Lieber Friedrich,
du bist ein wahrer Schatz!!! Und du, liebe Kulimanauke, auch!!! :kuss:
Dein Beitrag hilft mir wirklich weiter, denn er sorgt für Klarheit!!! Vielen Dank!!!
Die Konstatierung eines Mißverhältnisses zwischen prototypischen Herrscherbild und seiner Realisierung haben wir also gemeinsam, nicht wahr?
Das haben wir absolut gemeinsam!
Es stellt sich also die Frage nach dem Sinne dieser Brechung.
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Der Unterschied zwischen uns beiden ist, daß ich darin ein Mittel der Distanzierung vom Stoff sehen, Du hingegen ein Mittel der vertiefenden Ausdeutung des Stoffes.
Wunderbar gesehen und formuliert!
Daß der König die Entscheidung einem Gottesurteil überläßt, ist jedenfalls nie und nimmer Zeichen von Schwäche, sondern, angesichts des unauflösbaren Konflikts zwischen zwei politisch wichtigen Häusern, mit dem er da unerwarteterweise konfrontiert wird, ein völlig legitimes Mittel der Wahrheitsfindung; indem er zu ihm greift, gibt er tatsächlich der schwachen Elsa Halt, denn die Wahrheit ihrer Sache - so sie denn wahr ist - muß so unweigerlich ans Licht kommen und gleichzeitig nimmt er dem Telramund die Möglichkeit, die Macht seiner Autorität und seiner physischen Überlegenheit ungestört auszuspielen. Die Grundlage des antiken und frühmittelalterlichen Gottesurteils nämlich ist der unhinterfragte Glaube an den Sieg des guten Rechts. Die RGG schreibt dazu: "Der ursprüngliche Rechtsgang bezweckt die Aufzeigung und Ausscheidung dessen, der Ungenosse geworden war: Friede beruht in der Ordnung, gegen die der Friedebrecher verstößt; so muß das Rechte siegen, wenn der Friedebrecher einem Friedewilligen auf Tod und Leben gegenübergestellt wird."
Ich sehe also nicht, daß Neuenfels in der Königshandlung dem Libretto gerecht geworden ist.
Vielen Dank auch für diese Informationen!!! Das wusste ich nämlich nicht! Für mich war wirklich das Gottesurteil ein Zeichen von Schwäche, weil ich und jeder andere heutige vernünftige Mensch wohl anders handeln würde. *grins²*
Aber man muss ja das Libretto im damaligen historischen Kontext sehen und da sehe ich absolut ein, dass zumindest diese Vermutung von mir die Königshandlung nicht rechtfertigt.
Fazit: da ich mich leider nicht so intensiv mit dem Libretto, den historischen Bezügen etc. beschäftigt habe, kann ich also letzten Endes nicht beurteilen, ob Neuenfels hier und anderswo dem Libretto nicht gerecht geworden ist.
Was ich aber trotzdem für möglich halte und was auch deinen Beitrag, liebe Kulimanauke angeht,....
Egal welchen Wesenszug ich von Dir, liebe Chiarina, inszenieren würde können, z. B. ziehe ich mir mal den diskussionsfreudigen Aspekt heraus, bliebest Du als Chiarina-die Lichtgestalt im Original bestehen, die ich nicht in einen Strampelmann umfunktionienren würde und ihr ein Strampelhosen-Kostüm aufzerre.
Die Lichtgestalt muß (für mich) erkennbar bleiben, auch wenn sie z.B. die unsichere Rolle spielt. Ich will mich ja als Zuschauer in der Rolle wiedererkennen, aha- die Lichtgestalt ist also auch unsicher und so kommt diese zum Vorschein - das ist die Kunst, die Charaktere herauszuspielen. Der Zuschauer geht ja nicht nur wegen der Musik z. B. in die Oper oder ins Schauspiel. Er will was von sich sehen - sein offenes Geheimnis.
Und wenn denn da evtl. ersatzweise Strampelmänner hin- und herhüpfen als Assoziation zur Diskussionsfreudigkeit, würde ich als Zuschauer nach Hause gehen - ich laß mich doch nicht verkohlen ...
...ist, dass es irgendwo im Libretto etwas geben könnte, was diese Königshandlung dennoch rechtfertigen könnte (Übrigens fand ich den König nicht nur haltlos. Er hatte m.E. durchaus Autorität).
Mir wird immer klarer, dass ich in einer Opernaufführung tatsächlich an der Deutung des Stoffes durch den Regisseur interessiert bin. Das Wichtigste - und weshalb ich überhaupt in die Oper gehe - ist für mich natürlich die Musik. Da braucht es ein gutes Orchester, gute Sänger, einen guten Dirigenten. Dann kann für mich schon mal nicht viel schief gehen.
Was für mich aber der faszinierende Unterschied ist zu einem Konzert, einem Liederabend, ist das Optische. Das ist für mich, die ich in Konzerten etc. immer zu
höre, eben etwas ziemlich anderes. Daher mag ich auch konzertante Aufführungen von Opern oder von ihren Teilen nicht so sehr.
Deutungen sollten sich selbstverständlich immer aus dem Libretto
und der Partitur ergeben, Werktreue oder Texttreue muss die Grundlage sein! Eine gelungene Inszenierung nimmt der Musik dann nichts, sondern sie ergänzen sich. Hinterher geht man wahrhaft berückt nach Hause, berührt von sehr intensiven Sinneserlebnissen, eben auch optischen.
Wieder angenommen, ein Regisseur würde meine Person inszenieren, so würden mich sehr seine subjektiven Deutungen meiner Handlungen und gesprochenen Worte interessieren. Ehrlich gesagt, erlebe ich in meiner Familie jeden Tag, dass Handlungen von verschiedenen Personen äußerst unterschiedlich gedeutet werden. :D Ich halte es also für möglich, dass jemand in den Handlungen einer Figur etwas sieht, was andere nicht sehen. Und ich bin leider immer furchtbar neugierig, wie andere etwas sehen. Das erweitert meinen Horizont, auch wenn ich nicht zustimme.
Deshalb wäre ich auch sehr neugierig, was ein Regisseur bzgl. meiner Person zu sagen hätte. Es würde mich keineswegs stören, wenn er nur eine Seite meiner Persönlichkeit herausstellen würde und vielleicht andere mich gar nicht mehr erkennen. Es ist seine Sichtweise, die er aus dem "Libretto", in dem Fall also meinen Handlungen und Ansichten, gezogen hat. Zu knabbern hätte ich schon, wenn ich denn im Strampelanzug auftreten würde, denn da müsste ich überlegen, ob Lächerlichkeit oder Babyträume ... mit mir verbunden werden *grins*. Es gibt also natürlich Grenzen, aber die sind eben bei mir offensichtlich weiter gesteckt als bei anderen und das wiederum passt auch zu mir.
Tja, das ist jetzt ziemlich persönlich geworden, allerdings finde ich es toll, wieviel klarer einem die Dinge in so einer Diskussion werden. Danke :) !
Liebe Grüße
chiarina