Hi Amaryllis, da sind wir ja schon zwei auf dem gleichen Pfad des beflügelnden Abenteuers!
Bin pianistisch auch alles andere als ein Profi und was ich über Instrumente weiß, habe ich mir hier im Forum bei den vielen kompetenten Beiträgen von Fachleuten zusammengelesen (bin mir des kleinen Widerspruchs bewusst - wer selbst inkompetent ist, kann natürlich die Kompetenz anderer nicht beurteilen, aber wenn verschiedene Personen vollständig unabhängig voneinander und auch außerhalb des Forums dasselbe äußern, muss was Wahres dran sein ;) )
Ich kann Dir ja mal sagen - von Anfänger zu Anfänger gewissermaßen - wie ich vorgehe:
1. Erster Eindruck: Der Kontakt am Telefon (ich melde mich immer einige Tage vorher an, was den potenziellen Verkäufern sehr recht ist, weil sie dann das fragliche Instrument etwas vorbereiten können). Wie spricht der Verkäufer über das Instrument? Kennt er es persönlich oder hat er mehr oder weniger keine Ahnung, von welchem ich rede? Dazu ist es natürlich wichtig, nicht irgendein Telefonservicemäuschen an der Strippe zu haben, sondern den Meister himself. Positiv finde ich, wenn derjenige sofort Bescheid weiß und umfassend Auskunft gibt, was den Zustand, die Historie und die bereits geleisteten Arbeiten an dem Instrument betrifft. Da habe ich noch keine schlechten Erfahrungen gemacht - war derjenige gerade nicht zugegen, bekam ich entweder die Mobilnummer oder aber einen Rückruf. Obwohl ich eigentlich nicht an den Rückruf glaube - er kam.
2. Den Termin vor Ort ausmachen, wenn der Meister anwesend ist und etwas Zeit mitbringt. Nach meinen bisherigen Erfahrungen sind diese Leute sehr offen und zeigen einem bereitwillig alles, was es an Spezifika gibt, weisen auch auf noch verbesserungsfähige Einzelheiten hin.
3. Dann sich an dem Instrument mit offenem Ohr etwas warmspielen und dabei sich an das Individuum gewöhnen, das man da unter den Fingern hat. Dann hurtig loslegen mit der anspruchsvollsten Literatur, die man drauf hat. Wenn Du nicht trillern kannst, versuchst Du es halt so gut es geht oder repetierst mit Einzeltönen - Du wirst es merken, ob es sich gut anfühlt. Falls es geht, lass Dir das Instrument vorspielen und trete einige Schritte zurück (zweischneidiges Schwert: So kannst Du zwar den Klang gut beurteilen, aber vielleicht ist der Klavierbaumeister auch ein guter Pianist, dann bringt er die übelste Gurke zum leichtfüßigen Trillern
)
4. Fällt einem dabei etwas Negatives/Ungewöhnliches auf, den Meister darauf ansprechen. Ich habe es mal erlebt, dass in kurzer Zeit eine komplette Mechanik (es ging um zu stramme Dämpfungsfedern) etwas anders eingestellt wurde. Überhaupt: Fragen, fragen, fragen. Vielleicht sogar vorher ne kleine Liste machen über alles was einem wichtig ist.
5. Einige Zeit in innerer Zwiesprache mit dem Instrument verharren, ein bisschen rumimprovisieren. Springt da was über? Macht da was Lust auf "mehr"?
6. Falls man sich positiv-unsicher ist: Nochmal hin und einen Fachmenschen seines Vertrauens mitnehmen. Falls man sich negativ-unsicher ist: Weitersuchen.
Vor allem: Sich nie unter Zeitdruck setzen. Die Instrumente gehen wohl selten in der Zeit weg, die man braucht, um eine Entscheidung zu treffen. Gerade gestern hörte ich die Aussage eines KBM: Och, das Instrument steht hier erst seit ganz kurzer Zeit. - Frage: Wie lange denn? - Den habe ich erst vor zwei oder drei Monaten reinbekommen.
Ich habe eine sehr konkrete Vorstellung, wie sich der Flügel anfühlen und anhören soll. Da vertraue ich meinem Feeling - ich werde ihn erkennen, wenn ich vor ihm sitze und ihn spiele. Meine persönliche Sorge ist neuerdings (genauer gesagt: seit gestern), dass mein persönliches Feeling vielleicht "verdorben" ist durch mein ausgezeichnetes Klavier, und dass es unfair ist, an ein hundertjähriges Instrument mit dem Maßstab eines nagelneuen S&S heranzutreten. Egal - wird sich weisen.
Bin mal gespannt, wer von uns beiden als erstes fündig wird. :klavier: