OK, was den Riß im Steg angeht, habe ich noch keine Entscheidung getroffen. Bisher war die Diskussion mit dem Meister durchaus zielführend für a) mein eigenes Verständnis und b) eine realistische Abschätzung der Möglichkeiten.
Tatsache ist, dass das erste Festschlagen des betroffenen Stiftes schon einiges gebracht hat. Daran konnte man also erkennen, dass die Unreinheit tatsächlich am Steg und nicht in einer tauben Saite entstand. Finde ich schon mal wichtig. Die derzeitige Zwischenlösung des Filzes in klingenden Teil der Saite macht es in jedem Fall erträglich, war also auch nach 6 Monaten spielen ein voller Erfolg, aber eben keine finale Lösung.
Jetzt standen zwei Optionen zur Diskussion:
* Wie @Tastenscherge schon fein gezeigt hat, ist Epoxy ein Lösungsansatz. Caveat: Mehrere Saiten müssen gelöst werden, das Zeugs muß lange aushärten und der Meister meint, dass Epoxy nicht unbedingt die komplette Oberfläche innerhalb des Risses abdeckt, also nicht hineinkriecht und damit nicht unbedingt die notwendige Stabilität auf lange Sicht gewährleistet werden kann. Hm.
* Einsetzen eines minimal größeren Stegstiftes. Das war anfänglich angedacht, aber mittlerweile hat sich herausgestellt, dass es keine Stegstifte mit genau diesem winzig größeren Maß gibt.
Nun war ich in der letzten Woche in den USA mit einem klaren Fokus auf diverse Klaviergeschichten, vom Treffen von Künstlen, über Besuch eines Konzertes und einer Meisterklasse und auch dem ausufernden Besuch bei zwei Klavierbauern, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der erste sagte ganz klar: Alles neu macht der Mai. Reiß alles aus Deiner Kiste raus, neuen Boden, neue Filze, neuer Steg, neue Saiten etc. OK, das ist dessen Philosophie, weil er selbst Resonanzböden baut und dementsprechend nicht auf Substanzerhaltung, sondern vollständige Erneuerung in allen Belangen setzt. Aus bekannten Gründen ist dies keine Option für mich. Ich habe geweint, als ich einen Steinway C von 1915 mit völlig intaktem Boden und Steg sah - wissend, dass der in ein paar Wochen komplett auseinandergenommen werden würde und der Boden und Steg im Müll landen würde.
Die anderen Klavierbauer zu beschreiben, fällt schwer. Ich habe lange in der IT-Branche geabeitet, speziell im Umfeld von Security, Open source und Linux-Kernelentwicklung. Die Jungs aus Massachusetts kann einfach nur als Hacker bezeichnen, und zwar im positivsten Sinne. Kreativer Einsatz von Technik, gepaart mit unfaßbarer Geduld und Akribie und im Fall des Klavierbaus die ganz klare Maxime: Soviel original wie möglich.
Ich habe gesehen, wie sie ohne mechanische Hilfsmittel die Rippen vom Resonanzboden eines Mason&Hamlin Konzertflügels rückstandslos gelöst haben, mit Wasserdampf. Ich habe gesehen, wie sie den Resonanzboden eines Centennials aufgearbeitet haben und was der für einen unglaublichen Bumms verbreitet hat, der ins Zwerchfell geht. Das einzig fertige Instrument war ein Chickering 7'' von der Jahrhundertwende - und das war schon ein wirklich schönes Instrument.
Und die Jungs haben mir verschmitzt eine Lösung genannt, die mich baff gemacht hat:
Super Glue (Sekundenkleber, Cyanacrylat)
Laut ihren Erfahrungen ist das deutlich besser als Epoxy, weil Cyanacrylat in die letzte Pore der Oberfläche des Holzes einzieht und gleichzeitig die benötigte Festigkeit der Klebeigenschaften am Metall des Stegstiftes bietet. Caveat: Der Stegstift sitzt danach so fest, dass er nicht mehr ohne Gewalt gelöst werden kann und damit potentiell neue Schäden entstehen. Nur kann ich mir nicht vorstellen, warum ich jemals noch einmal diesen Stegstift lösen wollen würde.
Ich hatte jetzt fast eine Woche Zeit, darüber nachzudenken, und mir ist nichts eingefallen, was dagegen spricht. Ich werde das natürlich mit dem Meister diskutieren, bzw. seinem Adlatus, der nächste Woche kommt, um dem Flügel die Letzte Öl^WStimmung und Intonation zu geben.
Trotzdem: Es interessiert mich sehr, ob jemand schon mal mit Cyanacrylat etwas Vergleichbares gemacht hat und von den Erfahrungen berichten kann. Im Moment trägt es für mich die Verheißung der Quadratur des Kreises in sich.