Verspannung / Daumen & kleiner Finger eigenwillig

Nun, deswegen schrieb ich auch, dass es bei mir funktioniert hat und vielleicht, nur vielleicht, anderen hilft. Ich komme aus dem Leistungssport und bin es gewohnt, meinen Körper zu beobachten und an seine Leistungsgrenze zu bringen. Das man es nicht bis zu einer Sehnenscheidenentzündung treiben muss, versteht sich von selbst. Nur geht ohne Übung gar nichts und wenn es mal zippt und zwickt, dann ist das halt so.
 
Moin.
Ich bin vor ein paar Wochen auf dieses Forum gestoßen, als sich bei mir ein ähnliches Problem einstellte. Kurz zu mir (mehr dazu im Profil): ich bin 65, lerne seit 372 Tagen Klavier, keine musikalische Vorbildung, Übungspensum trotz Vollzeitarbeit mindestens 2 Stunden täglich.
Vor vier Wochen trat ein ähnliches Problem bei mir auf: Übungsstück die Arabeske von Burgmüller, einige Stellen, in denen der kleine Finger der rechten Hand forte staccato spielen muss. Bereits nach dem zweiten oder dritten Mal versagten sowohl der Ring- als auch der kleine Finger. Ich konnte sie einfach nicht mehr benutzen, sie ließen sich nicht mehr steuern. Auch das Allheimittel Geduld, Wiederholung und langsames Üben halfen nicht. Eine Woche lang keine Besserung, eher sogar Verschlechterung. Ein oder zweimal konnte ich spielen (langsam), aber sobald ich schneller wurde, gaben beide Finger wieder auf.
Als ich nach der Lösung suchte, bin ich auf dieses Forum gestoßen. Tolle Sache! Auch wenn ich nicht wirklich bei den vielen sicherlich guten Ratschlägen hier einen gefunden habe (außer Geduld zu haben) einen gefunden habe, der genau für mich gepasst hat. Aber sie halfen mir, das Problem anzugehen. Also Danke an alle hier, die sich die Mühe gemacht haben, das zu schreiben!

Bei mir hat Folgendes funktioniert:
- eine Woche trotz aller Frustration das Stück nicht mehr gübt, stattdessen etwas anderes;
- bei jeder Gelegenheit (im Auto auf der Mittelkonsole, bei Meetings auf dem Oberschenkel oder auf dem Tisch, beim Buchlesen) Handgelenk und Finger 1 bis 3 auflegen und Finger 4 und 5 bewusst (der Kopf muss das Unterbewusstsein neu programmieren) krümmen und strecken, bis es weh tut. Dann ausschütteln, wieder von vorne, so lange, bis es richtig weh tut und nichts mehr geht. Dann warten und dann wieder und wieder und wieder ... Dann das Gleiche auf gedachten Tasten, als würde ich sie spielen wollen.
- Ganz wichtig: Bereits nach kurzer Zeit verkrampfte das Handgelenk. Dann habe ich aufgehört, ausgeschüttelt und weitergemacht. Das war eigentlich der entscheidende Marker – wie lange hält das Handgelenk? In der ersten Woche wurden die Abstände, nach denen ich aufgeben musste, immer kleiner. In der zweiten Woche nahmen sie zu und jetzt, nach vier Wochen, kann ich es eigentlich endlos tun. Meine alten Finger haben eine Beweglichkeit, wie ich sie nie zuvor hatte. Ach ja, und die Arabeske ... ich denke, noch zwei Wochen, und Allegro ist in Sicht

Vielleicht hilft das ja jemandem.
Ogottogott. Facepalm.
 
Klavier spielen ist aber kein Leistungssport.

Ja, Konzertpianisten können ins Schwitzen kommen und haben erhöhten Puls (und hoffentlich beim Spielen keine Schmerzen!). Aber du spielst ja nicht Rachmaninoffs drittes Klavierkonzert...
Wenn das der Marathon ist, dann entsprechen deine Stücke dem Spazierengehen. Und wenn da etwas weh tut, ist das auch ein schlechtes Zeichen.
 
Hallo Flieger,
in meinem Profil habe ich zu diesen schlechten Zeichen etwas gesagt. Seit einem Jahr lese ich sehr viele Beiträge und schaue sehr viele Videos. Bei ausnahmslos allen, auch bei denen (es gibt wenige davon), die sich explizit an ältere Menschen richten, fallen zwei Dinge auf:
1. Das diejenigen, die über Klavierspielen älterer Menschen reden, selbst jünger sind
2. Das sie offenbar vergessen haben, wie ihre ersten KLavierstunden waren.
Das ist kein Vorwurf, um Gottes Willen nein. Doch es fällt mir auf. Mit 65 denkt man nicht mehr so schnell, merkt sich nicht mehr so viel, Bewgeungsabläufe sind über 65 Jahre eingefahren und Bewgungen müssten nicht neu, sondern anders gelernt werde. Eine halbe Stunde auf der Kante eines Klavierhockers mit vorgestreckten Unterarmen ist für einen alten Menschen eine Folter (ich erinnere mich noch genau an die füchterlichen Rückenschmerzen in den ersten Wochen). ein Kind, ein Jugendlicher oder ein junger Mensch nimmt davon nicht einmal Notiz. Hände, die über ein halbes Jahrhundert gelernt haben, mit Hammer, Meißel, Spaten und anderen Geräten perfekt umzugehen, müssen komplett umlernen. Von Athritis und anderen Alterskrankheiten wollen wir noch gar nicht reden.
Das ist kein Gejammer, sondrn sind Fakten. Das bedeutet nicht, dass es nicht möglich ist. Es bedeutet aber, dass Menschen, die im Alter anfangen, Klavier zu lernen, wesentlich mehr Handicaps zu überwinden haben als junge Menschen. Sich wesentlich mehr anstrengen müssen, um das was jüngere Menschen einfach so lernen, auch hinzubekommen. Allerdings haben wir Alten zwei riesige Vorteile:
1. Wissen wir, dass wir niemals Tschaikowskys Klavierkonzert spielen werden. Wir haben also keinerlei Druck.
2. Wir haben uns selbst dafür entscheiden, also ist unsere Motivation eine ungeheure.

Es gibt ein schönes Video von Lang Lang. Besser als er es darin ausdrückt, kann ich es nicht beschreiben, warum ich Klavier spielen möchte. Schau auf die alte Frau mit ihren gichtigen Händen, und darauf, wie sie lächelt, wenn sie vom Klavier aufsteht. So wie sie, lächle ich seit einem Jahr jeden morgen nach einer Stunde am Klavier, bevor ich zur Arbeit gehe. Darum lerne ich Klavier und schei ... auf den Schmerz.
Lang Lang - Beethoven: Für Elise
 
Lieber @RudiRatlos , da ich einige Menschen unterrichte, die im besten "Boomer"alter sind, kann ich Dir sagen, dass das Hauptproblem meistens darin liegt, dass die Menschen zuviel wollen.
Die Arabesque , von der Du sprachst ist ein Stück, in dem man alles andere übt als Fingerbeweglichkeit.
Jetzt wunderst Du Dich vielleicht. Es geht in diesem Stück im Wesentlichen um Kreisung. Ich versuche Dir ein Beispiel zu geben:
Die erste Spielfigur der rechten Hand erschreckt einen durch ihre Sechzehntel. Der Arm wird fest, der Unterkiefer knirscht und der geneigte Klavierspieler versucht, in möglichst ebenmässiger Folge durch Kontrolle jedes einzelnen Tones diese Spielfigur zum Klingen zu bringen.
Der richtige Weg ist:
Die Figur beginnt und endet bei a´. Du legst die fünf Finger auf die Tasten und dann kreist Du nur Dein Handgelenk: von a-c untenrum nach rechts, von c-a zurück obenrum nach links. Du spielst nicht, Du machst nur diese Bewegung. Das machst Du mehrere Male möglichst rund und geschmeidig. Dann drückst Du eher wie zufällig dabei auf die entsprechenden Tasten und Du hast die ganz Figur.
Entscheidend ist, dass Du Dich nicht anstrengst! Unabhängig davon kannst Du locker auf irgendwelchen Tischplatten oder auch Tasten herumklopfen, das ist nicht schädlich, aber für die Arabesque ist die Choreographie das Entscheidende - wie bei allen anderen Stücken auch.
Burgmüller hat das sehr schön in kleine Etüden verpackt, hervorragendes Lehrwerk!
Hast Du einen Lehrer? Besprich es mit ihm. Schön ist auch "20 lessons in Keyboard Choreography" von Seymour Bernstein. Gibt es auch auf deutsch.
Vielleicht brauchst Du aber jemanden, der Dir das erklärt. Seymour Bernstein ist jetzt 97 und er spielt so schön, dass man möchte, dass es niemals ende!
Also, Alter ist nicht das Problem !
 
Nein.
Wenn du spezielle (altersbedingte?) Probleme in der Hand hast, kann es sein, dass du Schmerzen überwinden musst,
Blödsinn wird nicht dadurch zu Sinn, wenn man ihn wiederholt. Man muß die Grenzen kennen und das Training, die Belastung kurz vorher beenden. Zumal Klavierspielen NICHTS mit Kraft zu tun hat. Um eine Taste niederzudrücken, braucht es 50 g (ob jetzt „Masse“ oder „Gewicht“ die korrekte Bezeichnung wäre, weiß ich nicht - interessiert mich auch nicht sonderlich). Es geht beim Klavierspielen bewegungstechnisch in erster Linie um die „Durchlässigkeit“ des ganzen Systems, die Fähigkeit, Oberkörper, Arm, Ellenbogen, Handgelenk, Finger in einem entspannten ? Nicht schlaffen!!!) Zustand zu halten, es geht auch um die Schnellkraft der Sehnen („Flitzebogen“-Prinzip). Die Schwierigkeit besteht darin, Bewegungsenergie („Anspannung“) punktuell aufzubauen und im nächsten Augenblick wieder den Zustand der ENTspanntheit zu erreichen. Mir haben dabei die Übungen von Peter Feuchtwanger geholfen, vor allem dessen erste Übung „Quick Release“. Man wird in aller Regel einen kompetenten Lehrer brauchen, der diese Sachverhalte vermitteln und mit einem trainieren kann. Das Do-it-yourself-Verfahren bewirkt meist nur das Gegenteil.
 
Ich bin gerade ein wenig überwältigt von den Antworten, die ich hier bekomme. Danke an Euch alle, dass Ihr Euch Zeit für mich nehmt. Jede habe ich genau gelesen und wenn sich so viele erfahrene Klavierspieler einig sind, muss ich mir heute Abend wohl einen Fingerbreit Whisky genehmigen und das sacken lassen. Liebe @Tastala, ja, nach zwei Monaten Selbstversuch war mir klar, dass ich Hilfe benötige, wenn ich wirklich Klavierspielen will und nicht "hämmern". Seit Dezember 2023 fahre ich alle zwei Wochen für eine Stunde Unterricht 100km nach Lübeck. Mit Magdalena Galka, denke ich, eine begnadete Lehrerin gefunden zu haben und alles, was ihr mir hier sagt, haut sie mir bei jeder Stunde auch um die Ohren. Als ich nach der Teststunde fragte, ob sie mich als Schüler nimmt, war ihre Antwort: "Ja, aber nur, wenn du mir versprichst, nicht das Klavier zu zertrümmern."
Das, was ich im Leben geschafft habe, auch wenn ich kein Talent hatte, habe ich durch Zähnezusammenbeißen und üben und trainieren bis zum Umfallen geschafft. Nur scheint das tatsächlich am Klavier nicht zu funktionieren. So habe ich seit einem dreiviertel Jahr nicht nur Klavierunterricht, sondern auch Charakterschule in Geduld. Aber manchmal ... gerade die Arabeske .. sie fasst so schön zusammen, was ich bis jetzt gelernt habe. wie lange soll ich denn noch warten, bis meine Finger forte hinbekommen? Es ist zum Ausra ... Sorry, musste mal raus.
Herzlichen Dank euch allen.
 
@Cheval blanc und welchen Teil meiner Antwort hältst du jetzt für Blödsinn? Du widersprichst mir nämlich nicht.
 
"Ja, aber nur, wenn du mir versprichst, nicht das Klavier zu zertrümmern."
...
wie lange soll ich denn noch warten, bis meine Finger forte hinbekommen?
Einerseits drückst du die Tasten so fest, dass die KL Angst um ihr Instrument hat und andererseits kommt kein Klang heraus?

Ein erster Schritt wäre einmal, sich davon zu verabschieden, dass allein die Finger für das forte verantwortlich sind. Das geht mit dem Gewicht der Arme.
 
Du meinst es lieb und hast wahrscheinlich wahnsinnig viel Erfahrung und natürlich Recht. Aber ich bin ein Trotzkopf. Wenn ich nicht die Hoffnung hätte, ohne mit den Armen herumzuwedeln, auszukommen, würde ich nur noch leise spielen wollen. Ist eigentlich sowieso eher mein Ding. Ich hasse große Gesten und Selbstdarsteller erst recht. Die Musik soll wirken. nicht die Person. Naja, und wenn ich mir die Videos meiner Lehrerin anschaue - da fliegen die Arme nicht über die Tastatur, sie schein zu schweben, ganz sanft und doch so klar und auch laut. Aber wahrscheinlich missverstehe ich dich auf Grund meiner wenigen Erfahrung. In ein paar Jahren *lach* melde ich mich noch mal. Wahrscheinlich, weil du Recht hattest.
 

Wenn ich nicht die Hoffnung hätte, ohne mit den Armen herumzuwedeln, auszukommen, würde ich nur noch leise spielen wollen. Ist eigentlich sowieso eher mein Ding. Ich hasse große Gesten und Selbstdarsteller erst recht. Die Musik soll wirken. nicht die Person.
Man kann die Arme auch mit kleinen, subtilen Bewegungen einsetzen, ganz ohne Theatralik.
Aber es spielt der ganze Körper; jedenfalls nicht nur die Finger.
 
ohne mit den Armen herumzuwedeln, auszukommen, würde ich nur noch leise spielen wollen.
eine Übung von meinem von mir so geschätzten Klavierlehrer, ganz am Anfang.

Die Arme in Spielposition halten, als wären die Hände auf den Tasten, nur ohne Klavier. Und dann komplett entspannt fallen lassen. Das muss man ein paar mal machen damit es ganz entspannt ist. Das ist kein Gewedel und kein Gefuchtel, der Arm fällt einfach runter aufs Bein. "Klatsch." Dann merkt man sehr schön, wie viel potentielle Energie im Arm ist. Und wenn du den Arm beim spielen nicht krampfhaft steif hältst und die Kraft nur aus den Fingern holst, mit der Gegenkraft des gehaltenen Arms, sondern mit der Gegenkraft durch das Gewicht des lockerern Arms, dann hilft dir quasi der Planet durch Gravitation beim Spielen.
Fand ich gut, ist schön locker. Quasi wie mit dem Fahrrad bergab rollen, anstatt zu bremsen und dann gegen die Bremse anzutreten.

Aber das ist lange her, und was weiß ich wie du das heute lieber machst ;-)
 
@RudiRatlos
Evtl. Ist deine Sitzposition nicht ganz optimal. Das führt auch zu Verspannungen.
Mir hilft, öfters aufstehen und kurze Dehn-und Lockerungsübungen zu machen.
 
wie lange soll ich denn noch warten, bis meine Finger forte hinbekommen?
Vielleicht hilft dir ja ein Tipp von Seymour Bernstein (aus einem Tutorial zum ersten Satz der Mondscheinsonate):
"Nicht Kraft macht laut, sondern Geschwindigkeit".

Nicht die Kraft, die du auf die Taste bringst, macht den Ton laut, sondern lediglich die Geschwindigkeit,. in der die Taste den Auslösepunkt passiert.

Die Laienlogik sagt in etwa "Je stärker ich darauf eindresche, desto lauter wirds" ... aber beim "stärker anschlagen" passiert im Grunde nur eines ... die Taste passiert den Auslösepunkt in deutlich höherer Geschwindigkeit ... und DAS lässt den Hammer schneller (mit mehr Energie) gegen die Saite schnippen.

Ich habe mich nach dieser Erkenntnis dann erstmal hingesetzt, und genau beobachtet, wo dieser Auslösepunkt eigentlich liegt (wie weit muss ich eine Taste tatsächlich niederdrücken, damit ein Ton kommt? ich habe mein Pianino sogar geöffnet, um ganz genau sehen zu können, wann sich der Hammer zu bewegen beginnt).
Zwischen diesem Auslösepunkt und dem Tastenboden ist eine ganze Menge Platz..

Ich hatte ein ganz anderes Problem ... nach knapp 20 Jahren ohne ständig zugängliches richtiges Klavier (üben oft nur auf Digis) hatte ich echte Probleme, mein Pianino leise zu spielen ... ich musste erstmal wieder lernen, wie man aus diesem Instrument leise Töne heraus bekommt. Aber auch dabei hat mir der Hinwesis mit der Anschlags-Geschwindigkeit sehr geholfen.
Mittleiweile kann ich mein Pianino auch wieder sehr leise spielen ... bisher aber leider nur bei relativ langsamen Stücken. Ich muss mich da noch sehr drauf konzentrieren ... und gerade bei schnelleren Stücken, die mir Spass machen, klappt das noch nicht so recht.
 
Außer Geschwindigkeit ist auch noch SCHWERKRAFT superwichtig!

Pur auf Geschwindigkeit ausgelegtes Anschlagen ergibt tendenziell harten Klang. Voll und satt klingt ein Forte dann, wenn es primär auf "Gewicht" beruht (Unterarm plus Hand). Und dafür bedarf es nur des Loslassens - die Schwerkraft übernimmt die Arbeit.
 
Außer Geschwindigkeit ist auch noch SCHWERKRAFT superwichtig!
Natürlich ... aber die gibts halt umsonst und vor allem muss die nicht noch mit Kraftaufwand unterstützt werden.

Darum ging es mir .... die oben dargestellte "Laienlogik" funktioniert ja (bis zu einem gewissen Grad) ... nur hat das Ergebnis (lauterer Ton) am Klavier eben wenig mit der eingesetzten Kraft zu tun.

Aber du hast natürlich recht. Kraft braucht man eher, um die Taste wieder loszulassen. Runter geht sie dank "Armgewicht" eigentlich von selbst.
 

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