Haha, köstlich, dieses Gefecht hier :D
Aber jetzt mal im Ernst, Leute.
Hört einfach auf, so zu antworten, damit Ihr Recht behaltet oder als der geilere Typ dasteht, und wendet Euch mal den Fakten zu.
Und die sehen folgendermaßen aus:
Jeder kann ausprobieren, mal zumindest zeitweise mit geschlossenen Augen zu üben.
Dazu nimmt man natürlich ein Stück, das man so weit gut genug kennt, so daß man nicht dauernd stockt: "Äh, wie war noch gleich der nächste Ton?" (Logisch.)
Und es sollte auch nicht schwierig sein, sondern gut schaffbar, so daß man sich auch auf die neue Erfahrung des Blindspielens einlassen kann und das nicht als Kampf erlebt.
So, nun hat man das auf solch eine zweckmäßige Weise einige Male gemacht. Was stellt man fest?
Da der Sehsinn (der stets von der Rechenkapazität des Gehirns, die für Input von Sinnesorganen aufgewendet wird, den weitaus größten Teil verbraucht) ausgeschaltet ist, bleibt mehr Rechenkapazität übrig für die anderen Sinne: Hörsinn, Tastsinn, propriozeptiver und kinästhetischer Sinn.
Man stellt fest, daß man "tiefer" in die Klangwelt eintauchen kann und auch die Verbundenheit mit der Tastatur erleben kann und auch deutlicher wahrnehmen kann, was im Körper so los ist. Alles wirkt in dieser Hinsicht detaillierter, "farbiger".
Der Tastaturkontakt wird besser, das Sinneserlebnis in den Fingerspitzen reichhaltiger, die Finger entspannen sich.
Daraus ergeben sich wertvolle Erkenntnisse, auch für anschließendes Spiel ohne geschlossene Augen.
Daher ist das Blindspielen insbesondere für Menschen mit undeutlicher Klangvorstellung (oder solche, die sich zu oft etwas einbilden, zu spielen, was in Wirklichkeit aber ganz anders erklingt) oder ungünstigen bzw. verkrampften Bewegungen sehr empfehlenswert, um zu spüren, wie sich Musikmachen anfühlen kann, wenn man nicht wieder in die gewohnten mechanistischen Muster zurückfällt. (Sehr zu empfehlen ist hier Improvisation, um ohne "Richtigmachenmüssen" ein gutes Spielgefühl zu erleben und dies Spielgefühl dann "abzuspeichern" und auf das Spielen eines notierten Stücks zu übertragen.)
Was pppetc sagt über das Vertrauen in Bewegungsabläufe ist ebenfalls sehr richtig und wichtig. Dauerndes "Glotzen" (H. Jacoby) im Sinne eines verkrampften Kontrollieren- bzw. Festhaltenwollens ist stets kontraproduktiv.
Es ist sehr Rolf-typisch, daß er zur Untermauerung seines Standpunktes immer hypervirtuose Stücke (also Spezialfälle!) anführt und dadurch versucht, die Argumente des Gegners als Ganzes zu diskreditieren. Macht er bei mir auch oft so. In Wirklichkeit besteht überhaupt kein Widerspruch zwischen einerseits der Förderlichkeit des Blindspielens als eine Maßnahme unter vielen, um insbesondere bei noch nicht so erfahrenen Spielern Wahrnehmung und entspannte, vertrauensvolle Bewegung zu stärken, und der Erforderlichkeit einer Augenkontrolle bei bestimmten sehr virtuosen Sonderanforderungen.
Und es ist sehr pppetc-typisch, daß er sich weigert, diese klaren Argumente fürs Blindspielen (und vielleicht noch andere, die ich jetzt nicht genannt habe) einfach zu nennen und dadurch die nervige Diskussion abzukürzen und auf den Punkt zu bringen, weil er, wenn ich ihn richtig verstehe (so weit dies überhaupt möglich ist...), das eigene Erleben des Schülers in den Vordergrund stellt und eine Nennung der Argumente ähnlich wie in meinem Posting verhindern würde, daß der Schüler einfach unvoreingenommen tut und wahrnimmt. Vordergründig scheint was dran zu sein; ich meine aber, daß es ein Irrtum ist, zu glauben, man könne unvoreingenommen und "tabula-rasa-mäßig" tun und erleben - jeder ist vorkonditioniert, und alle Wahrnehmungen beruhen auf bereits vorhandenen Interpretationsfiltern.
LG,
Hasenbein
P.S.: Und ja, Rolf, Du staunst vielleicht, aber es gibt tatsächlich Menschen, die nie Islamey oder Rach 3 hinkriegen werden und dies auch nicht als Ziel haben und die trotzdem auf Weltklasse-Weise ganz hervorragend auf dem Klavier musizieren. Und dies ist dann kein "B-Klasse"-Klavierspiel, sondern den "Rach-3-Hinkriegern" absolut gleichwertig. Tatum ist also nicht schlechter als Horowitz oder Rachmaninow, bloß weil er "nur improvisiert" hat. Das wußten Horowitz und Rachmaninow, und deswegen haben sie ihn auch aufrichtig verehrt, und zwar als Musiker, und nicht nur als "Alter, der kann aber auch ganz schön schnell". Buhuhuuu??? :D