansatz Carl R. Rogers)

hätte das Projekt nicht funktioniert.

Es sind auch Schüler abgesprungen bei Maldoom. Aber die meisten haben begriffen, welche Chance sich ihnen bot mit diesem Angebot! Plötzlich fühlten und merkten sie, "ich kann ja was"! Das Selbstvertrauen, das sie dabei erworben haben, wirkte sich auch auf die anderen Bereiche ihres Lebens aus.

Aber dazu brauchte es von Seiten Maldooms einen unbedingten Willen, solchen Schülern zu helfen (starkes soziales Interesse), eine sehr große Klarheit (kein Lob, keine Strafen), eine klare und kompromisslose Vorstellung von der künstlerischen Arbeit und den dazu nötigen Voraussetzungen und das erwähnte bedingungslose Zutrauen zu den Teilnehmern, die er nicht in Schubladen steckte.

Dazu zitiere ich aus einem Interview - https://oya-online.de/article/read/91.html :

"Wir stehen jetzt hier in Europa vor der Herausforderung, die »UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen« umzusetzen, die allen Kindern das Recht am gemeinsamen Unterricht einräumt. Darüber gibt es in Deutschland gerade eine hitzige Diskussion. Reformpädagogen sehen die Möglichkeit einer Umsetzung dieser UN-Konvention nur in einer radikalen Veränderung des Schulsystems.

"Die Antwort liegt wahrscheinlich in einer Verbesserung des Unterrichtssystems und in dem Willen, nach neuen Lehrmethoden Ausschau halten. Es braucht aber auch besonders ausgebildete Pädagogen, die sich speziell um solche Kinder kümmern, die ihren eigenen Lernrhythmus haben. Aber ganz sicher können wir alle Kinder in einen gemeinsamen Lernprozess einbeziehen. Ich entscheide zum Beispiel nie, wer an meinen Tanzprojekten teilnimmt, ich nehme alle, die kommen. Ich habe in meinen Tanzprojekten mit Kindern mit Down-Syndrom gearbeitet, sogar mit Kindern, die taub oder stumm waren oder die im Rollstuhl sitzen. Ich sage nicht, dass das einfach wäre, aber wenn man sich anschaut, wie das mit einem künstlerischen Ansatz funktioniert, dann findet man vielleicht ganz neue Wege für den Unterricht. Manche Kinder brauchen sicherlich mehr Aufmerksamkeit, andererseits will man sie auch nicht isolieren. Wir müssen flexibler sein und auch menschlicher denken. Ich sage immer wieder: Es gibt keine Problemkinder, es gibt nur Kinder, die Probleme haben. Es ist ein Problem in dieser Welt, ein Kind zu sein! Wir sollten damit aufhören, Menschen in eine Schublade stecken zu wollen.""

Ich sehe also in allem sehr viel Übereinstimmung mit dem, was ich in diesem Faden gesagt habe! Ich bin auch der Meinung, dass du dir gerade diese letzten Aussagen Maldooms bzgl. des Schubladendenkens sehr zu Herzen nehmen solltest.

Man interpretiert immer gern die Dinge so, dass sie in die eigene Vorstellungswelt passen. Ich nehme mich da nicht aus, versuche aber immer, die Dinge differenziert zu betrachten.

Dort ist dokumentiert, wie man sich NULL nach den "Bedürfnissen" und Wünschen der Jugendlichen gerichtet hat, im Gegenteil: mit ihnen etwas gemacht hat, was nach den Glaubenssätzen heutiger Pädagogik deren Bedürfnissen und deren Lebenswelt diametral entgegengesetzt ist. Mit durchschlagendem Erfolg.

Das zeigt: Das "Was" ist letztlich sekundär. Entscheidend sind a) die klare, strenge, konsequente Rahmensetzung und b) das "Wie", die Art und Qualität der Durchführung.

Ich würde deinen Beitrag also folgendermaßen umschreiben:

"Dort ist dokumentiert, wie man mit einem sehr großen Anreiz, einem ganz besonderen Projekt, verborgene Bedürfnisse der Jugendlichen nach Selbstverwirklichung geweckt hat, die die bisherige Pädagogik und (problembehaftete) Erfahrungswelt der Jugendlichen nicht herausgebracht hat.

Das zeigt: Das "Was" ist letztlich sekundär (wobei die körperliche Komponente, das Eins-sein des Körpers mit dem künstlerischen Ausdruck sicher von Vorteil war). Entscheidend sind

a) der Wille, ein solches Projekt zu starten und sich dafür zu engagieren, was eine finanzielle und engagierte Vorleistung erfordert, die schon an sich ein Vorschuss an Vertrauen an alle Teilnehmer darstellt

b) bedingungsloses Zutrauen zu den Teilnehmern

c) äußerst klare Kommunikation, die das künstlerische Ergebnis und die künstlerische Arbeit kompromisslos immer an erste Stelle setzt und nie persönlich wird (Angriff...),

d) die Art und Qualität der Durchführung".

Da kann ich keinen Unterschied zu meiner Haltung erkennen. Es ist ganz klar, dass das Projekt deshalb funktionierte, weil die Schüler plötzlich Erfahrungen machten, dass sie viel mehr konnten, als sie dachten. Sie empfanden sich selbst gegenüber plötzlich ungewohnte Gefühle wie Stolz, Begeisterung, Glück, Selbstwirksamkeit. Das brachte etwas in Gang - sie wollten mehr. Also brachte es Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung in Gang, von denen sie bisher nichts gewusst hatten, die aber jeder Mensch besitzt nach der Hypothese Rogers.

Für Pädagogen in der Schule ist allerdings die Situation insofern sehr viel schwieriger, als dass sie nicht sagen können/dürfen, "dann kannst du bei dem Projekt nicht mitmachen". Sie sind mehr auf Kooperation angewiesen, damit der Unterricht funktioniert. Wie sich das auflösen lässt, weiß ich nicht. Du meinst, mehr Strenge wäre wichtig. Ich meine, es müssten andere Rahmenbedingungen geschaffen werden und es müsste mehr Klarheit in der Kommunikation stattfinden, bei der der Lehrer ein authentisches Gegenüber ist, an dessen Erwartungen ähnlich wie bei Maldoom die Schüler nicht vorbeikommen. Das Gordon-Modell ist aus meiner Sicht dazu hervorragend geeignet, gerade bei Konflikten.

Liebe Grüße

chiarina
 
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