Spielen mit Gefuehl

  • Ersteller des Themas Normalo
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Die Betonung liegt wohl auf „einfach“
 
Wenn ihr´s nicht fühlt, ihr werdet´s nicht erjagen ...
 
Das ist doch wie Gehen.
Es wird doch niemand behaupten, dass Gehen nicht einfach ist.
Aber sobald Musik dazu läuft, können die Leute nicht mehr gehen.
Ich habe eher den Eindruck, seine grundsätzlichen Fähigkeiten plötzlich abzuschalten, ist sehr einfach.
Kenn ich, im Takt tanzen ist so lange einfach, wie man es gar nicht erst versucht. Sobald ich auf den Takt achte, fange ich an den zu überholen...
 
Einfach die ganz normale Intuition walten lassen, wie sonst auch.
Einfach lebendig bleiben, und nicht plötzlich eine Regression des kompletten bisherigen Lebens und Entwicklungsfortschritts veranstalten.
Das ist mir zu esoterisch. Vor allem nützt es den Leuten nichts, die es eben *nicht* aus dem Bauch richtig machen. Die Lehrerin erzählt dem TE anscheinend Ähnliches und er weiß offenbar nix damit anzufangen.
Ich war sehr froh, als mir mein Lehrer gezeigt hat, wie man objektiv eine Phrase formen kann. Der hat immer gesagt: "Das Publikum interessiert sich nicht für Ihre Gefühle".

Ich würde mal eine Parallele zur Rhetorik ziehen. Da gibt es auch objektiv bestimmbare Techniken, um die gewünschte Wirkung zu erzielen und man kann sie systematisch lernen. Kein Rhetorikdozent würde sagen: "let your vibrations flow..."
 
Zuletzt bearbeitet:
Darum geht es nicht. Es geht darum, daß man Musik gestalten kann, ohne selbst in dem Gefühl zu versinken. Wenn, dann ist das Show wie bei Lang Lang und anderen. Leute mit zu hohem RTL II Konsum finden das auch gut...
Sven Regener hat sich mal ausführlich in einem Interview über das Klischee aufgeregt, daß man traurig sein müsse, um ein trauriges Lied zu schreiben, oder zu singen.
 
Es geht darum, daß man Musik gestalten kann, ohne selbst in dem Gefühl zu versinken.
Absolut richtig!
Wir bräuchten sonst mindestens zwei Pianisten bei jeder Aufführung der Chopinschen Trauermarschsonate: der erste spielt die ersten drei Sätze und suizidiert sich dann (weil er in der Gefühlswelt des Trauermarschs versunken ist) und der zweite spielt das finale unisono Presto.
"Musik gestalten können" bedeutet, die jeweilige Expression eines Musikstücks mit musikalischen/interpretatorischen Mitteln für den Zuhörer nachvollziehbar (nachempfindbar) darstellen zu können. Im Beispiel oben genügt dann ein Pianist für die Trauermarschsonate.

Ob die banale Simpelformulierung "mit Gefühl spielen" allerdings diese Zusammenhänge meinen will, oder irgendetwas banaleres (Fritzchen tutet ja soooo gefühlvoll, wie macht der Bub das bloß? fragte sich gerührt Tante Käthe beim Kitasommerfest) - wer weiß?
 
wobei ein dritter Ausführender während der kompletten Sonate Verwendung findet. Er muss fortlaufend die Taschentücher der Pianisten auswringen.
 
@Normalo (beziehe mich auf deine yt Aufnahme) Meine KL würde mich die rechte Hand alleine spielen lassen und mich zum Mitsingen anregen. Linkes Pedal auf die Schlussakkorde. Die Anweisung „Gefühlvoller spielen“ ist etwas abstrakt. So was bekommt nur meine Tochter, wenn sie aufs Klavier einhämmert…
 
Es geht darum, daß man Musik gestalten kann, ohne selbst in dem Gefühl zu versinken.

Richtig, dazu fällt mir folgendes ein, was mir meine Gesangslehrerin mal mit auf dem Weg gab:
"Du sollst das Publikum mit deinem Gesang berühren und wenn die Hörenden Tränen in den Augen haben super, aber Tränen haben bei dir selber nichts zu suchen, du musst stets die Kontrolle über deine Darbietung haben. Du stellst dir das Gefühl, dass du wecken möchtest vor, aber du schwelgst nicht selber darin, denn sonst könnte sich das Publikum peinlich berührt fühlen und das kann eine unangenehme Stimmung hervorrufen."

Ich finde, die Frage sollte nicht heißen, wie spiele ich mit Gefühl, sondern wie spiele ich mit Ausdruck.
 

Andere Länder, andere Sitten.

 
Richtig, dazu fällt mir folgendes ein, was mir meine Gesangslehrerin mal mit auf dem Weg gab:
"Du sollst das Publikum mit deinem Gesang berühren und wenn die Hörenden Tränen in den Augen haben super, aber Tränen haben bei dir selber nichts zu suchen, du musst stets die Kontrolle über deine Darbietung haben. Du stellst dir das Gefühl, dass du wecken möchtest vor, aber du schwelgst nicht selber darin, denn sonst könnte sich das Publikum peinlich berührt fühlen und das kann eine unangenehme Stimmung hervorrufen."
Möglicherweise dachte sie dabei auch an jene Aufführung bzw. Aufnahme der Callas, nahe am persönlichen Zusammenbruch, wo sie die Butterfly sang. Die Darstellung ihres persönlichen Schicksals überlagerte die Figur der Puccini-Figur dermaßen, dass ich das heute eher als peinlich empfinde. Das hat das Publikum damals auch gewusst, aber es brach danach in einen irren Beifallssturm aus. Das Leben der Callas war ja schon fast public domain. Ich habe diese Live-Aufnahme auf CD oder im TV gesehen, bevorzuge neuere Aufnahmen, wo die Darsteller die Distanz wahren.
 
Ich denke, dass bei mit Gefuehl spielen, Musik machen, auch immer der gesamte Koerper mit all seinen Bewegungen beteiligt ist. Spontane Mikro- und Makro-Bewegungen, die eine Gefuehlswelt zum Ausdruck bringen koennen.

Wenn ich einen fesselnden Roman lese, dann kommt irgendwann das Ende, egal welches. Die Spannung, die sich in den Tagen zuvor aufgebaut hatte, loest sich auf, ich bin am Endpunkt einer Geschichte angelangt. Mein Blick bleibt auf der letzten Seite haengen ... dann schliesse ich das Buch ... ganz langsam ...mein Blick bleibt auf dem Buchtitel haengen ... ich lege das Buch weg ... ganz langsam ... streichle ueber den Titel ... und entferne mich langsam.
Wenn ich einen lustigen Artikel mit einer absolut guten Schlusspointe lese, kommt zuerst ein grosser Lacher, dann haue ich die Haende auf den Tisch, springe vom Stuhl auf und fange an herumzulaufen.
Wenn dagegen mein Arbeitstag zu Ende ist, fahre ich das System herunter, zack, Deckel zu, zack, Laptop auf die Seite legen, zack, aufstehen, zack, weg vom Arbeitsplatz.

Und so beobachte mich auch beim Klavierspielen/-ueben.
Ein langsames Stueck, bei dem ich eine gewisse Melanchonie, einen gewissen Schwermut nachempfinden kann: Die Bewegungen sind, im Rahmen des zeitlich Moeglichen, getragen, langsam, wuerdevoll, sanft. Eine Phrase mit einer Kadenz, die Spannung loest sich auf, spontan werde ich langsamer, leiser, komme zu einem Endpunkt.
Oder ein lustiges schnelles Stueck mit frechem Schluss: Die kann (mag ...) ich eigentlich nicht, da ich mich dem Schnellen nicht so gewachsen fuehle, es begleitet mich immer die Angst - und somit auch Verspannungen -, die falsche Note zu treffen. Aber dann ist es mir gelungen, das Stueck spontan ganz locker anzugehen. Ein Laecheln im Gesicht, der ganze Koerper schwang mit, ich hatte Freude beim Spielen, und das Ergebnis klang dementsprechend besser, der Schlussakkord war eine Wucht.

Was mich auch einmal sehr fasziniert hatte, war, als ich mit dem KL auf mein erstes Vorspiel hin uebte. Nicht das Stueck selbst, sondern den Auftritt: Langsam auf das Klavier zugehen, sich langsam setzen, langsam die Noten auf das Pult stellen. Und dann nur noch an die Musik denken ...
 
@Cecilie das kenne ich, wenn ich ein (in welcher Hinsicht auch immer) berührendes Buch zuende gelesen habe, halte ich es gerne noch mal in den Händen. Das ist dann sozusagen ein "haptisch emotionales Abschied nehmen" zum Abschluss.
Kann auch der Fall sein, wenn ich ein Klavierstück gespielt habe, und das Heft dann "zärtlich" zur Seite lege.
 

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