Zunächst zu der Skala, die ich entwickelt habe ... entwickelt ist eigentlich schon der falsche Ausdruck, denn eigentlich habe ich mir nur ein äusserst simples Konstruktionsprinzip ausgedacht.
Ich habe sie damals "Skala #1" genannt, weil ich dachte, ihr würden weitere folgen.
Man nehme (so man habe ... den Spruch wollte ich schon immer mal bringen) 12 Eier ... nee Quatsch.
Die Töne von C-Dur (die habe ich erstmal für Vier Oktaven hingeschrieben).
Dann kam vor den ersten Ton ein
b, vor den Zweiten ein # und vor die nächsten beiden ein Auflöser (der Sinn ergibt sich erst später), und das wird dann wiederholt.
Am Ende habe ich dann noch die sich ergebende Skala bereinigt (Doppelungen durch enharmonische Verwechslungen etc.).
Die Skala sieht dann über die ersten zwei Oktaven so aus.
Ces, Dis, E, F,Ges, Ais, h, c, des, eis, f, g, as, his, c, d (unbereinigt), bzw.
H, Dis, E, F, Ges, Ais, h, c, des, f, g, as, c, d (bereinigt) ... und immer so weiter.
Der Tonraum ist dabei immer eine kl. None und man merkt schon, dass sich dieses Biest in jeder Oktave anders darstellt.
Am Anfang von "67?" hört man die "Oktaven" dieser Skala in absteigender Folge ... e, dis, d, cis, c über einem Mini-Cluster aus den selben Tönen in enger Lage.
Einer der Klänge, die in der barcarole aufgeschlüsselt werden, ist auf völlig normale Weise entstanden ... klingt durch diese Skala aber seltsam. Wie macht man das in einer Diatonischen Tonleiter ... genau, man lässt immer einen Ton weg.
Die "1. Stufe" in dieser Tonleiter besteht also aus den Tönen H, E, Ges und c. Die zweite wäre Dis, F, Ais und des.
Noch alle wach? Bekommt schon jemand Kopfschmerzen?
Naja ... das war das Ausgangsmaterial sowohl für "67?" als auch für "barcarole" ... zwischen den Stücken liegen zwei Jahre und in der barcarole erscheint diese Skala weit häufiger, da ich sicherer darin wurde, damit zu improvisieren.
Nun zum Kompositionsprozess.
Ich habe eine ganze Weile nur mit dem Tonmaterial der Skala herumexperimentiert, habe damit gespielt, zugehört, und ab und zu mal einige Noten aufgeschrieben, wenn mir eine Passage interessant vorkam. Anfangs war das wenig zielgerichtet, ich habe eben einfach mit meiner Skala gespielt und habe die Tonwelt, die sie eröffnete, dabei studiert und entdeckt.
Nach ca. 2 Jahren stand dann meine "Facharbeit" fürs Abitur im Leistungsfach Musik an, und da kam ich auf die Idee (halb zog es ihn, halb sank er hin ... will sagen, die Idee kam nicht ganz allein von mir), das Material,welches in den letzten Jahren entstanden war, auf mögliche Themen zu durchforsten ... dabei stieß ich dann auf das, was heute das Intro zu "67?" ist ... die sich daran anschließende Passage ist sehr wahrschenlich irgendwo abgekupfert ... ich habe mich damals ein wenig mit Polyharmonik beschäftigt. Es würde mich garnicht wundern,wenn etwas in der Art auch bei Strawinsky auftaucht.
Formal ist 67? an einem Sonatenhauptsatz orientiert, obwohl sich die teile der Exposition nicht 1:1 wiederholen und in der reprise nochmals verändert wurden. Das zweite Thema (ein 5er Rhythmus) ist eigentlich mehr aus einem bierseligen Treffen mit zwei anderen Musikern und Spassvögeln entstanden.
Eine wirkliche Durchführung hat mich damals überfordert, also wurde dieser Part einfach "irgendwie" gefüllt .. wieder diente dabei das als Orientierung, was ich zuvor aufgeschrieben hatte.
Der Rest ist im Grunde die Arbeit mit den mir vorher bereits bekannten Kompositionstechniken, wie sie auch Bach bereits eingesetzt hat ... Mehrstimmiger Satz, Augmentation, Diminution, Spiegelung, Krebsgang u.s.w. ... natürlich auch die Versetzung des Themas in eine andere Tonart.
Bei der barcarole lief das ähnlich ... nur mit zwei Jahren mehr Erfahrung,was sich ganz offensichtlich ausgezahlt hat.
Bei dem Stück habe ich dem Hörer auch nicht sofort kl. Nonen um die Ohren gehauen, sondern mit schnöden Quintschichtungen begonnen und geendet.
Das Übergeordnete Thema in diesem Stück sind symetrische Akkorde - ein solcher steht am ende (g, b, d, fis, a)* - und die Entstehung der "Skala #1".
*) natürlich ist ein Gm mit großer septime und none kein symetrischer Akkord allerdings habe ich den damals vom D aus aufgebaut ... also große Terz und kleine Terz nach oben und nach unten. Mittlerweile kann ich drüber schmunzeln, aber damals wäre ich echt beleidigt gewesen, wenn man mir gesagt hätte, ich würde ja Jazz-Chords schreiben. Also ist das auch kein gmaj7/9 ... basta!
Ich hoffe, dass sich nun der eine oder andere vorstellen kann, wie ich zu diesen beiden Stücken kam ... im Grunde arbeite ich noch immer recht ähnlich ... ich sammle Ideen und kombiniere sie, wobei ich sie variiere ... manchmal kommt es auch vor, dass ich mich einfach vergreife und dann denke ... "ups, das klingt ja auch nicht übel".
Hat denn jemand das Bach-Motiv (b, a, c, h) erkannt, über das ich ins Hauptthema der Barcarole zurück gehe?