Langeweile unwahrscheinlich...
Ein wenig Präzisierung des breitgefächerten Berufsbildes "Korrepetitor" scheint mir dringend geboten, wenn Äußerungen wie diese zu vernehmen sind:
@hasenbein
Korrepetitor ist kein Beruf, den man so anstrebt. (...) Korrepetitor ist ein schlecht bezahlter Scheißjob.
Solche Formulierungen diskreditieren diese Tätigkeit in reichlich schäbiger Art und Weise und können so nicht ohne Widerspruch im Raum stehen bleiben. Mittlerweile bieten etliche deutsche Musikhochschulen hierzu einen eigenen Studiengang an, wobei verschiedene Standorte in den Neuen Bundesländern hier Vorreiter waren - es empfiehlt sich, Informationen einzuholen, bevor man Unzutreffendes in die Welt setzt.
Korrepetitor wird man a) wenn man z.B. Dirigieren studiert hat und dann bei einem Theater / Opernhaus anfängt - dann ist man meist erstmal der Horst für alles und muß den ganzen Tag wie verrückt korrepetieren etc., ab und zu darf man auch dirigieren (die sogenannte Ochsentour)
Ob Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung oder ohne: Erwartet werden hervorragende pianistische Fertigkeiten bei der Bewältigung komplexer Klavierauszüge, wo das orchestrale Klangbild auf einen meist extrem vollgriffigen, oftmals ohne Reduktionen so kaum spielbaren Klaviersatz übertragen wird. So virtuos originale Literatur (Chopin, Liszt, Brahms u.a. könnte man nennen) sein mag - sie ist oftmals eine gewaltige Herausforderung, aber letztlich im Regelfall 1:1 umsetzbar. Klavierauszugsspiel benötigt oftmals sinnvolle Reduktionen zugunsten der Gesangspartien, die auch noch während des Spielens stimmlich markiert werden müssen - Multi-Tasking pur! Hunderte Klavierauszüge mit jeweils hunderten von Seiten müssen bei Bedarf abrufbar sein - bei in der Praxis wenig bis gar keinen Vorbereitungsmöglichkeiten. Korrepetitoren brauchen die Belastbarkeit von Zehnkämpfern und mitunter Nerven wie Stahlseile und dürften die Bezeichnung "Horst für alles" schon als zynisch, wenn nicht sogar als beleidigend empfinden. @rolf hat mit seinem Nachsatz "abwertend und unkollegial" absolut recht.
Korrepetitor wird man b) wenn sich herausgestellt hat, daß man als Dirigent oder Pianist keine richtigen Chancen hat, dann kann man noch hoffen, irgendwo als Korrepetitor unterzukommen, um wenigstens ein paar Kröten zu verdienen.
Siehe oben - die letzte Zuflucht eines Versagers oder Nichtskönners ist dieser Beruf NICHT! Nicht nur in Festanstellung, sondern auch auf freiberuflicher Basis lässt sich dieser Beruf ausüben, vor allem, wenn die im beruflichen Gesamtbild vereinigten Einzelqualifikationen (solistisches Klavierspiel, Gesangs-/Instrumentalbegleitung, pädagogische Tätigkeit, Ensembleleitung, Bearbeitung/Arrangement/Komposition, Jazz- und Popularmusik etc.) die Übernahme zusätzlicher Engagements als Spezialist erlauben, was der Regelfall sein dürfte. Leistungsbereite und kompetente Kräfte haben aufgrund ihrer Vielseitigkeit eine beispiellose Fülle an Betätigungsmöglichkeiten, obwohl es Pianisten wie Sand am Meer gibt.
@violapiano
Ich finde das Einkommen gar nicht so schlecht. Krankenschwestern, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Altenpfleger, Zahntechniker, Verkäufer, Handwerksgesellen, ........ die alle verdienen doch meist schlechter
Es spielt freilich nicht nur die Gehaltshöhe beim Vergleich vieler (oftmals sehr anstrengender) Dienstleistungsberufe eine Rolle, sondern auch die im Vorfeld notwendige Ausbildungsdauer und die mitzubringende Qualifikationshöhe, bevor mit der Ausübung entsprechender Tätigkeiten überhaupt erstmals Geld verdient wird. Abitur, Hochschulstudium, zahlreiche Ergänzungsqualifikationen bringen angehende Korrepetitoren in einem Lebensalter mit, wo in den im Zitat erwähnten Berufen oftmals schon acht bis zehn Jahre lang ein dauerhaftes Einkommen bezogen wird - nach mittlerer Reife, drei Jahre Lehrzeit mit Ausbildungsvergütung und ohne Studium... .
Ich halte es für eine echte Begabung, wenn man so etwas kann. Und wer es kann, dem macht es ja vllt auch Spaß?
Wer Stress ertragen kann und ein abwechslungsreiches Tätigkeitsfeld ausfüllen möchte, kommt hier sicherlich voll auf seine Kosten - eine hervorragende Qualifikation, extreme Belastbarkeit und hochgradige Flexibilität vorausgesetzt. Engagements sind nicht nur an Musiktheatern und im Eventbereich (Festivals etc.) verfügbar, sondern auch an musikalischen Ausbildungsstätten (z.B. als Lehrkraft für besondere Aufgaben an Musikhochschulen), bei Großprojekten im Kirchenmusikbereich (Messen und Oratorien) und bei entsprechender Spezialisierung auch in der sog. Freien Szene (Kleinkunst/Musikkabarett/Chanson). Festzuhalten bleibt: Ein "Scheißjob" ist dieses spannende Aufgabengebiet für die Zehnkämpfer unter den professionellen Musikern auf keinen Fall - und ich hoffe abschließend, als mit einschlägigen Berufserfahrungen in diesem Metier beschenkter Praktiker solche unschönen Äußerungen künftig nicht mehr allzu oft vernehmen zu müssen.