Im Kopf muss eine KLANGVORSTELLUNG des Stückes sein (...)
Lieber hasenbein,
so richtig dies ist (!), so falsch finde ich das
Läuft es nicht über diesen (einzig wirklich musikalischen) Mechanismus, sondern über ein Merken von Tastenfolgen oder, noch schlechter, über ein Merken des Notenbildes, so wird es immer ein mühseliges Malen nach Zahlen bleiben, und man hält sich für unmusikalisch oder einen "schlechten Auswendiglerner".
"Fingergedächtnis" oder "Muskelgedächtnis" ist als Auswendiglernmethode natürlich auch sehr abzulehnen.
(...) so solltet Ihr keinesfalls denken: "Scheiße, welche Taste kam jetzt?" oder gar "Scheiße, was stand da noch in den Noten" und Euch innerlich das Notenblatt vorstellen (...)
Es spielen beim Lernen und auch beim Auswendig Lernen immer verschiedene Dinge zusammen. Beim Klavier spielen greifen Hören, Fühlen, Wahrnehmen, Sehen .... ineinander und dementsprechend wird auch vielschichtig gelernt. Es ist absolut richtig, dass eine gute Klangvorstellung unerlässlich ist! Aber sie ist nicht das einzige! Und so finde ich lotusblumes' Satz sehr schön:
A
(In der Aufführungspraxis spannt man ohnehin mehrere Auffangnetze).
Eines davon ist das sog. "Fingergedächtnis" bzw. das für motorische Gedächtnisleistungen zuständige Hirnareal (die Finger selbst haben ja kein Gedächtnis). Es ist beim Klavier spielen immer involviert, ob man nun will oder nicht. Und wir können darüber sehr dankbar sein, denn sonst könnten wir niemals schnelle Passagen spielen und uns überhaupt motorisch komplexere Dinge merken. Nur ist es - wie auch hier schon gesagt wurde - sehr trügerisch, sich ausschließlich darauf zu verlassen, wenn man vorspielt oder auswendig lernt. Was macht man, wenn es infolge einer Unkonzentriertheit, eines Verspielers oder von Lampenfieber mal aussetzt?
:D
Oder was macht man, wenn man aufgrund von starker Nervosität sich am Anfang eines Konzerts mal nicht zuhören kann (natürlich ist es ungemein wichtig, sich und der Musik zuzuhören) und einem nur noch im Kopf Gedanken rumgeistern wie "Huah, huah, jetzt gucken alle auf mich, huah, huah, wie soll ich das überstehen, huah, huah, ......"? Dann braucht man zusätzlich andere Auffangnetze, z.B. die, die Mindenblues schon genannt hat
1. Formanalyse = Wissen um die Struktur und Entwicklung,
2. verbunden mit einer harmonischen Analyse,
3. dann das Können, an allen Phrasenanfängen sicher einsteigen und anfangen zu können, was man gezielt üben sollte (!), wenn das Üben nicht ohnehin so strukturiert ist, dass man es kann - so bildet sich eine Art Sicherheitsnetz, bei dem man bei einem Aussetzer oder Verspieler flugs in die nächste Phrase springt (
muss man auch üben: die meisten neigen leider dazu, bei einem Verspieler entweder zu versuchen, ihn richtig zu spielen, was den musikalischen Fluss unterbricht und meistens nicht klappt, weil der Spieler ja gerade das Falsche gespielt hat und nun unter Druck das Richtige spielen will, oder rückwärts zu springen, was die gleichen schlechten Folgen hat)
4. photographisches Gedächtnis und andere Gedächtnisarten wie Fingergedächtnis (s.o.): wie Mindenblues schon angedeutet hat, gibt es verschiedene Lerntypen. Lernen ist eine sehr individuelle Angelegenheit und so sollte man unbedingt auf die eigenen Stärken setzen und das Üben danach ausrichten, anstatt so zu lernen, wie man gar nicht "gebaut" ist. Ein Studienkollege von mir hat sich als zusätzliches Auffangnetz immer gemerkt, wie sich die Finger auf den Tasten bewegten. Das war ihm eine Gedächtnishilfe und er hat keineswegs "Malen nach Zahlen" gespielt. Ich würde da im Dreieck springen, das wäre gar nichts für mich. Ich habe ein photographisches Gedächtnis und dies ist mir eine große Hilfe beim Auswendig Spielen. Es tritt da ein, was lotusblume so bezeichnet
Nein, ich meine es ernst. Klangfolgegedächtnis muss nicht unbedingt durchs Hören fremder Interpretationen kommen, sondern durchs Notenlesen.
Denn für mich ist ja Notenlesen gleichbedeutend mit "den Klang oder die Klangfolgen hören". Ich kann keine Noten lesen ohne eine Klangvorstellung und deshalb ist es ebenso kein "Malen nach Zahlen", wenn man ein photographisches Gedächtnis nutzt.
Es ist also individuell verschieden, wie man (auswendig) lernt und man sollte die eigenen Fähigkeiten dabei nutzen und ausbauen. Die verschiedenen Bereiche ergeben ein Gesamtbild, dass es ermöglicht, bei Aussetzern auf ein anderes Auffangnetz zurückzugreifen. Praktischerweise lernt man ein Stück dabei auch gut kennen, auswendig spielen/lernen und üben greifen ineinander.
Und ansonsten:
ich übe immer so, wie die Struktur des jeweiligen Stücks und meine Fähigkeiten es erfordern. Was also sehr unterschiedlich sein kann, je nachdem, ob ich ein polyphones, eher homophones Stück, Etüde ..... übe.
Ich höre mir nie andere Aufnahmen vorher an, allerdings geht es mir wie Rolf, das man die meisten Stücke schon vorher kennt. Ich höre mir erst später andere Aufnahmen an.
Stattdessen schaue ich mir das Stück/Notenbild zuerst an, versuche, Form und Struktur zu erkennen, es innerlich zu hören. Ab und an spiele ich dann vom Blatt, je nach Lust und Laune.
Ich übe es eigentlich immer "durcheinander", fange also mit Stellen zuerst an, die mir besonders komplex oder schwierig erscheinen und spiele es erst dann durch, wenn ich es auch (erst mal in einem langsamem Tempo) kann. Ich übe immer so, dass es gut klingt und ich immer "richtig" spiele. Wenn es nicht so ist, erkenne ich ein Problem und versuche, es zu lösen.
Dabei geht mir das Stück oft mental nicht aus dem Kopf - das mentale Üben finde ich sehr wichtig, denn dabei kann ich mich ganz auf die klangliche Realisierung konzentrieren. Und schwupps ist das Stück schon besser geworden, obwohl ich es "eigentlich" überhaupt nicht geübt habe. :D
Das Wichtigste ist für mich, dass ich immer nach den musikalischen Strukturen übe, die im Stück vorhanden sind. Ich versuche, das Stück von allen möglichen Perspektiven aus "durchzuhören" - ich habe neulich einen Beitrag dazu geschrieben, mal sehen ob ich den noch finde. Juchhu, hier ist er:
https://www.clavio.de/forum/klavier...pausen-practicing-level-ii-14.html#post301463
Um dabei den Fortschritt beim Üben des Stücks mit dem Auswendiglernen zu verbinden (was ja sehr sinnvoll ist, s.o.), übe ich sehr oft auswendig. Das Notenblatt liegt dann auf dem herunter geklappten Notenpult. Natürlich sollte man ab und an auch immer wieder in den Notentext schauen, das geht aber auch ohne Instrument. Da beim Üben Form- und harmonische Analyse automatisch integriert sind (sonst kann ich nicht sinnvoll üben), lernt man so ein Stück "inwendig", wie pppetc mal sagte, kennen und dann kann nicht mehr viel passieren.
Tja, das war's ganz grob auch schon. :D
Liebe Grüße
chiarina