Ich moechte aus gegebenen Anlass mal meine Sichtweise und Erfahrungen i.S. Tonleitern, Uebungen, Gleichmaessigkeit kundtun. Damit Ihr mich einordnen koennt: Bin Ue60, ein Jahr Klavierunterricht als Kind, jetzt gute zwei Jahre Unterricht mit KL.
Aus einem Bauchgefuehl heraus sagte ich meinem KL gleich zu Anfang, dass ich keine Tonleitern u.ae. lernen und ueben will, das waere vergeudete Zeit. Er war nicht unbedingt meiner Meinung, hat es aber akzeptiert.
Wir arbeiten - meiner Neigung und meinen Wuenschen gemaess - ausschliesslich mit Werken der romantischen Klavierliteratur (C-Dur-Praeludium war natuerlich auch dabei, weiterer Bach wird demnaechst auch mal angegangen). Und ich denke doch, dass ich voran komme.
Die groesste Freude ist mir dann, wenn ich es schaffe, eine wunderschoene Melodie und/oder spannende Akkordfolgen in meinem Ohr erklingen zu lassen. (Und die allergroesste Freude war einmal im Unterricht: Ich kam an jenem Tag mit dem dortigen Fluegel anfangs nicht zurecht, wollte mich reinspielen und habe die Akkorde der l.H. mit Pedal so fuer mich ganz alleine probiert und gespielt und den KL dabei ganz vergessen. Nach ein Dutzend Takten in Folge hoerte ich auf, es lief ja jetzt. Da kam aus dem Hintergrund eine Stimme, ich bin richtig erschrocken: "Oooh, warum hast Du jetzt aufgehoert? Das war so schoen!")
Ueber den "schwachen 4. und 5. Finger" habe ich mir - bis zu diesem Faden hier - noch nie Gedanken gemacht. Vielleicht in der Richtung, dass der 5. Finger ganz anders als z.B. der Daumen ist, mehr aber auch nicht. Ich habe das Gefuehl: je mehr man darueber redet umso mehr macht man sich Gedanken darueber und umso mehr geht die Spontanietaet verloren. Es koennte auch sein, dass meine Finger nach 50 Jahren 10-Finger-Schreibsystem auf Tastatur perfekt "trainiert" sind. Keine Ahnung, ist mir auch egal.
Die Gleichmaessigkeit, ja, die zu erreichen, ist schwierig. Ich meine jedoch, dass es zwei Arten von Gleichmaessigkeit gibt.
Dieselben Notenwerte einer nach dem anderen gleichmaessig zu spielen sehe ich nicht als die grosse Schwierigkeit, da kann ich mich ja einigermassen an meinen Koerper, an den inneren Puls, an meinen Herzschlag richten.
Schwierig wird's dann, wenn sich unterschiedliche Notenwerte aneinder reihen. Spiele ich die Stelle mit den vielen Achteln insgesamt schneller als die mit nur Vierteln? Oder langsamer? Ja, das kommt schon manchmal vor. Aber genau diese Kombination von Vierteln und Achteln gibt es ja nur in dem Stueck, ueber dem ich gerade sitze. An diesen Stellen wird gezielt nachgebessert, das war's auch schon.
Zum Abschluss zurueck zu den Tonleitern. Vor ein paar Monaten kam bei mir der Wunsch auf, doch einmal die Tonleitern zu lernen, einfach so. Damit habe ich dem KL eine Riesenfreude bereitet, los ging's: Alle Dur-Tonleiter parallel und gegenlaeufig ueber zwei Oktaven. Ich habe schon ein Dutzend Uebestunden und ingesamt eine KL-Stunde dafuer investiert - und es war ein Erfolg! Keine Ahnung, ob ich jetzt besser spiele, das interessierte mich auch nicht. Erfolg im Sinne einer persoenlichen und fuer mich wertvollen Lernerfahrung: Mein Koerper und mein Geist bilden zusammen eine Wundermaschine. Wie haette ich es sonst geschafft, am Ende dieser Arbeit die Tonleitern automatisch rauf- und runterspielen zu koennen?