Ich weiß, man soll nicht immer andere Leute richten, blablablaaa usw.
Aber wenn ich EINS nicht abkann, sind das Leute, die nur "neue" oder "junge" Sachen mögen und "alte" Dinge (bzw. Dinge, die sie mit "alten Leuten" in Verbindung bringen) ablehnen bzw. "langweilig" finden.
Dies ist schlicht DUMM, und letztlich sind diese Leute gebrainwasht.
Ich kann 100% ehrlich und mit stolzgeschwellter Brust sagen, dass ich nie so war. Mir ging es, seit ich klein bin, immer völlig am Arsch vorbei, ob etwas "alt" oder "neu" ist oder was andere typischerweise darüber denken. Mir ist so etwas wie "peer pressure" gänzlich unbekannt, und ich war nie stolz darauf, jung (und damit verwirrt und unwissend) zu sein - denn Älterwerden bedeutet besser zu werden, mehr zu wissen und können, klarer in der Birne zu werden.
Sich selbst als "junge, moderne Frau" zu bezeichnen mit "jungem, frischem Stil", das ist derart DÄMLICH, dass absolut das Jugendwort des Jahres darauf zutrifft: CRINGE!!!
Ja, man muss halt verstehen, was "Kultur" ist. Im Grunde: Die Summe der Erfahrungen der Menschheit, unser "kulturelles Gedächtnis". Jeder der Stargate kennt (ok, entschuldigt den cringen Vergleich), weiß, dass die
Goa'uld ein genetisches Gedächtnis haben. Sprich: Jeder Goa'uld agiert, als ob er alle Erfahrungen von allen vorherigen Goa'uld selbst gemacht hätte. Dies haben wir leider nicht: Ich habe leider nicht die Erinnerung, wie Bach die Johannes-Passion komponiert hat, wie Machaut seine isorhythmischen Motetten komponiert hat, wie Perotin die Modalrhythmik gut fand und wie jemand dann auf die Mensural-Notation kam. Leider hatte ich auch als Kind nicht die Erinnerung, wie mein Urgroßvater auf eine heiße Herdplatte gefasst hat, somit musste ich diese Erfahrung leider selbst machen.
Anders gesagt: Man stelle sich vor, dass man auf einmal auf einer einsamen Südseeinsel aufgewachsen wäre und von einem unkontaktierten Urvolk großgezogen worden wäre. Könnte man dann einen guten Roman schreiben, eine gute Sinfonie komponieren oder einen guten Film drehen? Ich denke kaum: Kunst lebt noch viel mehr als andere Bereiche davon, dass Generationen von Menschen Dinge ausprobiert haben, weitere Generationen von Menschen dies rezipiert haben und weitere Generationen an Kunstschaffenden – bis heute – dies weiterverwendet (abstrahiert, ausgesiebt, ...) haben. Nur dadurch konnte sich aus den gregorianischen Gesängen die Musik entwickeln, wie wir sie heute kennen. Diesen ganzen Erfahrungsschatz, diese ganzen gemachten Fehler und Experimente zu ignorieren führt zu "flachen" Endprodukten. Oder in @Stilblütes Gleichnis: Wenn ich nur Urhirse und Trockenfisch kenne, käme ich nie auf die Idee einen Auflauf zu kochen. Aber wenn ich die japanische, griechische und thailändische Küche studiert habe, kann ich bestimmt ganz, ganz spannende und für alle Gaumen interessante Fusion-Gerichte kochen!
Noch ein Beispiel: Ich lese gerne Krimis. Und liest man alte Krimis von Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle fällt auf, dass die Handlungen/Situationen irgendwie viel offensichtlicher und konstruierter sind als in modernen Krimis. Das liegt aber bestimmt nicht daran, dass Agatha Christie oder Doyle dümmer waren als wir. Sondern nur daran, dass moderne Krimiautoren ältere Krimis lesen können, verstehen können was ihnen gefällt und was nicht, und dann ihren eigenen Stil entwickelt haben, der diese "Fehler" nicht mehr macht. Aber wenn sie auf das Lesen älterer Krimis verzichten würde das Resultat sicher viel, viel, viel, viel flacher und schlechter ausfallen, weil sie ja das Rad neu erfinden müssten und dabei dann eventuell doch – weil sie es ja nicht besser wissen konnten – nur eine Kufe rauskommen würde.
Ja, soviel zu meinem Exkurs zum Thema Kultur. Ich finde es tut ganz gut manchmal darüber nachzudenken. Wir sind nämlich wahrscheinlich nicht so viel klüger als die Menschen in der Bronzezeit. Wir können nur auf ein gewaltiges kulturelles Gedächtnis zurückgreifen. Ich glaube zum Beispiel, dass ich wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen wäre, Körner von Gräsern zu mahlen, mit Wasser zu vermischen und ans Feuer zu legen.