Welche Chopin-Etüde ist wohl die schwerste?

Die Henle-Urtextausgabe der Chopin-Etüden enthält einen kritischen Bericht, der seriös sämtliche verfügbaren Quellen auflistet, und die Unterschiede darstellt, für jede Etüde separat. Dort wird auch genau angegeben, welche Ausgabe Metronomangaben haben und bei Abweichung die Zahl. Da die Erstausgaben allesamt unter der Regie von Chopin stattfanden, dürften auch die Metronomangaben vom Meister autorisiert worden sein.

Im Übrigen habe ich keinen Zweifel, dass bei den viel leichtgängigeren Klavieren zu Chopins Zeit, in Verbindung mit dem kleineren Tastenweg und in Verbindung mit der pianistischen Ausnahmeklasse Chopins die Metronomangaben FÜR IHN relalistisch waren.

Diesen kritischen Bericht kann man frei downloaden, und zwar hier:
klick mich für abweichende Metronomangaben

die crux daran ist, dass sich die Forschung auf Spezialdetails stürzt, welche dann isoliert genommen und ausgewertet werden: 2 Beispiele
Argument 1: Klaviere vor 1840 waren leichtgängiger etc, also spiele man irrsinnig flink (und die Zahl der indirekten Quellen ist Legion)
Argument 2: bis 1850 wurde der "Taktschläger" duolisch (auf und ab) gesehen, sodass alle Metronomzahlen vor 1850 zu halbieren sind, weil wir erst ab ca 1850 je EIN Ticken für EINE Einheit nehmen (auch hier bei Talsma und Wehmeier herrliche Materialien, um nur 2 Quellen zu nennen)

Was ist da nun die "Wahrheit"? (und zu Argument 2: ja wie halbiert man denn, wenn für das Metronom ein punktiertes Viertel gewählt ist, wie in op.10 Nr.9?)
:):)

die robusten Konzertflügel ab 1830-40 (Erard, Broadwood, auch Pleyel), auf denen Chopin öffentlich auftrat, waren unseren Instrumenten ähnlich, auch was die Tastatur betrifft (Tiefgang, Breite usw.) - Exemplare aus dieser Zeit finden sich in vielen Museen, teils restauriert, teils ramponiert - die entsetzliche Gurke, die im Warschauer Chopinmuseum steht, hat minimal schmalere Tasten und weniger Tiefgang als heute, ist aber nicht repräsentativ für den Konzertstandard damals! Indirekt spricht auch die natürliche Griffweite (was für Akkorde werden bei Chopin arpeggiert, was für welche nicht!!!) für das gesagte; die industrielle technikgeschichte dito.

leider ist der "Apparat" der Henle-Ausgabe nur eine Art "Kurzfassung" wie ausgewählte "essentials" - die Studienausgaben bieten viel viel mehr, zu schweigen von den russischen und polnischen Studienausgaben.

Freilich nützt das nicht für die Diskussion um die Tempi - ich habe ausgehend von den als authentisch gesichert geltenden Metronomangaben die ungefähre Richtlinie genannt, dass zu ca. 80% von den sehr schnellen ausgegangen werden muss. In welcher Weise natürlich auch hier noch - in der Musikwissenschaft und in der Klavierpädagogik - offener Diskussionsbedarf besteht, habe ich am Exempel der zwei Argumente hoffentlich klar machen können.

abschließend meine persönliche Meinung: es schadet nicht, die schnellen Tempi als Richtlinien zu verstehen!

Gruß, Rolf
 
leider ist der "Apparat" der Henle-Ausgabe nur eine Art "Kurzfassung" wie ausgewählte "essentials" - die Studienausgaben bieten viel viel mehr, zu schweigen von den russischen und polnischen Studienausgaben.

Bei der Henle-Ausgabe handelt es sich um eine Urtextausgabe. Man stützt sich daher hauptsächlich auf die Autographen und die von Chopin autorisierten verschiedenen Erstausgaben. Daher wird logischerweise nicht auf irgendwelche darauf fußende Studienausgaben zurückgegriffen mit ggfs. willkürlichen Herausgeberangaben bei der (zugegebenermaßen schwierigen) Entscheidungsfindung für den URTEXT. Die (sehr interessante!) Diskussion zu den Metronomangaben im kritischen Bericht (siehe Link im vorherigen Beitrag) betreffen daher nur die Angaben, die Chopin vorgenommen oder zumindest gebilligt hatte.

Argument 1: Klaviere vor 1840 waren leichtgängiger etc, also spiele man irrsinnig flink (und die Zahl der indirekten Quellen ist Legion)

Auch noch die Klaviere vor 1900 waren erheblich leichtgängiger und haben auch einen sehr spürbaren kleineren Tastenweg. Ich weiß wovon ich spreche, habe nämlich selber auch noch ein Klavier von 1892. Wenn es interessiert, kann ich mal das Niederdruckgewicht als auch den Tastenweg nachmessen (beim nächsten Urlaub, da es im Ferienhaus steht). Obendrein waren die Hammerköpfe erheblich leichter, bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, so dass das dynamische Spielgewicht erheblich leichter war.

Dass man aufgrund dessen irrsinnig flink spielte, wäre eine nicht belegbare Vermutung, die ich nicht anstelle. Meiner Meinung nach reichen aber die Chopin'schen Metronomangaben, in Verbindung mit dem auch jetzt noch nachweisbaren Spielapparat der Instrumente, in Verbindung mit den Zeitzeugenaussagen über das Spiel dieses Ausnahmevirtuosen, um sich ein Bild zu machen.

Argument 2: bis 1850 wurde der "Taktschläger" duolisch (auf und ab) gesehen, sodass alle Metronomzahlen vor 1850 zu halbieren sind, weil wir erst ab ca 1850 je EIN Ticken für EINE Einheit nehmen (auch hier bei Talsma und Wehmeier herrliche Materialien, um nur 2 Quellen zu nennen)

Das ist nur eine gewagte Behauptung und These. Demgegenüber stehen Zeitzeugenaussagen, die belegen, dass die Tempoangaben eben nicht zu halbieren sind, sondern so wie heute zu lesen sind. Habe diese Aussagen nicht "zur Hand", es lohnt sich vielleicht ein extra Faden, um das zu diskutieren. Inwiefern die Metronome einigermaßen geeicht waren, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
 
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Lieber Mindenblues,
sicher müssen wir hier keine Armeen an Argumenten gegeneinander antreten lassen, was musikwissenschaftliche Forschung ist und was nicht. Ich gehe davon aus, dass dir als Kenner bekannt ist, wie sich deutsche, polnische, französische, russische Urtextausgaben (sic) voneinander unterscheiden - und sie alle sind guten Gewissens nach akribischem Quellenstudium abgefasst worden.

ein wenig traurig stimmt mich deine Kritik über die zitierten (nicht meine Meinung) Autoren Talsma und Wehmeier - ist es deiner Ansicht nach denn falsch, wenn "Behauptungen" und/oder Arbeitshypothesen verifiziert oder falsifiziert oder wenigstens diskutiert werden?

ich bin überzeugt, niemand nimmt einen Schaden daran, wenn er sich in den Hexenkessel der sich ständig verändernden musikwissenschaftlichen Literatur einliest. LEIDER ist Chopin, ja überhaupt die Klaviermusik der "virtuosen Epoche" kein zentraler Gegenstand der deutschen (bzw. deutschsprachigen) Musikwissenschaft ist, noch trauriger ist die Tatsache, dass die Literatur zur Aufführungspraxis (und das entspricht ja cum grano salis dem Thema hier) gerade dieser "Epoche" sträflich unterrepräsentiert (in D) ist...

eine Frage aus Neugier habe ich: ist dein Klavier Ende 19. Jh. einer der robusten Konzertflügel der Mitte des 19. Jh.? Damals wie heute gab es zahlreiche Hersteller, die allerlei (sintemal ohne Din-Normen) produzierten - Heinrich Heine als Zeitzeuge mokierte sich amüsant über die Klaviermanie seiner Zeitgenossen. Chopin, Liszt - wo sie öffentlich spielten - hatten als "Superstars" (des Klavierzirkus) meist das entsprechende "Profi-Equipment" (wie man heute sagen würde) - ok, Liszt hatte vor 1846 oft genug einen Flügel "platt" gemacht (nachweislich einer seiner show-effekte...) und selbstredend waren die noch nicht so robust wie ein heutiger Steinway - aber recht sicher ist, dass Chopin und Liszt NICHT für zukünftige bessere Instrumente, die es noch nicht gab, komponierten, sondern für die sehr guten, die ihnen erst das "neue virtuose Klavierpiel" ermöglichten. Das war für Beethoven noch anders: op.101, 106, 109-111 komponierte er für eher ein für ihn noch "imaginäres" Instrument.

ich persönlich glaube auch nicht, dass Wehmeiers "Halbierungsthese" bis zum jüngsten Gericht haltbar ist! Was die Metronome betrifft, so hat man ja akribisch ausgeforscht, dass Beethovens Metronom technisch ok war (das kann man in der Reihe Musikkonzepte nachlesen), die von den Virtuosen waren es auch - und wie du bin ich überzeugt, dass Chopin Viertel = 176 genauso gemeint hat, wie wir es heute auch lesen.

falls ich mich unklar ausgedrückt hatte: ich habe "gute" Flügel des 19. Jh. oft genug ausprobiert - sie klingen weicher, un poco schwammiger (weil die Dämpfung eher aufhört, d.h. weniger Tasten abgedämpft sind), ihre Mechanik ist brauchbar für alle Chopin- und Lisztetüden (also was will man mehr). etwas irritierend ist, dass die Spatien (Zwischenräume/Lücken zwischen den Tasten) größer als heute sind und unregelmäßig wirken, aber auch daran gewöhnt man sich.

was nun die Etüden und ihre Schwierigkeiten für uns heute betrifft, so bleibe ich bei meiner Einteilung (die freilich individuelle Umgruppierungen nicht ausschließt, wir sind zwar alle vor dem Gestz gleich, aber wir haben nicht die gleichen Hände: z.B. finde ich op.25 Nr.10 leicht, aber das gilt nur für mich - ich weiss, dass die Oktavenetüde ein arger Brocken im Tempo ist; aber du siehst, ich hatte sie dennoch versucht "un poco objektiv" einzuordnen)

und ich bleibe dabei, dass die ca. 80prozentig ernstzunehmenden schnellen Tempovorstellungen Chopins Richtlinien für uns heute sein sollten.

liebe Grüße, Rolf
 
Rolf, die verschiedenen Urtextausgaben unterscheiden sich, weil die grundsätzliche Entscheidung, ob nun die Eigenschrift, die von Chopin autorisierte Französische oder Englische oder Deutsche Erstausgabe oder eine andere von Chopin autoriserte Quelle als Basis der Urtextausgabe genommen wird, unterschiedlich gehandhabt wird.

Aber dies ist doch hier völlig irrelevant, weil es darum ging, ob man den Metronomangaben vertrauen darf. Und wenn im kritischen Bericht akribisch die Unterschiede der von Chopin autorisierten Metronomangaben dargestellt sind, reicht das ja wohl, um sich ein Bild zu machen. Jeder kann die Unterschiede aller autorisierten Erstausgaben vergleichen bzgl. Metronomangaben, dann sieht man die Bandbreite, die Chopin vorschwebte. Diese sollten lückenlos im beschriebenen kritischen Bericht enthalten sein.

Bzgl. der Frage nach dem "Vintage"-Instrument, was ich habe, es ist dieses Oberdämpfer-Klavier

Zur Sache, ob man den Metronomangaben trauen darf oder nicht wegen Metronomfehler oder Metronomhandhabung, will ich mich nicht weiter äußern, wäre ein Fall für einen anderen Faden (finde ich).

Zur Frage der Schwierigkeit der Chopin-Etüden möchte ich mich nur zu denen äußern, wo persönliche Erfahrungen dran hägen, die ich schon selber gespielt habe. Und dass ist bei mir nur bei den Etüden der Fall, die mir im Vergleich mit den anderen Etüden noch am ehesten machbar erschienen, als da wären die Trois Nouvelle Etudes, 25/1 und 10/3. Das ist also meine Antwort, welche Etüden die leichtesten sind (von ziemlich leicht angefangen bei den Trois Nouvelle Etudes, die ich genauso wunderschön finde wie die "Großen" Etüden auch).

Zur Frage, welche am schwersten sind, würde ich mir eine Antwort von jemanden wünschen, der alle oder fast alle wirklich und wahrhaftig schon gespielt hat. Die Frage ist nur, was die Antwort bringt. Zumal Schwierigkeiten subjektiv oft anders empfunden werden und die Etüden verschiedene Schwierigkeitsarten beackern.

@ Stilblüte: wie ist denn deine Einschätzung? Du hast nur gefragt, aber selber keine Meinung abgegeben? Würde gerne mal 10/5 so spielen können, wie ich es bei dir auf dem Forumtreffen-Video gesehen habe...
 
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metronom-angaben

ich schaue gerade mal meine ausgabe durch (wiener urtext, herausgeber: badura-skoda, mit ausführlichem kritischen bericht): abweichende metronomangaben gibt es bei
  • op. 10,7 (84/88 )
  • op. 10,8 (88/96)
  • op. 10,9 (96/92)
  • op. 10,10 (punkt. viertel 152 / punkt. halbe 80)
  • op. 10,12 (viertel 160 / halbe 76)
  • op. 25,4 (160/120 frz. ausgabe)
die zweite metronom-angabe steht in chopins manuskript. also mir erscheinen die abweichungen (ca. 5%) nicht so bedeutsam.

lg
a.
 
Kommt mir das jetzt nur so vor, oder wird hier echt die Meinung vertreten, die Geschwindigkeit sei das eigentliche Kriterium für das Spiel einer Chopin-Etüde.

Die Frage war doch "welche Etüde ist die schwerste" und nicht "welche Etüde ist die schnellste"... :rolleyes:
 
irgendwie komme ich hier nicht mehr mit...
aber was ich mir nun gar nicht vorstellen kann, ist die Möglichkeit, dass es gar keine Beziehnung zwischen Geschindigkeit (welche der böse Chopin nicht selten fordert) und so genannter Schwierigkeit bestünde...
das übersteigt meinen Horizont!
da gibt es doch eine alte nette Definition der Schwierigkeit (am Klavier), ein Russe (obgleich sein Name deutscher Herkunft) meinte mal: "so viele so schnelle so laute Töne wie möglich", sinngemäß jedenfalls - um die Uhrzeit kann ich nicht mehr akkurat zitieren
naiv wie ich bin, übertrage ich das mal auf die vielleicht leichte, vielleicht schwierige (da leg ich mich jetzt mal nicht fest) "Oktvenetüde" - ist die nun mit Achtel = 72 oder mit Halbe = 72 leichter, oder richtiger, oder schwieriger?
"bettwärts wird das beste sein" (Burgess, a clockwork orange)
gute nacht, Rolf
 
ketzerisch gedacht: was wäre, die würden klingen wie man sie kennt (aus den vielen schönen Aufnahmen), aber sie wären kinderleicht -- möchte man sie dann auch spielen und besprechen?...

Hallo Rolf,

Auch wenn sie kinderleicht wären, würde ich sie auch spielen wollen. Ich spiele sie nicht, weil sie schwer sind, sondern weil ich die Musik der Etüden liebe.

Meine Lieblingsetüden, die ich immer wieder übe, sind:

op. 25 Nr. 1, Nr. 7 und Nr. 12

Mir ist nicht wichtig, ob das Musikstück sehr schwer oder leicht ist: Ich spiele und schätze z. B. den a-moll Walzer von Chopin genauso, wie z. B. die Liszt Tarantella oder Rachmaninoff Etude Tableau.

Mir geht es nicht darum, ob ein Stück schwer ist, sonst würde ich die h-moll Sonate von Liszt üben, sondern ob mir das Stück gefällt, egal ob kinderleicht oder schwer.

Liebe ich das Klavierstück, spiele ich beides (schwer und leicht) ;)

Liebe Grüße, Mario
 
da gibt es doch eine alte nette Definition der Schwierigkeit (am Klavier), ein Russe (obgleich sein Name deutscher Herkunft) meinte mal: "so viele so schnelle so laute Töne wie möglich",

rolf, ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Bemerkung ernst gemeint war. Weder von dir noch von dem Russen deutscher Herkunft, egal wer es war.

Wenn wir hier darüber diskutieren, welche Chopin-Etüde die schwerste ist, dann sollten wir doch auch darüber reden, was die spezielle Schwierigkeit jeder einzelnen Etüde ist. Ansonsten kommen wir zwangsläufig zu der oben zitierten, fragwürdigen "Definition" von Schwierigkeit.
 
Heinrich Neuhaus meinte doch nur, dass die größte Schwierigkeit darin besteht, sehr lange, sehr schnell und sehr laut zu spielen.
Dazu passt ja auch Rolfs Beispiel der Oktavenetüde.

Ob die Oktavenetüde jetzt schwieriger ist als irgendein langsamer Mozartsatz? Ich würde sagen ja, weil man sich hier nur auf manuelle Schwierigkeiten beziehen kann.

Zum Topic: Ich finde Op.10/4 unglaublich schwer.

lg marcus
 
Heinrich Neuhaus meinte doch nur, dass die größte Schwierigkeit darin besteht, sehr lange, sehr schnell und sehr laut zu spielen.
Dazu passt ja auch Rolfs Beispiel der Oktavenetüde.

Der bei weitem größte Teil der Oktavenetüde ist piano und langsam. Ich kenne auch kein Stück, bei dem man sehr langs sehr laut spielen muß - nicht mal bei Liszts Orage oder bei Prokofieffs Toccata.

Ob die Oktavenetüde jetzt schwieriger ist als irgendein langsamer Mozartsatz? Ich würde sagen ja, weil man sich hier nur auf manuelle Schwierigkeiten beziehen kann.

Verstehe nicht, wie du das meinst.

Zum Topic: Ich finde Op.10/4 unglaublich schwer.

Ich auch! :)
 

zu den letzten Beiträgen:
"Frederic Chopin", deine Einstellung rennt bei mir offene Türen ein! (das mit egal ob schwer ob leicht)
ansonsten:
- ja, ich hab Neuhaus im Halbschlaf zu zitieren versucht
- Geschindigkeitsvorgaben tragen zur "Schwierigkeit" bei - das Problem war ja hier die quasi "Seitenfrage", ob und wie man mit den Metronomangaben verfahren soll (und ich denke, da ist alles relevante gesagt)
meine perönliche Erfahrung ist: sehr schnell gespielt ist op.25 Nr.8 für mich die schwierigste. Doppelgriffe in hohem Tempo sind nicht leicht, egal wo sie vorkommen - genau darum sind ja ein paar Abschnitte aus z.B. op.101 von Beethoven schlichtweg sauschwer (und "sauschwer" ist jetzt keine inkrimierenswerte Vokabel).
op.25 Nr.11 ist kraftraubend/anstrengend (wieder in hohem Tempo inklusive der vollen Dynamik, also wirklich forte, wo forte steht): der Klavierpädagoge Werner schreibt z.B. zum Scherzo III, dass man die Oktaven im erforderlichen Presto nicht fortissimo spielen könne, sondern eher mezzoforte, da es eine wie er formuliert "Kraftenfaltungsgrenze" gäbe - die gilt es zu verschieben, falls man solche Doppel-Oktaven noch nicht fortissimo-presto kann. Aber es ist machbar, und op.25 Nr.11 ist eine sehr gute Etüde in diese Richtung, zumal man (Chopin war ein genialer Komponist, Pianist UND Pädagoge) hier in die herrliche Komposition hineingeschrieben "pädagogisches" findet: der cantus firmus innerhalb der Oktaven trainiert den so genannten "Stützfinger".

die 24 Etüden sind die "heilige Schrift des modernen Klavierspiels", nicht als einsamer Höhepunkt irgendeiner Art, sondern als genialer Anfang, als Initiation!
Und schöner als mit der tiefsinnigen Bezugnahme auf Bachs WTK I Pral. I hätte diese heilige Schrift gar nicht beginnen können: op.10 Nr.1 !!!!

schön - das ist das Zauberwort, und Eichendorff hat recht: "und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort"

und das liebe ich an den Chopinetüden: sie sind eben nicht nur (graduell unterschiedlich) "schwierig" - sie sind Musik vom allerfeinsten und schönsten.

und für mich die "schönsten" der Etüden sind op.10 Nr.6 (tristaneske Harmonik), op.10 Nr. 9 (da stelle ich mir "Orpheus" vor, der traurig in der Unterwelt eben nicht seine Eurydike findet), op.25 Nr.6 (so viele so SCHÖNE Terzen sind einfach himmlisch), op.25 Nr. 10 (ein echter Hammer, brutaler Oktavensturm um ein Wundernocturne herum - ein ungeheuerliches KUNSTstück für die 30er Jahre des 19. Jh.) und op.25 Nr. 12 (da fehlen mir die Worte, diesen Ozeanchoral, diese tragische-triumphierende Klangbrandung zu beschreiben...)

ich bin nicht abgeschweift, habe ein statement zur "schwierigsten" abgegeben und hoffentlich ein paar überlegenswerte Sächelchen angemerkt.

Gruß, Rolf
 
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Interessant, was hier so geschrieben wird.

Ich will mir nicht anmaßen, über die Chopinetüden zu urteilen, wo ich noch keine einzige so perfekt spielen kann, wie ich das gern könnte.
Ich habe einige intensiver geübt, manche durchgespielt...
Und auch über andere Stücke komme ich immer wieder zu der Erkenntnis, dass es ist wie mit dem perfekten Lernen einer Sprache oder vielen Dingen in der Mathematik - irgendwann geht das ganze gegen Unendlich.
Soll heißen: Wenn man auch vermeintlich einfachere Stücke richtig gut spielen will, werden die relativ schnell relativ schwer (z.B. Impromptu #1 von Chopin oder Schubert), auch wenn der ungefähre Text relativ leicht zu lernen und im Tempo "widerzugeben" ist.
Also muss die Schwierigkeit vielleicht daran gemessen werden, wie schnell man den Notentext drauf hat bzw. ihn im Tempo spielen kann.
Und da gibt es mMn verschiedene Schwierigkeiten. Koordination (Unabhängigkeit der Hände, Polyphonie, Unabhängigkeit der einzelnen Finger - siehe Brahmsübungen), Virtuosität (also Geläufigkeit), außerdem Gleichmäßigkeit, Kontrolle und Stabilität, Geschmeidigkeit (!!), Lockerheit...
was man da nicht alles anführen könnte.
Und in den Etüden kommen verschiedene Schwierigkeiten (teilw. auch gleichzeitig) vor, denke ich.

Mir fällt es vermutlich schwerer, gleichförmigere Etüden zu erlernen, also solche, die immer wiederkehrende Figuren haben. z.B. op 25,12, die Schmetterlingsetüde, op 10,1 usw., technisch kann ich schlecht sagen, was mir am schwersten fallen würde, weil ich längst nicht über den Etüden stehe. Die allermeisten davon, wenn nicht alle, sind für mich sehr anspruchsvoll.
Aber ich merke schonmal, dass op 10,5 einfacher ist, als op 25,11.
Ist nämlich kürzer :cool:

Ich werde dich aber informieren, Mindenblues, wenn ich alle gespielt habe, ok? :D
 
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Der bei weitem größte Teil der Oktavenetüde ist piano und langsam. Ich kenne auch kein Stück, bei dem man sehr langs sehr laut spielen muß - nicht mal bei Liszts Orage oder bei Prokofieffs Toccata.

hallo Haydnspaß,
verzeih mir bitte, aber ich kann dir da nicht komplett zustimmen:
- Oktavenetüde
wer noch keine sehr schnellen sehr lauten Oktaven kann, wird allein mit dem ersten Abschnitt die anstrengende Erfahrung machen, dass für ihn hier ein sehr langes sehr lautes etc. Stück auf der "to do" Liste steht (dass der Mittelteil länger dauert, infolge der Tempoänderung, war mir nicht unbekannt)
- Stücke, also Klavierstücke, in denen sehr lange sehr laut gespielt werden muss:
a) Chopin Polonaise op.53, "deren Schwierigkeit in der differenzierten Gestaltung des fast ständigen fort und fortissimo liegt" Joachim Kaiser, und prüft man das, so stellt man in den Noten fest, dass da gar nicht sonderlich viel piano ist (klar, im kurzen "lyrischen" Abschnitt), und wo im lauten Kontext mal zwischendurch ein p steht, so markiert es immer den Beginn eines gehörigen Crescendo --- man muss den Komponisten schon gönnen, in Sachen Lautstärke ein paar Kontraste einbauen zu dürfen :)
b) erneut Chopin, erneut ein polnisch-patriotischer Tanz, freilich nun ein wenig satirisch: Polonaise op.48 A-Dur "militaire" -- wenig piano, sehr wenig, im Verlauf dieses mit endlosen Wiederholungen gespickten Werkes
c) der ca. 11-12 Minuten verbrauchende "allegro" Abschnitt (also Hauptteil) der Wagnerschen Tannhäuser Ouvertüre in Liszts Transkription enthält nur zwei relativ kurze piano zu spielende Abschnitte (jeweils ungefähr eine Minute lang: zunächst ein "Frau Venus" Motiv mit Tremoli, später eine Pilgerchorvariante mit hübschen Repetitionsfiguren) - aber bei allen Teufeln: der "Rest" dieser brutal rücksichtslosen Zumutung an Muskeln und Gelenke, meinetwegen reduzierbar auf "nur" 8 Minuten: dieser Rest ist permanent katastrophal schnell, katastrophal f bis ff, mit katastrophal vielen Tönen!!! Das könnte man als eines der Musterexempel zur Bestätigung der Neuhaus These (besser: seines bonmots) anführen
Das waren jetzt zwei sehr bekannte und ein weniger bekanntes, man könnte auch sagen zwei enorm oft und ein selten öffentlich gespieltes Klavierwerk.

man könnte noch, von u.v.a. Liszt, Rachmaninov, Skrjabin, Strawinski Klaviersachen anführen als d), e), f) .... -- kurzum, es gibt genügend, was sich zur Illustration des Neuhaus-Sprüchleins demonstrieren lässt.

was mich etwas verblüfft, ist die Tatsache, dass niemand hier den Aspekt des "Kraftverbrauchs" - ja ganz naiv der Kalorienverbrennung - in den Etüden Chopins, um die es hier eigentlich geht, wahrnehmen möchte. Darum stelle ich die Frage: strengt sowas keinen von euch an???????

also: mich schon!!!

die oft erwähnte "Leichtigkeit und Natürlichkeit" in der gekonnten Ausführung von "schwierigen" Etüden (Chopins) ist eine Wahrnehmung eher von außen - wer unter "Stress" (Konzert, Vorspiel, Prüfung etc.) einige von diesen spielt, wird spätestens hinterher durchaus "Anstrengung" verspürt haben --- nicht zuletzt ist Konzentration (die man am Klavier braucht) auch eine...

(((ich habe winters wie sommers noch niemanden gesehen, der/die nach einem Klavierabend nicht ein wenig aus der Puste und ein wenig erhitzt gewesen wäre - das heisst nicht, dass Horowitz Schweisspfützen verströmt hätte, aber selbst ihm sieht man nach den Zugaben die Anstrengung, den Kraftverbrauch an!)))

Gruß, Rolf
 
Heinrich Neuhaus meinte doch nur, dass die größte Schwierigkeit darin besteht, sehr lange, sehr schnell und sehr laut zu spielen.

Es mag sein, dass diese Spielweise die größte physische Schwierigkeit und Kraftanstrengung bedeutet.

Ich finde es jedoch vom Technischen her noch schwerer, sehr lange, sehr schnell, staccato und sehr leise zu spielen. Für sehr schnell und staccato ist bei Bach die Rede vom "Schnellen" der Finger, die sich beim Spiel nach innen krümmen. Kann das heute noch jemand?
 
nach innen krümmen ?

Es mag sein, dass diese Spielweise die größte physische Schwierigkeit und Kraftanstrengung bedeutet.

Ich finde es jedoch vom Technischen her noch schwerer, sehr lange, sehr schnell, staccato und sehr leise zu spielen. Für sehr schnell und staccato ist bei Bach die Rede vom "Schnellen" der Finger, die sich beim Spiel nach innen krümmen. Kann das heute noch jemand?[/QUOTE]

Auch hier kann ich deine Ansicht nicht teilen. Nachdem ich früher als Student das "vergnügen" hatte, mehrere Profs mit diametral entgegengesetzer Methodik in ihrem Kampf zu erleben, erging es mir auch in meinem Lehrerleben ähnlich. Möchte doch jeder seine Methodik an liebsten zur allgemeinen Regel erheben.
zur Zeit von BAch war die Methodik noch sehr durch die Schule der Clavicord, Cembalo, Spinett spielenden und lehrenden Meister bestimmt. Diese forderten diese äusserst flinken finger, wo einige schulen sogar den Gebrauch des daumens untersagten oder verpönten.
Diese Methodik kann zur Zeit der Romantik und spätestens schon bei Beethoven nicht mehr als geltende und hilfreiche Methode des Klavierspiels gelten.

War der Meister am Clavicord noch ein filigran arbeitender Spieler mit hervorragender Finger-Feinmotorik, so hat sich der Kraftverbrauch in den späteren Jahren- etwa ab Beethoven - in einen Ganzkörperkraftakt verwandelt, wobei die Anforderungen an die Feinmotorik nicht etwas verschwunden wären, sondern natürlich geblieben und eher noch gewachsen sind.

Die These, dass man die Finger beim Anschlag quasi an sich herankrümmen solle, wird immer noch in verschiedenen Methodikklassen vertreten. Ich halte das eher für Humbug, wenn das zur allgemeinen Forderung erhoben wird.

Jeder Klavierspieler ist einzigartig, mit seiner Psyche und seinen physiologischen Gegebenheiten. Der heute moderne Klavierunterricht, der leider nicht überall betrieben wird ist zielführend ohne Dogmatik. Das Ziel ist der anzustrebende Gesamtklang, also das klingende Bild, welches entworfen wird und dann ertönen soll. Ob mit sich krümmenden oder sich streckenden Fingern ist dabei zweitrangig. wir gehen von einer Idealhaltung der Hand aus, so wie der Arm und die hand locker im gelenk hängen und während des Spiels gibt es dann die verschiedensten Varianten.

Der kluge Neuhaus hatte übrigens sicher Recht, wenn er den Vortrag der Werke von Bach, Mozart und Beethoven für schwerer hielt, als den der Werke der virtuosen romantik, weshalb er auch seinen Studenten emmpfahl zuerst die Werke von Rachmaninow oder Liszt usw zu studieren und erst dann, wenn diese Aufgaben gelöst waren, durfte jene auch Mozart studieren. vielleicht auch eines der Geheimnis warum gerade die "russische Schule" so viele erfolgreiche Künstler hervorgebracht hat.

Es geht ja darum, irgendwann so ein Klavierstück zu beherrschen,sodass man es auch auf der Bühne präsentieren kann. Also gibt es da einen Unterschied im Seöbstverständnis des Pianisten. Wer erfahren hat, an sich selbst, dass er Werke der Romantik aufführen kann, der wird sich den Werken der Klassik von einer anderen Warte her nähern. Er ist quasi befreit von den Niederungen der technischen Schwierigkeiten und kann sich dem Geist des Werkes widmen.

Einen Hinweis zur Richtigkeit dieser These kann man darin finden, wo nämlich anerkannte Virtuosen von ´Welt wie Martha Argerich noch nie Schwierigkeiten hatten, ein Werk von Liszt fantastisch gut zu spielen aber bei einem Klavierkonzert von Mozart durchaus Anlass zur Kritik boten - nicht immer aber doch gelegentlich.

Wenn wir über Chopin Etüden sprechen sind vor allem Jene gemeint, die beruflich Klavierspielen wollen. Dass es auch dem Hobbyspieler unbenommen ist, solche Werke einzuüben ist gerne zugetanden, aber jener wird diese Werke selten aufführungsreif bekommen. Also wendet sich dieser Faden an den Profi unter den klavierspielern.

Dass es eine Rangfolge der Schwierigkeiten bei den Etüden gibt, zeigt schon die auswahl die die Jury trifft, denn bestimmte Etüden werden meist als zu leicht befunden und im Wettbewerb nicht zugelassen. Darunter befinde sich auch die wunderschöne es-moll Etüde Nr. 6 op. 10 sowie op.25 Nr. 7 und andere.

Die schweren Etüden sind - wie alle es sehen, herrliche Musikstücke, wobei jede Etüde ihre besondere Schwierigkeit hat-

Prof. Kämmerling aus Hannover vertrat in seinen Kursen die Meinung, dass fast keiner der Anwesenden die Op. 10 Nr. 1 richtig spielen können und dass es noch mehr Übung und Erfahrung brauche, bis diese öffentlich geschehen könne.
Jeder Pianist hat seine speziellen "Schmankerl". Der eine kann schon seit frühester Kindheit Trillern wie eine Lerche, ein anderer repetiert Akkorden und Oktaven ohne weitere Anstrengung und ein weiterer spielt lässig Terzentriller. Natürlich ist ein Pianist dann nach dem studium so ausgebildet, dass eine wirkliche Schwäche nicht mehr da ist, aber Unterschiede sind immer feststellbar.

Kann der eine die op.10 Nr. 1 toll spielen, wird ihm vielleicht die Nr. 2 in a moll sehr schwer erscheinen, wohingegen er die Op. 25 Nr. 11 (sturm Etüde) wieder super beherrscht, weil die Anforderungen in dieser Etüde den aus Op. 10 Nr. 1 gleichen.

Demnach scheint die Frage: Welches ist die schwerste Chopin Etüde nur aus persönlicher Sicht zu beantworten sein. Und da hat jeder seine eigene Rangliste:
Es hat auch etwas damit zu tun, wie lange ich an dem Stück arbeiten muss, bis ich mich damit zum Vorpsiel melden kann. (Zum Beispiel im Vortragsabend der Musikhochschule).

Vorausschicken will ich noch, dass man als Student einer Hautpfachklasse Klavier nicht erst während des Studiums mit Chopin Etüden anfängt, sondern oft schon Jahre zuvor, sich an diesen versucht hat. Es ist also kein leeres blatt, welches hier beschrieben werden soll.

Meine persönliche Rangliste ist:

op.10 Nr.1 liegt mir gut genau wie op. 25 Nr. 11 und 12 oder op.10. Nr. 8 - diese habe ich schon oft gespielt und sie sind sozusagen im Hintergrund immer da und im Fall des falles schnell abrufbar.

Op. 10 Nr. 2 habe ich auch schon früh studiert aber noch nie wirklich zu meiner zufriedenheit ausgeführt und um diese wieder hervorzuhoelen brauche ich viel mehr Zeit als für Nr. 1 -

Die Terzenetüde scheint mir etwas schwieriger als die Sextenetüde, welche ich schon vor der Hochschule ganz gut konnte und die Oktavenetüde habe ich - ich gestehe es ein- noch nie studiert. vielleicht habe ich da eine Hemmung, weil meine repetitions begabte Mutter die mit solcher Leichtigkeit spielte, dass ich mich nicht traute, da den zweiten Platz zu belegen. diese Aufgabe werde ich aber noch meistern müssen. Und insofern ist diese für mich die Schwerste und für mich die größte Herausforderung -

die anderen Etüden würde ich alle im schwierigkeitsgrad weiter unten ansiedeln.
Ich bon sicher, dass andere Pianisten wieder eine andere Rangfolge aufstellen werden.
 
Die These, dass man die Finger beim Anschlag quasi an sich herankrümmen solle, wird immer noch in verschiedenen Methodikklassen vertreten. Ich halte das eher für Humbug, wenn das zur allgemeinen Forderung erhoben wird.

Das würde ich auch für Humbug halten, das Schnellen der Finger zur allgemeinen Forderung zu erheben. Ich hatte auch lediglich erwähnt, dass Bach die Technik des Schnellens beherrschte, und für die hohe Kunst des schnellen staccato-Spiels anwandte (jede Spezial-Technik für seine Spezialanwendung eben).
Und warf dabei die Frage in den Raum, wer heute diese Technik des Schnellens noch beherrscht? Oder anders ausgedrückt: Welche Technik erlaubt noch schnelleres in Kombination mit noch leiserem und noch präziserem staccato-Spiel, als diese von Bach und seinen nicht minder virtuosen Söhnen angewandte Technik für diese Spezialität (auf allen Tasteninstrumenten, auch und gerade dem hinsichtlich Dynamikmöglichkeiten dem Klavier sehr verwandten Clavichord?

Leises Spiel erfordert viel mehr Tastenkontrolle als lautes Draufdreschen. Und gerade bei schnellem Spiel zeigt sich, ob man diese Tastenkontrolle noch hat. Und das verbunden mit Staccatospiel - jedenfalls für mich ist diese Kombination schwerer als mit lauten Oktaven auf das Klavier eindreschen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
hallo Mindenblues,
sehr sehr schnelles und dabei piapianissimo Spiel erfordern die in Es-Dur 7 9 (Takt 45 etc) und C-Dur 7 9 (Takt 48-50) harmonisierten "zarten" Passagen in Ravels Ondine (bei Viertel ca. 60-72 sind das ggf bis zu 8 Noten in einer halben Sekunde, wenn man sich für eher vorsichtige Viertel = 60 entschieden hat. Diese müssen, um später sauber ausgeführt zu werden, mit minimalen Bewegungen non legato geübt werden - zwar verschwindet mit zunehmender Geschwindigkeit der Höreindruck von non legato, aber man nimmt dennoch wahr, oab sauber oder klebrig gespielt wird. --- ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob man hierfür das Bachsche "schnellen" auch anführen kann, auch ist mir nicht ganz klar, was Bach vor so vielen Jahren mit diesem Verb genau gemeint hat, ich nehme an, irgendwas in dem Sinne, in dem wir heute "non legato", "perlend" oder (langsamer) wirklich staccato verwenden.
ein wenig traurig macht mich deine Formulierung von den "gedroschenen Oktaven" - zwar gibt es abgedroschene Oktavenstellen in Hülle und Fülle (z.B. in Tschaikowskis 1. Konzert), aber wenn ich denke, was für eine Bedeutung, was für einen Sinn solche in der Lisztschen h-Moll Sonate haben? und die will doch auch gekonnt sein!
ob Chopins Etüden helfen, etwa "Gaspard de la Nuit" oder "Tannhäuser Ouvertüre" oder "Petrouchka" (komplett) zu spielen, weiss ich nicht - in aller Regel aber "lernt" man zunächst die besagten Etüden.
ich merke, es ist ein schwieriges Thema - ich beschränke mich lieber darauf, zu erklären, wie ich es mache: die Ondine-Passagen etc. staccato trainieren, immer leiser werden, immer schneller werden und die non legato Impulse beibehalten (automatisch) - - die Liszt Oktaven zwar energisch und fortissimo und sehr schnell, aber nicht "dreschend".
liebe Grüße, Rolf
 
Danke Rolf, für deine Erläuterungen, insbesondere, wie du Oktavpassagen übst. Das mit dem "Dreschen" nehme ich zurück, will damit kraftvolles Spiel nicht abwerten, wenngleich ich vor jedem Hochachtung habe, der vor allem sehr weich spielen kann, weil das Fingerspitzengefühl braucht statt Kraft.

ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob man hierfür das Bachsche "schnellen" auch anführen kann, auch ist mir nicht ganz klar, was Bach vor so vielen Jahren mit diesem Verb genau gemeint hat, ich nehme an, irgendwas in dem Sinne, in dem wir heute "non legato", "perlend" oder (langsamer) wirklich staccato verwenden.

Bach meinte mit "Schnellen" eine bestimmte Anschlagstechnik: Der Finger vollführt beim Anschlag eine Kreisbewegung nach innen, man zieht den Finger nach innen zu sich. Während der Finger sich nach innen bewegt, geht die Taste wieder hoch. Da der Finger währenddessen die gleiche Bewegungsrichtung behält, soll man damit sehr schnell non-legato spielen können. Im Unterschied, dass man dafür den Finger senkt und hebt, wobei die Bewegungsrichtung gewechselt werden muß. Das spart wohl Zeit und damit kann man schneller non-legato spielen.
 
hallo Mindenblues,
danke für das erläuterte "schnellen"!
ja, ich sollte früher dergleichen als "Anreiz", kräftig staccatissimo zu üben (nicht zu spielen!) in den ersten 3 Variation in Beethovens c-Moll Var. WoO machen -- als "training" hatte sich das bewährt. Danach allerdings ging es darum, diese Bewegung zu minimieren, sodass sie fast gar nicht mehr (heute wirklich nicht mehr) sichtbar ist: anfangs bekam ich so das "Sicherheits"-Gefühl von quasi gekräftigten Fingern, allerdings schön "gekrümmt" -- jetzt läuft das natürlich entspannter, weniger "gekrümmt" (bis gar nicht, ja meist letzteres) und das non legato ist automatisiert.
es könnte sein, dass sich diese "schnellende" Spielweise in sehr hohem Tempo als zu anstrengend erweist, aber vermutlich ist das eine manuelle Geschmacksfrage. ich selber habe die Erfahrung gemacht, das sehr schnelles Spiel mit sehr sehr kurzen winzigen Muskelimpulsen (automatisch!!) für mich am besten läuft, dann belasse ich es dabei (auch in Doppelgriffen)
Gruß, Rolf
 

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