Grigory Sokolov z.B. habe ich am Flügel erlebt wie einen Roboter. Er schien nichts um sicher herum wahrzunehmen und hat – in meinen Augen – wie mechanisch gespielt. Da schien kein Dialog mit dem Publikum stattzufinden. Den gab es dann aber doch und zwar bei oder hervorgerufen durch erstaunliche fünf Zugaben.
Das Publikum kann sich – falls ich da nichts übersehe - nur durch den Applaus mitteilen (oder bei Gonzales durch Gejubel und Zwischenrufe) also sind Ovationen dann ja wohl der einzige Gradmesser für den Pianisten um herauszufinden wie seine Interpretationen beim Publikum ankommen.
Liebe Marlene,
ich empfinde eigentlich das Gegenteil, dass sich also das Publikum nicht nur durch den Applaus mitteilt sondern auch während jeden Stücks/Satzes. Du beschreibst ja selbst die "Spannung, Athmosphäre, Gänsehaut" die Du bei KV 467 bei Dir und im Publikum verspürtes. Kummunikation findet natürlich auch nonverbal statt und wie Du die Gesichter deuten konntest, kann ein aufmerksamer Pianist das wohl irgendwie auch wahrnehmen. Diese Kommunikation interessiert mich und ich finde, sie ist schwer zu beschreiben, weil sie wesentlich subtiler stattfindet als bei einer Unterhaltung, weshalb ich letztendlich das Thema eröffnet habe. Das Publikum macht ja schon Gesten, zeigt leuchtende Augen, spricht bei Begeisterung und Anspannung mit dem Körper, ist vielleicht zu Tränen gerührt, etc. Da ist die Frage, wie ein Pianist das wahrnimmt, wenn er nicht ins Publikum schaut, aber ich kann mir schon vorstellen, dass er es im Augenwinkel wahrnehmen oder zumindest aus der Athmosphäre erspüren kann.
Mich interessiert als "Hobby-Klimperer" aber auch, inwieweit jemand als Pianist an das Publikum Botschaften mitteilt. Ich habe selbst Erfahrung aus dem Bereich Rockmusik, wo das für mich relativ deutlich geschieht, besonders wenn man sich Bewegung und Gestik von Sängern anschaut. Natürlich entsprechend der Musik weniger komplex als bei Klassik. Ich habe viele Interviews von Bassisten aus dem Bereich Jazz gelesen und die beschreiben manchmal, dass es ein "sich-Öffnen" erfordert, auf der Bühne etwas überzeugend vorzutragen. Vielleicht hat sich Sokolov nicht so richtig geöffnet, als Du ihn gesehen hast. Im Extremfall kann die kommunizierte Botschaft "ich ignoriere Euch" sein. Ich denke aber, dass die Kommunikation auch durch das Spiel selbst geschieht. Ich kann das nur en Detail und mangels routinierter eigener Erfahrung nicht beschreiben und habe dem bei den wenigen Gelegenheiten, wenn ich solo vorgespielt habe, nur wenig Aufmerksamkeit zukommen lassen, eigentlich mehr für mich selbst gespielt und manchmal gehofft, dass niemand die zittrigen Hände sieht, oder mich gefreut, dass es gut läuft. Aber nach den Beiträgen hier und insbesondere, wenn Chiarina ein gemeinsames Erleben der Musik beschreibt, interpretiere ich das so, dass der Pianist dem Publikum sein Empfinden und Erleben der Musik offenbart, das er durch Gestaltung seiner Interpreation selbst (insoweit also akustisch), aber auch durch Körpersprache und Gestik (also auch optisch) - natürlich relativ subtil, weil er ja sich ja nicht so unmittelbar wie ein(e) Rock/Pop-SängerIn zum Publikum wendet - zum Ausdruck bringt. So stellt sich das mir, wenn ich mir die selbst erlebten Konzertsituationen bewusst mache, letztendlich dar.
LG
Bassplayer