Steinway B, Seriennummer 60103 (1887)

Und nun hört man in abgeschwächter Form auch im zweiten Diskantfeld einige Töne, die zwar gut gestimmt sind und sauber ausschwingen, aber eben beim Anschlag nicht sauber klingen.

Update: Meine Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet, sondern hat sich jetzt endgültig als falsch herausgestellt. Der Diskant hat sich einfach recht schnell verstimmt und der Meister hat heute die entsprechende Bereinigung vorgenommen. Die Stimmung ist nicht perfekt, dafür war einfach nicht genug Zeit da, aber das Instrument soll sich sowieso jetzt erst einmal "setzen" und dann gibt's im November wieder eine richtige Stimmung und weiteres Intonieren.

Heute ist also klar geworden, dass Mr. Tinway so bleibt, wie er ist. Keine Neubesaitung, keine Änderung an der Dämpfung, am Diskantsteg und an der Silie des Capos. Für das, was ich jetzt investiert habe, ist das Instrument im bestmöglichen Zustand und spielt sich wie ein Traum.

Und den einen ekligen Ton, der durch den Riß im Steg nie sauber klang, den hat der Meister durch einen Trick gebändigt:

Filz-h.jpg

Dieses unscheinbare Stückchen Filz dämpft die linke Saite des Chors nun so ab, dass der Chor rein klingt und der Ton nicht mehr wiederzuerkennen ist. Noch kurz ein wenig mit der Nadel an der linken Seite des Hammerkopfs gestochen und nun ist der Ton auch mit Verschiebung sauber.

Und so klingt er aktuell:

https://drive.google.com/open?id=1NVJ_hIofrNZLiTKDdOHs3F1OdPy0_8C6

Zu direkt aufgenommen, ich weiß. In Wahrheit klingt er noch schöner.
 
Wenn du innnen an der Tastenklappe diesen ohnehin nicht originalen Kunstlack abbeizen würdest, würde der Originalschriftzug wieder hervorkommen, der höchstwahrscheinlich darunter verborgen liegt.

Mal ganz blöd gefragt: Kann man den originalen Lack irgendwie bestimmen, also überhaupt feststellen, wie der mal aussah? Der aktuelle Lack scheint nicht sonderlich beständig zu sein; habe mal vor kurzem mit Tesaband unter der Klappe Mikrofone befestigt und beim Ablösen war eine deutlich sichtbare schwarze Farbe zurückgeblieben.

Ich weiß z.B., dass ein seinerzeit befreundeter Klavierbauer seinen sehr ähnlichen B-Flügel mit einer sehr feinen Rolle, wie beim Tapezieren/Nachstreichen komplett lackiert hat, aber auch da weiß ich nicht, was original drunter war.

Und: Was würde mich erwarten, wenn ich tatsächlich den Lack von der Tastaturklappe abbeizen würde? Wie wurde seinerzeit dieser originale Schriftzug überhaupt auf den originalen Lack aufgetragen, aus welchem Material?
 
Bei mir scheint der Schriftzug lackiert worden sein. Geklebt ist da nix. I
 
Aha, ein Tinway hast Du Zuhause:-D
 
Also, die Diskussion um den Stegstift hatte ich bereits mit dem Meister. Ja, als erste Annäherung zur Verbesserung war in der Tat der Versuch, den Stegstift fester einzuschlagen. Mir hat übrigens sehr gut gefallen, dass der Meister mir das alles erklärt hat und vor dem Eingriff explizit fragte, ob ich ihm genug vertraue, dass er mit Gewalt am Flügel herumwerkelt.

Ja, das Einschlagen hat schon substantiell etwas gebracht und mit dem zusätzlichen Filz ist der Zustand derzeit akzeptabel. Und Agraffentonis Einwand ist vollkommen richtig: Ein größerer Stegstift würde vielleicht kurzfristig genau diesen einen Punkt stabiliseren, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass die Umgebung labiler und anfälliger für weitere Risse wird.

Aktuell noch in der Diskussion ist die Überlegung, die Saite und den betroffenen Stift, vielleicht noch einen weiteren, angrenzenden, herauszunehmen und die Löcher mit verhärtendem Material (Epoxyharz?) auszufüllen und neue Bohrungen zu setzen.

Ändert nichts an der Tatsache, dass es ein Eingriff mit Folgen wäre: Neue Saite, neue Stegstift, vor allem aber neue Stimmnägel, die wiederum zwingend eine Nummer größer sein müßten wie die aktuellen. Und da bleibt dann einfach die Frage: Lohnt es den Aufwand, wird das Ergebnis signifikant die aktuelle Situation verbessern, oder schafft man sich gar einen neuen Schwachpunkt?

Die Jury ist draußen und berät sich noch...
 
Gründliche, allerdings leider nicht unaufwendige Lösung wäre ein Re-Cap des Stegs mit neuem Hartgehölz..

Nein, das kommt nicht in Frage. Das Instrument hat jetzt einen Endzustand erreicht, der so bleiben wird, weil alles ambulant mögliche gemacht wurde. Jeder Schritt, der jetzt noch wirklich deutliche Verbesserung versprechen *könnte*, wäre mit Abtransport in eine Werkstatt verbunden. Und ist er erst einmal dort, dann kann man gleich alle Saiten neu machen. Und wenn die schon unten sind, dann kann man auch gleich den Steg und Boden machen, Capo neu schleifen, Agraffen und Stimmnägel ersetzen.

Und dann sind wir in einem Preisrahmen, der einfach nicht mehr für ein so altes Instrument gerechtfertigt ist.

So wie Mr. Tinway jetzt ist, ist er super. Ich erfreue mich ungemein am Klang des Instrumentes; die Reparatur war ein voller Erfolg, mit Sicherheit einer der schönsten B-Flügel, die ich jemals gepielt habe. Der eine Ton, herrje, eh schon durch den Filz abgemildert, also wurscht.

Und Ende des Monats lasse ich nochmal einen Techniker einfliegen, der den Final Touch in Sachen Stimmung und Intonation bringt.
 

Ändert nichts an der Tatsache, dass es ein Eingriff mit Folgen wäre: Neue Saite, neue Stegstift, vor allem aber neue Stimmnägel, die wiederum zwingend eine Nummer größer sein müßten wie die aktuellen.

Bezieht sich das auf die Epoxy Lösung? Da braucht es keine neue Saite oder Stimmnägel. Epoxy rein, Stegstift rein, nach Härten Überschuss wegschleifen, fertig.

Aaaaber: immerhin ist das ein Steinway. Da werden natürlich alle Puristen auf Epoxy schimpfen. Wenn du damit leben kannst.......

Allerdings würde ich es nach dem Tieferschlagen jetzt erst mal so lassen, wenn es für dich akzeptabel ist.
 
OK, was den Riß im Steg angeht, habe ich noch keine Entscheidung getroffen. Bisher war die Diskussion mit dem Meister durchaus zielführend für a) mein eigenes Verständnis und b) eine realistische Abschätzung der Möglichkeiten.

Tatsache ist, dass das erste Festschlagen des betroffenen Stiftes schon einiges gebracht hat. Daran konnte man also erkennen, dass die Unreinheit tatsächlich am Steg und nicht in einer tauben Saite entstand. Finde ich schon mal wichtig. Die derzeitige Zwischenlösung des Filzes in klingenden Teil der Saite macht es in jedem Fall erträglich, war also auch nach 6 Monaten spielen ein voller Erfolg, aber eben keine finale Lösung.

Jetzt standen zwei Optionen zur Diskussion:

* Wie @Tastenscherge schon fein gezeigt hat, ist Epoxy ein Lösungsansatz. Caveat: Mehrere Saiten müssen gelöst werden, das Zeugs muß lange aushärten und der Meister meint, dass Epoxy nicht unbedingt die komplette Oberfläche innerhalb des Risses abdeckt, also nicht hineinkriecht und damit nicht unbedingt die notwendige Stabilität auf lange Sicht gewährleistet werden kann. Hm.

* Einsetzen eines minimal größeren Stegstiftes. Das war anfänglich angedacht, aber mittlerweile hat sich herausgestellt, dass es keine Stegstifte mit genau diesem winzig größeren Maß gibt.

Nun war ich in der letzten Woche in den USA mit einem klaren Fokus auf diverse Klaviergeschichten, vom Treffen von Künstlen, über Besuch eines Konzertes und einer Meisterklasse und auch dem ausufernden Besuch bei zwei Klavierbauern, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Der erste sagte ganz klar: Alles neu macht der Mai. Reiß alles aus Deiner Kiste raus, neuen Boden, neue Filze, neuer Steg, neue Saiten etc. OK, das ist dessen Philosophie, weil er selbst Resonanzböden baut und dementsprechend nicht auf Substanzerhaltung, sondern vollständige Erneuerung in allen Belangen setzt. Aus bekannten Gründen ist dies keine Option für mich. Ich habe geweint, als ich einen Steinway C von 1915 mit völlig intaktem Boden und Steg sah - wissend, dass der in ein paar Wochen komplett auseinandergenommen werden würde und der Boden und Steg im Müll landen würde.

Die anderen Klavierbauer zu beschreiben, fällt schwer. Ich habe lange in der IT-Branche geabeitet, speziell im Umfeld von Security, Open source und Linux-Kernelentwicklung. Die Jungs aus Massachusetts kann einfach nur als Hacker bezeichnen, und zwar im positivsten Sinne. Kreativer Einsatz von Technik, gepaart mit unfaßbarer Geduld und Akribie und im Fall des Klavierbaus die ganz klare Maxime: Soviel original wie möglich.

Ich habe gesehen, wie sie ohne mechanische Hilfsmittel die Rippen vom Resonanzboden eines Mason&Hamlin Konzertflügels rückstandslos gelöst haben, mit Wasserdampf. Ich habe gesehen, wie sie den Resonanzboden eines Centennials aufgearbeitet haben und was der für einen unglaublichen Bumms verbreitet hat, der ins Zwerchfell geht. Das einzig fertige Instrument war ein Chickering 7'' von der Jahrhundertwende - und das war schon ein wirklich schönes Instrument.

Und die Jungs haben mir verschmitzt eine Lösung genannt, die mich baff gemacht hat:

Super Glue (Sekundenkleber, Cyanacrylat)

Laut ihren Erfahrungen ist das deutlich besser als Epoxy, weil Cyanacrylat in die letzte Pore der Oberfläche des Holzes einzieht und gleichzeitig die benötigte Festigkeit der Klebeigenschaften am Metall des Stegstiftes bietet. Caveat: Der Stegstift sitzt danach so fest, dass er nicht mehr ohne Gewalt gelöst werden kann und damit potentiell neue Schäden entstehen. Nur kann ich mir nicht vorstellen, warum ich jemals noch einmal diesen Stegstift lösen wollen würde.

Ich hatte jetzt fast eine Woche Zeit, darüber nachzudenken, und mir ist nichts eingefallen, was dagegen spricht. Ich werde das natürlich mit dem Meister diskutieren, bzw. seinem Adlatus, der nächste Woche kommt, um dem Flügel die Letzte Öl^WStimmung und Intonation zu geben.

Trotzdem: Es interessiert mich sehr, ob jemand schon mal mit Cyanacrylat etwas Vergleichbares gemacht hat und von den Erfahrungen berichten kann. Im Moment trägt es für mich die Verheißung der Quadratur des Kreises in sich.
 
Es interessiert mich sehr, ob jemand schon mal mit Cyanacrylat etwas Vergleichbares gemacht hat
An meinem Bastelklavier ist ein Stegstift wegen Riss lose. Problem: Kein Herankommen an diese Stelle. Die ist genau unter dem Gußrahmen, der Stegstift lässt sich nicht rausziehen (2 mm Platz zum Rahmen) und der Rahmen lässt sich nicht ausbauen. Hier habe ich es auch mit Sekundenkleber probiert, gerade weil der so gut fliest.
Ob das funktioniert hat kann ich aber erst nächstes Jahr sagen. Beim Anzupfen der entsprechenden Chorsaiten viel mir noch nichts negatives auf.
 
Dünnflüssiges Epoxy mit ausreichend Härter in Spritze mit dicker Kanüle.

Und...
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....
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warten.
 

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