Ich finde die Methode inhaltlich ziemlich korrekt. Das Hirn lernt besser mit Bildern und emotionalen Belegungen. Das stimmt. Leider wird das oft im "normalen" Betrieb vergessen.
Mit Ben und seiner Mutter gab es letztens ein Gespräch.
Mutter: Ich frage mich, ob ich zu sehr wollte, dass Du, Ben, Klavier lernst aber Du das vielleicht gar nicht willst sondern vielleicht lieber ein anderes Instrument lernen willst, Schlagzeug oder so etwas.
Viola. (gehe dazwischen): nun ja, er wurde ja auch nicht gefragt, ob er Deutsch lernen will oder ob ihm vielleicht Chinesisch besser gefallen würde. Das spielt erst einmal keine Rolle. Erst später ist das wichtig, und jetzt ist eben fast später. Mir ist zunächst wichtig: Ben, WILLST Du denn dieses Stück lernen?
Ben: Ja, eigentlich will ich nur dieses Stück lernen.
Viola: Diese Info finde ich sehr wichtig, denn zwischendurch war ich mir da nicht sicher. Ich verstehe manche Schüler nicht immer sofort und dann suche ich, was ich für die Schüler tun kann. Wenn Du das Stück spielen lernen willst, aber irgend etwas klemmt, dann müssen wir suchen, woran das liegt. Ben, Frage: wie kommt das, dass Du manchmal mit der falschen Hand, also der rechten Hand, die Töne der Linken spielst? Das verstehe ich nicht.
Ben: weiß nicht.
Viola: bist Du Linkshänder oder Rechtshänder?
Mutter: eindeutig Rechtshänder.
Ben: Fußball spiele ich mit dem linken Fuß, links außen.
Viola: aha, machst Du sonst noch etwas mit Links?
Ben: ja, Ball werfen.
Viola: aber Schreiben und malen tust Du von Anfang an mit rechts?
Ben: ja klar, wie alle.
Viola: Und Federball spielen?
Ben: kann ich nicht.
Viola: Mit dem Stock schlagen oder irgend etwas mit einem Stock machen?
Ben: mal so mal so.
Mutter: jaja, er ist wahrscheinlich beidhändig. Messer links beim Brot schmieren und beim Apfel schälen auch. Schere aber rechts.
Ben: die geht links ja auch nicht.
Viola: es gibt auch Scheren für linkshänder.
Ben: ich bin aber Rechtshänder.
Viola: Deine Schwester ist Linkshänder. Vielleicht bist Du ja wirklich einfach Beidhänder und dann gibt es ja auch noch Leute, die sind Rechtshänder, führen aber die rechte Hand mit dem "falschen" Auge so wie ein Linkshänder eben, aber das weiß ich auch nicht so genau. Aber ich hatte da mal einen sehr intelligenten Schüler, der hatte enorme Probleme, die Hände auseinander zu halten und ich hätte ihn damals fast rausgeschmissen, aber er wollte eben unbedingt Klavier lernen, weil ihn das Spaß machte.
Ben: mir macht das auch Spaß, nur wenn ich die Sachen so falsch mache finde ich das blöd.
Viola: ach, du, das muss Dir nicht peinlich sein oder so. Wenn das für Dich schwer ist, dann übern wir das eben, bis es klappt. Hauptsache, Dir macht das Spaß und ich denke nicht, dass Du mich auf den Arm nehmen willst. Deshalb ist das ja wichtig für mich zu wissen, was Du willst. Sonst passiert noch mal das Gleiche wie mit Deinem Halbbruder, den habe ich damals ja rausgeschmissen, weil ich dachte, der verar...t mich voll und will mich nur wüten machen dadurch dass er alles extra falsch macht. Aber vielleicht habe ich ihm das einfach nicht so erklärt, dass er es verstanden hat.
Mutter: ach, das wusste ich ja gar nicht, dass Du den Karl rausgeschmissen hast!
Viola: Doch ja, das ist mir heute wohl peinlich, aber da war ich ja auch viel jünger und habe wohl falsche Schlüsse gezogen.
Ben: Was? Du hast den Karl rausgeschmissen?
Viola: Ja. Das war für mich sehr schwer mit ihm, ich habe versucht ihm etwas bei zu bringen und das hat nicht geklappt. Da habe ich mich gefragt, ob der überhaupt WILL, ob er überhaupt MUSIKALISCH ist, ob er vielleicht ein wenig BLÖDE ist oder ob er einfach nur MICH bescheuert findet oder vielleicht war ICH ja einfach nur zu dumm IHM etwas bei zu bringen. Das kann ja auch sein, dass er mich doof fand. Ich weiß es nicht.
Ben (lacht): nee ganz bestimmt nicht!
Viola: Wir machen das jetzt einfach mal so, wir schnüren ganz kleine Lernpakete und machen viel Musik zusammen. Und ich habe das jetzt schon einige Male erlebt, dass aus SchülerInnen, die anfangs gar nicht so schnell Fortschritte gemacht haben, hinterher richtig gute Klavierspieler geworden sind, die noch heute gerne in die Tasten greifen. Wichtig ist einfach nur, dass es Spaß macht und dass man Klavier lernen WILL.
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So sind wir dann auseinander gegangen, irgendwie war der kleine Mann sehr befreit.
Mir war wichtig, dass er nicht denkt, dass er "zu blöde" wäre oder dass er irgend eine "Schuld" hätte (das berühmte Gefühl, ein "böses" oder "unartiges" Kind zu sein).
Mal sehen was draus wird. Manache Menschen stehen sich einfach furchtbar im Weg. Eine andere Schülerin, die eine sehr schlimme Biografie hat mit Krankheit und so weiter, war jahrelang meine "schlechteste" Schülerin. Mittlerweile spielt sie ganz passabel, kann Noten lesen und lernt ein Stück nach dem anderen. Im Moment ist sie ganz vernarrt in die Filmmusik von Michael Nyman zu "Das Piano". Nicht besonders schwer aber doch an einigen Stellen durchaus trickig. Für sie ist das Herzblut und sie kann dabei gut zu sich selbst finden. Andere gehen: angeln. Nun ja. Nicht immer bedeutet "Klavier spielen lernen" dass man als Ziel hat, Fugen von Bach spielen zu können oder irgendwie auf Profi-Ebene zu spielen.
Manchmal bedeutet Klavier zu spielen eben einfach nur: über die Musik zu sich selbst finden.
Und dabei bin ich unterstützend tätig. Auch wenn der Weg dieses "zu sich selbst finden" nicht den Weg zu den Kronjuwelen der klassischen Musik nimmt.