Tonleitern und Gleichmaessigkeit

@Demian fallende Hand, fallender Arm, Stütz/Haltereflex, Armschwung (Transport) sollten idealerweise von Anfang an gelehrt/verwendet werden! Und wo guter, fachkundiger Unterricht stattfindet, da wird das auch gemacht. Es gibt keinen guten Grund, Anfänger erst ungeschickt rumfummeln/griffeln zu lassen und erst viel später die dann schon halb vermurkste Motorik auf den richtigen Weg zu lenken.
 
@rolf
Ja, klar. Wahrscheinlich war es unglücklich formuliert.
 
Ich will ja jetzt hier nichts schlimmes auslösen aber seit ich angefangen habe Klavier zu spielen ist (v. A. durch Boogie Woogie) mein Muskel des kleinen Fingers sehr stark geworden und ich hatte Muskelkater vom kleinen Finger bis ins Schulterblatt. Und das ist kein Irrsinn, man kann den kleinen anspannen und den entsprechenden Muskel an der Innenseite des Schulterblattes spüren.

Übrigens sagte Lang Lang in seiner "Piano Lesson 1" er habe jeden Tag 20 Minuten die c dur tonleiter gespielt. Ich will damit nicht sagen dass das in diesem Ausmaß nötig wäre, aber da er ein erfolgreicher Pianist ist dessen Spiel mir sehr gefällt sollte das nicht unerwähnt bleiben.
Die Tonleitern haben auch den Vorteil, dass man sich die Tonart einprägen kann, wenn ich zb ein neues Stück üben möchte spiele ich gern vorher die Tonleiter (ist natürlich nur bei Anfänger notwendig/hilfreich, der Profi weiß das ja schon).

Liebe Grüße
 
Als Hausaufgabe gab es dann noch die Staerkung der Finger durch Last des Armes auf einem einzigen Finger.
Das Balancieren der Hand auf jedem Finger ist eine ausgesprochen hilfreiche Übung. Der Extremfall ist eine Übung von Kämmerling: den Finger (außer Daumen) an einer Taste aufhängen, Handgelenk deutlich unter der Tastatur. Dann stemmt der Finger die Hand nach oben, bis eine gute Stütze erreicht ist. Dann ist die Handdecke etwa waagerecht.
Wenn man nicht drückt, sondern das Gewicht der Hand und des Armes gut ausbalanciert ist das eine gute Übung, die die anpassenden Bewegungen des Hinterlandes bis zu Ellbogen und Schulter vorbereitet und die Stabilität (nicht die Kraft) der Finger schult.
Ein beobachtender Lehrer ist dabei sehr nützlich!
 
Einige Anmerkungen zu China. In diesem riesigen Land lernen nach meinen Informationen etwa 40 000 000 Menschen Klavierspielen. Davon ist die überwältigende Mehrheit sehr jung und viele wollen Lang Lang werden (oder ihre Eltern wollen ein Genie gezeugt haben).
Durch eine in der Gesellschaft unhinterfragt akzeptierte Haltung, dass der Schlüssel zum Erfolg vor allem Fleiss sei, ist die Bereitschaft sich anzustrengen und seine Kinder zu einem bei uns unvorstellbaren Arbeitspensum - unter Aufsicht der Mütter - zu zwingen (fast hätte ich motivieren geschrieben) umfassend akzeptiert.
Das System in China basiert auf einem aus England importierten Stufenmodell mit Prüfungen. Es gibt 9 oder 10 Stufen, die jeweils etwa einem Jahr entsprechen (weitaus ehrgeiziger als der deutsche Lehrplan!). Diese werden jeweils mit Prüfungen mit vorgegebenen Wahlpflichtstücken abgeschlossen.
Wie ich schon sagte, ist das System recht ehrgeizig, aber die Eltern sind noch viel ehrgeiziger. Man versucht die neun Jahre in 8, 7, 6 oder noch weniger Jahren zu schaffen. Ein guter KL ist einer, der möglichst viele Schüler in möglichst kurzer Zeit durch die Prüfungen schleust.
Dabei ist es nützlich, wenn er in der bewertenden Jury sitzt. Es ist auch nützlich, wenn die Eltern in der Gegenwart der Mitglieder der Jury größere Geldsummen liegenlassen.
Bis in die Universitäten hinein ist dieses System zu beobachten.
 
Zu China weiters:
Durch die radikale Überforderung sehr vieler Kinder findet man heute in China sehr viele Jugendliche, die unsäglich schlecht sehr schwere Stücke spielen.
Wer dieses System übersteht ist unglaublich belastbar und fast übermenschlich begabt.
Dazu kommen Eltern, die meist ahnungslos einfach nur Erfolg suchen.
Natürlich gibt es viele Ausnahmen wie der junge Mann, der Mathematik studieren wird, Klavierspielen mit verständnisvollen Eltern und guten Lehrern als Hobby gelernt hat und eine fantastische 4. Chopin Ballade gespielt hat.
 
Die Chinesen sind große Anhänger des Rankings! Nicht umsonst werden in Shanghai die Universitäten der Welt gereiht.
Das setzt sich bis ins Private fort.
Tonleitern und (Czerny-)Übungen werden gerne und viel gespielt, weil hier der Erfolg schnell sichtbar ist und ein Ranking ermöglicht.
Ich muss sagen, so fremd mir diese Art des Musizierens heute ist, die 'Wettkämpfe" im Studium hatten durchaus auch bei uns etwas Sportliches (Oktavenstellen Liszt Sonate oder 6. Rhapsodie, oder die erste Chopin Etüde mit 200 und schneller). Für manche Kinder und Jugendliche ist die Motivation eine Etüde schneller und deutlicher zu spielen als .... auch in Europa ein großer Spass.
 
Fragt man drei Experten, bekommt man drei verschiedene Antworten. Sagt mir, dass ich mir selber ein Bild machen muss, indem ich einfach von Zeit zu Zeit meine Fortschritte pruefe. Dazu kann ich mir ja eine zweite Meinung einholen, indem ich den Experten im Forum ein Video zeige oder mich in China an einen anderen KL wende. Und auch dann ist es nur eine Meinung.

Mein Enthusiasmus ist jedenfalls nicht getruebt, nur weil ein oder zwei der Meinung sind, dass mein Unterricht sinnlos ist. Solche radikalen Aussagen ueber die Ferne zu treffen sind unverantwortlich, sie verunsichern manchen Einsteiger und versauen ihm die Lust am Klavierspielen. Mir aber nicht :-D

@Alter Tastendrücker Du hast besser als ich beschrieben, wie meine Lehrerin die Uebung mit dem Fingerstaerken meinte. Tatsaechlich ist das Handgelenk tiefer als die Tasten, und der Finger soll die Hand nach oben "ziehen"/"druecken", dabei soll der ganze Apparat locker bleiben.
 
Tatsaechlich ist das Handgelenk tiefer als die Tasten, und der Finger soll die Hand nach oben "ziehen"/"druecken", dabei soll der ganze Apparat locker bleiben.
Mach das, bleib dabei locker/entspannt, und dann nach dem hochziehen auch wieder runterlassen/sinken; dann dasselbe von einem Finger zum anderen Finger - und lass ohne hochziehen deinen Arm am eingehängten Finger hängen und lass ihn hin und her schwingen/schaukeln (Zimerman!!!) und ruhig auch mal auf dem Boden sitzen und das am Klavier machen.
 
@rolf Danke fuer den Tipp! Meine KL meinte am ersten Tag, als ich mit meiner Tonleiter angeben wollte, dass ich viel zu leise spiele, weil meine Finger zu schwach sind, um den Arm zu stuetzen. Da kriegt man direkt kaltes Wasser uebergekippt, was aus meiner Sicht super ist. So kann ich die ganzen Fehler erkennen und ausmerzen, die ich mir selbst beigebracht habe.

Wir arbeiten ausser mit Czerny noch mit vier weiteren Buechern, die alle das Logo "ABSRM" tragen. Kann mir einer sagen, was das ist? Scheint wohl ein englisches Institut zu sein, das den Standard fuer Pruefungen festlegt.

Dabei sind Tonleitern & Arpeggien, Pruefungsstuecke, Training des Hoervermoegens usw.. Alles auf dem Level 1 bis 8. Jetzt muss ich wohl doch Klassik lernen :-D

Auf meine Frage, was man denn in einem Jahr lernen kann, meinte die KL, dass man Level 5 in einem Jahr schaffen kann. Ambitioniertere Schueler sogar in sechs Monaten. Ist das aus eurer Sicht realistisch? Ich muss dazu sagen, ich hab keine Vorstellung, was Level 5 ueberhaupt bedeutet. Hoechstes Level scheint 10 zu sein.
 

@rolf Wir arbeiten ausser mit Czerny noch mit vier weiteren Buechern, die alle das Logo "ABSRM" tragen. Kann mir einer sagen, was das ist? Scheint wohl ein englisches Institut zu sein, das den Standard fuer Pruefungen festlegt.

Dabei sind Tonleitern & Arpeggien, Pruefungsstuecke, Training des Hoervermoegens usw.. Alles auf dem Level 1 bis 8. Jetzt muss ich wohl doch Klassik lernen :-D

Auf meine Frage, was man denn in einem Jahr lernen kann, meinte die KL, dass man Level 5 in einem Jahr schaffen kann. Ambitioniertere Schueler sogar in sechs Monaten. Ist das aus eurer Sicht realistisch? Ich muss dazu sagen, ich hab keine Vorstellung, was Level 5 ueberhaupt bedeutet. Hoechstes Level scheint 10 zu sein.

ABRSM heißt Associated Board Royal School of Music, aber Level 5 nach einem Jahr klingt schon sehr ambitioniert! :denken: Klingt schon sehr britisch, wie ich finde! ;-)Die Examen sind aber auch in Deutschland üblich.

https://gb.abrsm.org/en/our-exams/
 
Einige Anmerkungen zu China. In diesem riesigen Land lernen nach meinen Informationen etwa 40 000 000 Menschen Klavierspielen. Davon ist die überwältigende Mehrheit sehr jung und viele wollen Lang Lang werden (oder ihre Eltern wollen ein Genie gezeugt haben).
Durch eine in der Gesellschaft unhinterfragt akzeptierte Haltung, dass der Schlüssel zum Erfolg vor allem Fleiss sei, ist die Bereitschaft sich anzustrengen und seine Kinder zu einem bei uns unvorstellbaren Arbeitspensum - unter Aufsicht der Mütter - zu zwingen (fast hätte ich motivieren geschrieben) umfassend akzeptiert.
Das System in China basiert auf einem aus England importierten Stufenmodell mit Prüfungen. Es gibt 9 oder 10 Stufen, die jeweils etwa einem Jahr entsprechen (weitaus ehrgeiziger als der deutsche Lehrplan!). Diese werden jeweils mit Prüfungen mit vorgegebenen Wahlpflichtstücken abgeschlossen.
Wie ich schon sagte, ist das System recht ehrgeizig, aber die Eltern sind noch viel ehrgeiziger. Man versucht die neun Jahre in 8, 7, 6 oder noch weniger Jahren zu schaffen. Ein guter KL ist einer, der möglichst viele Schüler in möglichst kurzer Zeit durch die Prüfungen schleust.
Dabei ist es nützlich, wenn er in der bewertenden Jury sitzt. Es ist auch nützlich, wenn die Eltern in der Gegenwart der Mitglieder der Jury größere Geldsummen liegenlassen.
Bis in die Universitäten hinein ist dieses System zu beobachten.

@Alter Tastendrücker, vielen Dank für deine ausführlichen Beschreibungen des chinesischen Systems bzw. der Gesellschaft. Danke auch für die Erklärung dieser Fingeraufhängübung, das hab' ich gestern und heute gemacht! 😊 Sehr hilfreich!

Die Eltern, die ein Genie gezeugt haben wollen, gibt es hierzulande auch, ich finde es trotzdem immer interessant, wie unterschiedlich Gesellschaften in gewissen Punkten sein können.


Und ein relativ aktueller Beitrag des Auslandjournals:

 
Zuletzt bearbeitet:
Zum Thema Tonleitern und Übungen gebe ich zu bedenken:
Auch in Europa (auch in Deutschland) war es im 19. Jahrhundert nicht unüblich und wurde als nützlich erachtet sehr ausführlich Tonleitern und Fingerübungen zu verwenden. In vielen Ländern mit sehr erfolgreichen Klavierschulen (Russland, Italien, Frankreich , ....) ist es nach wie vor üblich 'Technik' (was auch immer das sein mag) separat zu 'trainieren'. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass die Fähigkeiten im Blattspiel, schnellem Erlernen neuer Werke und in der Fähigkeit zu 'Produzieren' in allen diesen Ländern und auch im Deutschland des 19. Jahrhunderts (Berichte über das Niveau der "höheren Töchter") im Vergleich zu heute in Deutschland eher höher waren. Gerade das Niveau der Hausmusik in Deutschland muss mal sehr hoch gewesen sein.
Das soll jetzt nicht bedeuten, man müsste stumpfsinniges TL und Hanon Üben wieder einführen, um fröhlich in ein 'gelobtes Land des Klavierspiels' einzutreten, aber Überlegenheitsgefühle oder Arroganz sind hierzulande nicht zwingend geboten.
 

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