Man sollte also dieses ängstliche, angespannte "Boah ey, ich muß unbedingt diese schlechte Gewohnheit wegkriegen und tüchtig üben, damit die bessere sie übertönt und schließlich ersetzt" tunlichst schnellstmöglich ad acta legen.
Sondern es geht darum, seine Verhaltens-Wahlmöglichkeiten-Repertoire zu erweitern, um dann frei die günstigen Verhaltensweisen wählen zu können und die ungünstigen unterlassen zu können.
Das bedeutet dann Freiheit.
Lernen heißt also auch, mehr Freiheit zu gewinnen.
Genau das meine ich auch! Hattet ihr denn den Eindruck, ich habe das so gemeint, wie hier der fiktive Schüler denkt (angespannt, ängstlich)? Auf keinen Fall meinte ich das so!
Es ist die Frage, was der Schüler will, was seine persönlichen Ziele sind. Manche sind glücklich, einfach ein bisschen zu spielen, Musik kennen zu lernen und ihnen ist es nicht so wichtig, ein Stück so gut zu spielen, wie sie es könnten. Manche wiederum sind unzufrieden, wenn das Stück am Ende nicht so klappt, wie sie es sich vorstellen und ein häufiger Grund dafür ist die Herangehensweise, also die Qualität des Übens.
Und da ist meine Erfahrung, dass es für viele nicht einfach ist, gleich "richtig" zu üben, sich also in aller Ruhe und mit offenen Ohren mit den musikalischen Inhalten zu beschäftigen, hinzuhören und das Stück von möglichst vielen Seiten zu erkunden. Dazu gehört auch, gleich "richtig" zu spielen, also z.B. (eine von vielen Möglichkeiten je nach Stand) sich eine Melodie erst mal anzuschauen, sich vorzustellen, wie sie klingen könnte (evtl. singen), dann ohne Rhythmus in völliger Ruhe die Tonhöhen, also die Melodietöne so langsam zu spielen, dass sie gleich richtig sind und man sich noch zuhören kann, diese dann (oder gleich) mit dem entsprechenden Fingersatz zu spielen, zu wiederholen und dann den Rhythmus hinzuzunehmen. Solch ein Üben, bei dem man sich nur auf wenig konzentrieren muss, bei dem man wahrnimmt, fühlt und hört, ist für viele (erstaunlicherweise :) ) erst einmal anstrengend, vielleicht weil sie es nicht gewohnt sind (ein hier im Forum oft genanntes Beispiel ist das langsame Üben). Es hört sich schön an, wenn man von Freiheit des Übens spricht, aber erst einmal haben Schüler (zunächst) das Gefühl von Disziplin, nicht von Freiheit. Besonders, wenn sie sich nach einem langen Arbeitstag ans Klavier setzen. Und es fällt manchmal schwer, diese Disziplin aufzubringen.
Ich hoffe, ich werde hier richtig verstanden. Ich möchte niemanden kritisieren und selbstverständlich ist jeder anders. Ich meine aber, dass man als KL klar sagen muss, dass man so spielt, wie man übt und dass bestimmte Herangehensweisen ihre Folgen haben. Wenn man solche Prozesse ("umlernen"....), wie Nica sie beschrieben hat, vermeiden will, lohnt es sich sehr, so wie oben beschrieben zu üben, denn das Gefühl, Disziplin aufbringen zu müssen, verflüchtigt sich, je mehr man sich daran gewöhnt, so zu üben. Und dann winkt das, was hasenbein und walsroderpianist beschrieben haben: Freiheit und ein tieferes Eintauchen und Verständnis. Außerdem größere Sicherheit, die ganz von selbst kommt und lebendigeres Klavierspiel.
Liebe Grüße
chiarina