@Normalo Ein kontroverser Ansatz meinerseits:
Ich finde auch, dass Emotionalität zwar einen der größten Bereiche der Musik ausmacht, aber Musik ist interessanterweise noch viel mehr. Neben klassischen Phrasierungen und romantisierenden Klangexplosionen gibt es auch Musik von Menschen, die mit diesen Dingen wenig anfangen konnten.
Dementsprechen wäre mein Tipp: Stärke deine Stärken. Und spiele erstmal noch einige technische Stücke, die eben nicht besonders viel Tonfärbung und Linienbildung benötigen. Wenn man dann einzelne Aspekte anvisiert, um diese Stücke entsprechend zu verändern, zu bearbeiten und damit zu spielen beginnt, dann bekommt man Freude an der Arbeit MIT der Musik und hat nicht diesen Druck, sich etwas Notwendiges aneignen und abrufen zu müssen. Und dann wird man auch sensibler für die Bedürfnisse von Werken wie Chopin oder Beethoven.
Bei dem Stichwort Phrasierung habe ich z.B. gute Erfahrungen mit Bartoks Microkosmos gemacht. Da sind viele kleine Stücke, die auch ohne große "Emotionalität" eine ganz interessante Wirkung entfalten können, aber eben durch ihre Phrasierung ein ganz neues Verständnis von möglichen Klangverbindungen fördern. Natürlich muss man sich auf so ein Abenteuer aber einlassen können ;). Wenn man dann sogar noch weiter Richtung serieller Musik schaut, kann man schöne philosophische Ansätze diesbezüglich finden. (Gefühl/Expression vs vollkommene Kontrolle?)
Darüber hinaus habe ich bei diesem Thema immer wieder einen Spruch meines ehemaligen Gesangslehrer im Kopf:
Sinngemäß: "Die Musik, die Abfolge der Töne an sich hat schon eine Wirkung. Du brauchst manchmal gar nicht mehr machen, als sie wiederzugeben."
Natürlich ist dies mit Vorsicht zu betrachten und führt einem auf professionellem Niveau nicht wirklich weiter.
Aber ich denke ein wenig Wahrheit ist darin schon enhalten. Manchmal ist weniger mehr!