Problemschüler, 9 Jahre

Allerdings vereinzelt wird dies manchmal von Eremiten betrieben, die gleich viele Naturgesetze (Plural) entdeckt haben...
siehe: Hessehaus Tuebingen Musikakademie
(nebenbei: die Adresse ist nicht mehr aktuell, aber der Anspruch)

Während meiner Studentenzeit in den 90er Jahren habe ich die Vorspielabende im Hesse-Haus häufig besucht und kann berichten, dass die Kinder/Jugendlichen, die bei Wei Tsin Fu Unterricht hatten, ganz erstaunliche Fortschritte machten.

Wei Tsin Fu's Auftritte empfand ich ebenfalls als sehr beeindruckend und keineswegs so prätentiös, wie es angesichts dieser - auch aus meiner Sicht - merkwürdigen Selbstdarstellung den Anschein hat.

Im übrigen würde ich es sehr begrüßen, wenn CLEMENS Gelegenheit erhält, seine Ideen zur Diskussion zu stellen und sich in diesem Forum beteiligt.


Viele Grüße
Clavifilius
 
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Ich finde die Methode inhaltlich ziemlich korrekt. Das Hirn lernt besser mit Bildern und emotionalen Belegungen. Das stimmt. Leider wird das oft im "normalen" Betrieb vergessen.

Mit Ben und seiner Mutter gab es letztens ein Gespräch.

Mutter: Ich frage mich, ob ich zu sehr wollte, dass Du, Ben, Klavier lernst aber Du das vielleicht gar nicht willst sondern vielleicht lieber ein anderes Instrument lernen willst, Schlagzeug oder so etwas.

Viola. (gehe dazwischen): nun ja, er wurde ja auch nicht gefragt, ob er Deutsch lernen will oder ob ihm vielleicht Chinesisch besser gefallen würde. Das spielt erst einmal keine Rolle. Erst später ist das wichtig, und jetzt ist eben fast später. Mir ist zunächst wichtig: Ben, WILLST Du denn dieses Stück lernen?

Ben: Ja, eigentlich will ich nur dieses Stück lernen.

Viola: Diese Info finde ich sehr wichtig, denn zwischendurch war ich mir da nicht sicher. Ich verstehe manche Schüler nicht immer sofort und dann suche ich, was ich für die Schüler tun kann. Wenn Du das Stück spielen lernen willst, aber irgend etwas klemmt, dann müssen wir suchen, woran das liegt. Ben, Frage: wie kommt das, dass Du manchmal mit der falschen Hand, also der rechten Hand, die Töne der Linken spielst? Das verstehe ich nicht.

Ben: weiß nicht.

Viola: bist Du Linkshänder oder Rechtshänder?

Mutter: eindeutig Rechtshänder.

Ben: Fußball spiele ich mit dem linken Fuß, links außen.

Viola: aha, machst Du sonst noch etwas mit Links?

Ben: ja, Ball werfen.

Viola: aber Schreiben und malen tust Du von Anfang an mit rechts?

Ben: ja klar, wie alle.

Viola: Und Federball spielen?

Ben: kann ich nicht.

Viola: Mit dem Stock schlagen oder irgend etwas mit einem Stock machen?

Ben: mal so mal so.

Mutter: jaja, er ist wahrscheinlich beidhändig. Messer links beim Brot schmieren und beim Apfel schälen auch. Schere aber rechts.

Ben: die geht links ja auch nicht.

Viola: es gibt auch Scheren für linkshänder.

Ben: ich bin aber Rechtshänder.

Viola: Deine Schwester ist Linkshänder. Vielleicht bist Du ja wirklich einfach Beidhänder und dann gibt es ja auch noch Leute, die sind Rechtshänder, führen aber die rechte Hand mit dem "falschen" Auge so wie ein Linkshänder eben, aber das weiß ich auch nicht so genau. Aber ich hatte da mal einen sehr intelligenten Schüler, der hatte enorme Probleme, die Hände auseinander zu halten und ich hätte ihn damals fast rausgeschmissen, aber er wollte eben unbedingt Klavier lernen, weil ihn das Spaß machte.

Ben: mir macht das auch Spaß, nur wenn ich die Sachen so falsch mache finde ich das blöd.

Viola: ach, du, das muss Dir nicht peinlich sein oder so. Wenn das für Dich schwer ist, dann übern wir das eben, bis es klappt. Hauptsache, Dir macht das Spaß und ich denke nicht, dass Du mich auf den Arm nehmen willst. Deshalb ist das ja wichtig für mich zu wissen, was Du willst. Sonst passiert noch mal das Gleiche wie mit Deinem Halbbruder, den habe ich damals ja rausgeschmissen, weil ich dachte, der verar...t mich voll und will mich nur wüten machen dadurch dass er alles extra falsch macht. Aber vielleicht habe ich ihm das einfach nicht so erklärt, dass er es verstanden hat.

Mutter: ach, das wusste ich ja gar nicht, dass Du den Karl rausgeschmissen hast!

Viola: Doch ja, das ist mir heute wohl peinlich, aber da war ich ja auch viel jünger und habe wohl falsche Schlüsse gezogen.

Ben: Was? Du hast den Karl rausgeschmissen?

Viola: Ja. Das war für mich sehr schwer mit ihm, ich habe versucht ihm etwas bei zu bringen und das hat nicht geklappt. Da habe ich mich gefragt, ob der überhaupt WILL, ob er überhaupt MUSIKALISCH ist, ob er vielleicht ein wenig BLÖDE ist oder ob er einfach nur MICH bescheuert findet oder vielleicht war ICH ja einfach nur zu dumm IHM etwas bei zu bringen. Das kann ja auch sein, dass er mich doof fand. Ich weiß es nicht.

Ben (lacht): nee ganz bestimmt nicht!

Viola: Wir machen das jetzt einfach mal so, wir schnüren ganz kleine Lernpakete und machen viel Musik zusammen. Und ich habe das jetzt schon einige Male erlebt, dass aus SchülerInnen, die anfangs gar nicht so schnell Fortschritte gemacht haben, hinterher richtig gute Klavierspieler geworden sind, die noch heute gerne in die Tasten greifen. Wichtig ist einfach nur, dass es Spaß macht und dass man Klavier lernen WILL.




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So sind wir dann auseinander gegangen, irgendwie war der kleine Mann sehr befreit.

Mir war wichtig, dass er nicht denkt, dass er "zu blöde" wäre oder dass er irgend eine "Schuld" hätte (das berühmte Gefühl, ein "böses" oder "unartiges" Kind zu sein).


Mal sehen was draus wird. Manache Menschen stehen sich einfach furchtbar im Weg. Eine andere Schülerin, die eine sehr schlimme Biografie hat mit Krankheit und so weiter, war jahrelang meine "schlechteste" Schülerin. Mittlerweile spielt sie ganz passabel, kann Noten lesen und lernt ein Stück nach dem anderen. Im Moment ist sie ganz vernarrt in die Filmmusik von Michael Nyman zu "Das Piano". Nicht besonders schwer aber doch an einigen Stellen durchaus trickig. Für sie ist das Herzblut und sie kann dabei gut zu sich selbst finden. Andere gehen: angeln. Nun ja. Nicht immer bedeutet "Klavier spielen lernen" dass man als Ziel hat, Fugen von Bach spielen zu können oder irgendwie auf Profi-Ebene zu spielen.

Manchmal bedeutet Klavier zu spielen eben einfach nur: über die Musik zu sich selbst finden.

Und dabei bin ich unterstützend tätig. Auch wenn der Weg dieses "zu sich selbst finden" nicht den Weg zu den Kronjuwelen der klassischen Musik nimmt.
 
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dann wird ja bei Dir ein Platz frei, sobald der Selbstfindungs-Ben den pinkenen Panther hingekriegt hat ;)

Naja, vielleicht haben wir dann neue Pläne? Könnte ja sein? Ich bin da durchaus optimistisch abwartend. Klar, bei vielen KL hätte Ben schon längst den Verstoß erhalten.

Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich eine kleine Komponistin hatte, die nach Brüssel verzog und dort von einer russischen Kollegin (jaja, ich kann es nicht ändern) als völlig unbegabt rausgeschmissen wurde?!?! Und was hat das Mädel für entzückende kleine musikalische Kleinode gebastelt!

Ich verstehe es einfach nicht, warum man die Leute so schnell auf gibt.
 
Manchmal bedeutet Klavier zu spielen eben einfach nur: über die Musik zu sich selbst finden.

Vielleicht sogar, immer...? Und darüberhinaus, sich selbst in der Musik erleben, spüren, fühlen, darin eintauchen, ein Bad nehmen, eine aktive Rolle dabei zu übenehmen...?

Manche Menschen stehen sich einfach furchtbar im Weg

Ich frage mich besonders, ob das mir und vielen Sport-Kollegen nicht so geht: daß man sich irgendwie total selbst dabei "im Weg" steht, einfach viel besser zu werden. (Klavierspiel ist in dieser Hinsicht aber noch um einiges differenzierter, schwieriger, und vielschichtiger, finde ich...)


ansonsten dachte ich immer, man solle ernst nehmen, was die lieben Kleinen sagen

BÖSER Hrolf, böser....:D:D - ich bin froh, daß Dir beim "pinkenen" Panther kein "L" zwischen reingerutscht ist, -

Ansonsten Schöne Grüße,
Dreiklang
 
...wieso bin ich böse, wenn ich darauf hinweise, dass in Violas Darstllung klein-Ben mitteilt, dass er nur dieses Stück lernen bzw. können will? (ich hab nirgendwo gelesen, dass klein-Ben auch nur angedeutet hätte, dass er dies und das dazu oder danach auch können will)

...und zum Selbstfindungsaspekt speziell von Kindern im Grundschulalter sage ich mal lieber nichts... ;)
 
...und zum Selbstfindungsaspekt speziell von Kindern im Grundschulalter sage ich mal lieber nichts... ;)

Ich denke, ich weiß exakt, was Du meinst... ich hab letztlich um das Geschehen rund um Ben auch eine eigene Meinung, aber es ist halt nur (m)eine Meinung - und von dem her wohl kaum wichtig oder erwähnenswert... ich gehöre wohl auch zu denjenigen, die im "Fall Ben" irgendwann mal einen Schlußstrich gezogen hätten (allenfalls mit dem Gedanken im Hinterkopf:"Man kann halt nicht die ganze Welt retten").
Was und wie andere tun, da möchte ich nicht dreinreden, und ich kann mich letzten Endes auch davon unberührt lassen, -

Tut mir leid, falls ich etwas harsch rübergekommen bin,

Schönen Gruß, Dreiklang
 

Für mich persönlich ist Violas Haltung absolut verständlich und nachvollziehbar, und hat in meinen Augen nichts mit "Welt retten" zu tun. Jeder Mensch (in diesem Fall Schüler) ist ein Individuum für sich, es gibt Schüler welche "pflegeleichter" sind und Schüler welche sich als etwas komplizierter erweisen - klar, kann man sich die Rosinen herauspicken, nur die größere Herausforderung sind die komplizierteren Schüler. Meiner Erfahrung nach schlummert in jenen ein ungeahntes Potential, welches nur geweckt werden muß.

Viele Grüße

Styx
 
Ich frag mich, ob Klavier das richtige Instrument für ihn ist. Vielleicht würde er viel lieber Schlagzeug oder spielen...
 
Ben gehts es gut, er fummelt sich jetzt durch den ganzen Pink Panther, es macht ihm Spaß wenn es ihm glückt um die Klippen herum zu schiffen. Er ist jetzt keineswegs das, was man als "Behindert" bezeichnen würde, trotzdem habe ich mich bei einem Artikel in der NMZ (Neue Musikzeitung) Ausgabe 11/11 S. 45 gefragt, warum es viele Kollegen schlichtweg ablehnen, "Problemschüler" zu unterrichten und ihnen leichterhand "mangelnde Begabung" vorwerfen. Überhaupt: vorwerfen... da kräuseln sich mir die Zehennägel...

hier wird auch mal darüber informiert: Musikunterricht mit Behinderten:

http://www.nmz.de/artikel/auf-dem-weg-zur-gesellschaftlichen-inklusion

bei Gelegenheit scanne ich den aktuellen Artikel mal ein.


Ha, der Vorwurf an mich, ich würde Klavierunterricht mit Therapie"versuchen" verwechseln ist jetzt für mich endgültig vom Tisch. Das hat mich durchaus sehr beschäftigt und auch verletzt irgendwie. Tief in mir fühlte ich, dass ich einfach auf meinem Weg "richtig" bin, vielleicht auch anderen voraus.

Also Leute, schmeißt ihr ruhig alle Schülerinnen und Schüler raus, die nicht fleißig genug, nicht begabt genug, nicht intelligent genug etc. sind, ich kümmere mich dann um sie.

"... weil Können allen Menschen Spaß macht!"


Schöne Überschrift des aktuellen Artikels, finde ich.

So long

AL

V.

edit PS: ach ja, und er spielt gerade locker einige Weihnachtslieder nach Noten "vom Blatt"... allerdings nur die Rechte Hand. Na, da will ich mal mit zufrieden sein. Ich finde es einfach immer gut, wenn sich Leute mit Musik beschäftigen.
 
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Ha, der Vorwurf an mich, ich würde Klavierunterricht mit Therapie"versuchen" verwechseln ist jetzt für mich endgültig vom Tisch. Das hat mich durchaus sehr beschäftigt und auch verletzt irgendwie. Tief in mir fühlte ich, dass ich einfach auf meinem Weg "richtig" bin, vielleicht auch anderen voraus.

Von Dir, liebe Viola,

lerne ich ebenfalls immer wieder gerne.

herzlicher Gruß
Kulimanauke
 


Ich bin sehr stolz! Ben hat ein Weihnachtslied mit 2 Händen fehlerlos gespielt (von kleinen rhythmischen Unfeinheiten mal abgesehen).

Er hat so kleine "unwillkürliche" Bewegungen in seiner Motorik, die aber schon vieeel besser sind als noch vor einem Jahr!!

So long,

ich wünsche allen ein Frohes Fest!
 
Ich finde es geradezu unangenehm, dieses Video anzuschauen, sorry.

Ein Schüler, der schon an die 4 (!!!) Jahre Unterricht hat, spielt wie einer, der gerade mal wenige Wochen dabei ist. Klar, man sieht nicht, wer es ist, aber trotzdem empfinde ich das geradezu als Bloßstellung.

Überdies ist es eine maßlose Untertreibung, von "so kleinen unwillkürlichen Bewegungen" zu sprechen; die gesamte Bewegungsweise ist extrem verkrampft und unzweckmäßig.

Ich hoffe, Du hast ihm nicht auch noch beigebracht, daß er "die Finger schön krümmen soll, so als hielte man ein Bällchen"...

LG,
Hasenbein
 

Er hat so kleine "unwillkürliche" Bewegungen in seiner Motorik...

Ich bin kein Klavierlehrer, Viola, und deshalb kann ich die unwillkürlichen Bewegungen nicht sehen; ich sehe eher das Gegenteil, nämlich eine unheimliche Anspannung bis hin zur Verkrampfung. Wenn es mein Kind wäre, würde ich ihm Knete schenken, noch besser Dreck/Sand/Schlamm mit Wasser vermengen und "panschen" lassen. Auch ein Meerschweinchen zum Rumtragen wäre toll. Auf jeden Fall einen Ball, zum hochwerfen und auffangen. Er muss streicheln, streicheln, streicheln. Das Klavier ist doch das genaue Gegenteil von dem, was das Kind braucht. Ben hat doch ein Alter, wo man in ganz kurzer Zeit, unzureichende Grundbewegungsmuster erkennen kann. Schwimmen gehen! Ich verstehe nicht, was ihr da macht, egal, was ihr für Fortschritte seht. Es gibt doch unendlich viele Möglichkeiten im Leben!

Schau Dir mal einen 6-Jährigen an, der einen Ball 10x mit dem Fuss hochhält, wie weich der wirkt und dann betrachte einen, der 1x ohne Kontrolle dagegentritt. Diesen Grundtonus kann man nicht an- und nur ganz langsam wegtrainieren, wenn er fehlt.
 
Wie dem auch sei - bei Ben ist NICHTS zu erkennen, was Veranlassung dazu böte, zu sagen: "Dieser Junge sollte weiter Klavier spielen". Absolut nichts!

Der Junge sollte tatsächlich lieber was machen, bei dem er sich ordentlich austoben kann und seinen Körper, insbesondere dessen Lockerheit, Geschicklichkeit, Balancemöglichkeiten, fordert und fördert, da hat Neronick prinzipiell recht, auch wenn er es mal wieder auf seine eigenartig verkiffte Weise ausdrückt :D

Mannmann, was den armen Kleinen so angetan wird, bloß weil die Eltern meinen, der Maulesel sei in Wirklichkeit ein getarntes Rennpferd, und die Lehrerin meint, sie sei eine irre gute Pädagogin, wenn sie Ungeeignete auf Deubel komm raus zu halten versucht...

LG,
Hasenbein
 

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