An einem Vorspiel sollten nur Stücke gespielt werden, die zu 150% sitzen.
Eigentlich ja - klar.
Problem ist, dass sich diese vernünftige Anforderung mit dem beißt, wie Klavierunterricht heutzutage typischerweise abläuft und auch typischerweise nur möglich ist.
Da die allermeisten Klavierschüler nur sehr wenig üben, bedeutet ein Vorspiel, dass man viele Wochen vor dem Vorspiel im Unterricht nur mit den Vorspielstücken und mit sonst nichts beschäftigt ist, weil es sonst einfach nicht gut genug wird. Die Schüler üben ja weder mehr, noch sehen sie zu, dass sie das Stück möglichst früh draufhaben. Alles bleibt daran hängen, dass der KL immer wieder Druck machen muss und immer wieder die Stücke mit Engelsgeduld im Unterricht durchnehmen muss.
Bei typischerweise 2 Schülervorspielen im Jahr bedeutet das unter Umständen, dass teilweise 4 Monate pro Jahr für diese Pre-Vorspiel-Phasen draufgehen und in der Zeit nichts anderes, Neues, Interessantes gelernt oder probiert werden kann. Das ist nicht gut und macht auch keinem Beteiligten Spaß.
Daher ist verständlich, wenn ein Lehrer sich sagt: "OK, dann ist halt beim Vorspiel nicht alles so perfekt."
Frag mal jemanden, der z.B. immer bei "Jugend musiziert" oder "Jugend jazzt" dabei ist. Er wird Dir bestätigen, dass die Zahl der Schüler, die dort teilnehmen und auf hohem Niveau sind, in den letzten Jahren deutlich abnimmt, obwohl nicht weniger Leute musizieren als früher.
Ganztagsschule, Durchterminierung der Freizeit und Smartphone- und Computersucht führen dazu, dass 15-30 Minuten Üben pro Tag an 6 Tagen der Woche bereits ein wirklich guter Wert sind und der Schüler schon als engagiert zu gelten hat. Was soll dabei auch rauskommen?
Bei einstimmigen Instrumenten wie Flöte oder Saxophon oder bei Schrammel-Gitarre geht das noch einigermaßen; bei einem komplexen Instrument wie Klavier sind da Grenzen erreicht.
LG,
Hasenbein