sorry, mein Beitrag ist länger geworden!
Bach wurde von den großen Komponisten sehr verehrt: Beethoven, Chopin, Liszt, Schumann, Mendelssohn … Mag sein, dass einer Bach sehr bewundert, wenn man selber ernsthaft komponiert, als „Endverbraucher“ meide ich ihn eher.
Ich habe Bildungsbürger erlebt, für die ist Bach über allem was Musik heißt, dann kommt sehr lange nichts mehr, dann vielleicht Mozart usw. Die Romantik ist sowieso „bäh“. – Auf meine Frage, was denn an Bach so faszinierend sei: „Seine Musik ist so mathematisch“, wobei mir dieses „mathematisch“ auch nicht so genau erklärt werden konnte. Ich werde den Verdacht nicht los, dass diese überbordende Bachverehrung ein eher weniger reflektiertes Nachgeplapper ist.
Ein kleines Doppelalbum mit zwei CDs der „großen Pianisten des 20. Jahrhunderts“ enthält kaum Bach – eher Scarlatti, kaum Mozart, wenig Beethoven, umso mehr die Komponisten der Romantik: Chopin, Liszt bis Rachmaninow und Debussy usw. Das „Glanzrepertoire“.
Mein eigenes Bacherleben:
Grundschulzeit, dann bis ca. 12 Jahre: unsere erste KLin belästigte meinen älteren Bruder u.a. mit dem Präludium in Cis-Dur aus WTK I (er hat es nie wirklich geschafft), für sie war „Bach über alles“. Meine eigene Bachtätigkeit zu dieser Zeit weiß ich nicht mehr. Irgendwann gab es natürlich auch das C-Dur Präludium. Zum guten Ton unserer damaligen KLin gehörte noch Bartok, unbedingt Bartok (das mussten ihre Schüler unter allen Umständen haben). Die „Gute“ spielte nie selbst was vor, ein kleiner KLSchüler weiß doch bei Bartok nie, ob das stimmt, was er da übt. Seither hat meine Familie ein „Aber“ vor Bach und vor Bartok.
Unser späterer sehr qualifizierter KL hat uns ebenfalls mit den kleinen Präludien gequält, das war aber eher eine kürzere Episode, weil wir uns gesträubt und mit Händen und Füßen dagegen gewehrt haben. Scarlatti als Ersatz? War damals nicht so prickelnd.
In meiner Geigenvergangenheit gehörten natürlich Vivaldi und andere Barockkomponisten. Macht zum Spielen mehr Spaß als zum Zuhören. – Bach war zu schwer.
Um meine Abiturzeit habe ich mit Kirchenorgel angefangen, viel Bach, die Noten waren präsent, unser Kantor spielte mir einiges vor. Kleine Präludien und Fugen, die großen Werke in D-Dur, Es-Dur (mit der Tripelfuge) und kleinere Stücke. Lieber Orgelbach als Klavierbach, der erste Teil der Tripelfuge ist ein Prachtsstück. Kann man für sich spielen, z.B. als Nachspiel. Der Orgelbach war mir zugänglicher als der Klavierbach.
In meiner Studienzeit, als ich anfing, mir ein Klavierrepertoire aufzubauen, kam mir natürlich Bach über den Weg. Die Analyse von Fugen hat mir eigentlich nicht viel gebracht. Ein paar Pr.u.F. aus dem WTK I habe ich auswendig gelernt und auch aufgeführt, ebenso Bach-Liszt Pr.u.F. a-moll, Fantasie und Fuge g-moll auswendig und aufgeführt, ebenso die Chaconne Bach-Busoni. Ein Vivaldi-Bach Konzert ebenfalls auswendig gelernt und aufgeführt. Macht zum Spielen mehr Spaß als zum Hören, zum Einspielen vor Publikum sehr geeignet. – Für eigene Zwecke hatte ich mal alle Französischen Suiten ziemlich gut auf Kassette eingespielt. Fazit der Bemühungen: „Ich mag Bach nicht wirklich“!
Weihnacht für Weihnacht das Weihnachtsoratorium – man wird so an die barockkitschigen Melodien zu den Weihnachtstexten gewöhnt, dass man zu den Originaltexten der Bibel nur noch schwer einen vernünftigen und unvoreingenommenen Bezug herstellen kann.
10 Jahre lang hatte ich mal Klavierstunden gegeben (kaum Bach dabei) und in der Zeit fast regelmäßig die Schülervorspiele der Musikschule besucht. Man muss ja wissen, was die anderen KL machen. Ein armer KLSchüler, ca. 15 Jahre, ein schlaksiger Kerl mit Händen wie Klodeckel, mühte sich an einer Invention ab. Jede Wette, dass ein solchermaßen Gequälter das Klavierspielen aufgibt, sobald er die Möglichkeit dazu hat. In diesem Alter hatte ich Gott sei Dank schon die Doppeloktaven- und Akkordtechnik entdeckt, mit der ein pubertierender Halbwüchsiger seinen Frust am Klavier ablassen kann und mit der er vor Gleichaltrigen angeben kann.
Das Feeling der Jungen heute ist ein Anderes als zur Zeit der Bach-Söhne!!
Walter
P.s.: noch zum C-Dur Präludium
Einer meiner KLSchüler bekam zur geeigneten Zeit die geschlossenen Akkorde des C-Dur Präludiums von mir sauber ausgeschrieben zum Lernen – er hat das Präludium anschließend gut geschafft. Ein Anfänger kann die zerlegten Akkorde nicht als geschlossene Harmonien erkennen. Er wird durch die einfache Anweisung, die Akkorde also solche zu spielen überfordert.