Mögt ihr Oper?

Mögt ihr Oper


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    369
Zu Friedrichs -wie stets- treffenden Rezension hier noch ein paar optische und akustische Eindrücke.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
ja, so kann man´s auch nennen, heute sagt man piercing dazu...
:D:D
So ein Piercing müsste der guten Senta am Ende eigentlich beim "Baden gehen" helfen, damit sie auch zuverlässig und schnell untergeht. Das selbe Funktionsprinzip wie bei einem Anker und so... :D

Spaß beiseite: Es ist Wagnerjahr, und obwohl ich sonst kein großer Opernfreund bin, höre ich den Holländer immer wieder gerne. Von daher werde ich heute mal den Fernseher einschalten und bin sehr gespannt drauf!
 

Wahnsinn,daß es so was gibt, der Tenor ist absolut bewundernswert, hier professionell seine Rolle durchzusingen.

Erinnert mich an einen Klavierabend mit Valery Afanassiev: als er die Bühne betrat, war er derartig sternhagelvoll, dass er nicht mehr mitkriegte, wo das Publikum war, also verbeugte er sich zur Wand hinter dem Flügel !! :D Er spielte danach einen makellosen Klavierabend...:o:o

Zurück zur Oper: hörte zu Pfingsten im Garten die Meistersinger und beim Fliedermonolog sah ich die längst abgeblühten Fliedersträucher vor mir.
War da die Mini-Eiszeit schuld dran, dass bei Mozart die Veilchen im Mai statt im März und bei Wagner der Flieder statt Anfang Mai erst Ende Juni blühte?
 
"Der durch Verträge ich Herr, den Verträgen bin ich nun Knecht..."

Der Großkanzler der Unterhaltung

Interview aus der "Welt" vom 20.Februar 2012:

Welt Online : Herr Castorf, Ihre Inszenierungen sind selten kurz.
Wie lange dauert der Abend diesmal?

Frank Castorf : Ich habe es in meinem Vertrag stehen:
Es darf nicht unter 17 Stunden gehen.

Welt Online : Für Kleists "Die Marquise von O…"?

Castorf : Natürlich nicht, ich spreche vom "Ring" in Bayreuth. Es gab erst Überlegungen,
Veränderungen an der Partitur oder am Libretto vorzunehmen. Aber Kirill Petrenko, der Dirigent,
möchte das Original haben, und die beiden Wagner-Schwestern ebenfalls . Also hab ich gesagt:
Okay, ist ja schön, dass keiner sagt, mach es mal kürzer. Und der Kleist an der Volksbühne
dauert drei Stunden.

Welt Online : [...] Warum gehen Sie das Risiko in Bayreuth ein?

Castorf : Bayreuth ist für mich eine Grenzüberschreitung. Der Konservatismus
ist dort viel stärker ausgeprägt. Wenn schon Oper, dann in Bayreuth.
Und wenn schon, dann den "Ring", dieses Gesamtkunstwerk. Wäre das Angebot
aus Wien oder woandersher gekommen, ich hätte es nicht gemacht. Oder nur,
wenn ich in die Partitur, ins Libretto hätte eingreifen dürfen.
In Bayreuth geht das aus verständlichen Gründen nicht.

Welt Online : Kaum zu glauben, dass Sie die Vorgaben akzeptiert haben …

Castorf : Ich habe auch mehrfach gezögert. Jetzt steht es im Vertrag, leider.
Das ist ein Risiko. Weil ich nicht mehr die Möglichkeit habe, den Wagner-Stoff
mit etwas anderem gegenzuschneiden. Aber ich habe in den Verhandlungen einiges erreicht.
Es wird eine Drehbühne geben, und ich kann mit dem Medium Film arbeiten. Die Opernleute
sind da ja immer ein bisschen skeptisch. Konservative Opernliebhaber auch.
Es gibt in Bayreuth ein Publikum, das nicht nur aus künstlerischen Gründen
über den roten Teppich geht. Wie die Kanzlerin und Thomas Gottschalk,
der Großkanzler der Unterhaltung. Das finde ich gut so. Hier in Berlin ist man
immer nur unter sich. Das ist auf Dauer doch langweilig.

Welt Online : Wagners "Ring" zelebriert in den 17 Stunden Musik
den Untergang eines Göttergeschlechts. Welche Geschichte erzählen Sie?

Castorf : Für mich ist es eine Reise hin zum Gold unserer Tage – zum Erdöl.
Und Siegfried, das ist doch die Geschichte von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen.
Man kann es einfach wie Märchenfiguren erzählen. Es erinnert auch an Orson Welles'
Filmklassiker "Citizen Kane". Im Kriegsfilm "Apocalypse Now" kommen die Hubschrauber
zu Wagners Walkürenritt angeflogen. Diese Art der Übersetzung spukte uns
durch den Kopf. Weg von Illustration, mitten hinein in den logischen Widerspruch.

Welt Online : Ihr "Ring" spielt in der Gegenwart?

Castorf : Mit dem Erdölzeitalter beginnt die Industrialisierung der Welt. 1890 gab es
in Aserbaidschan einen Boom, die alten Fördertürme von Baku sahen aus wie Holzkathedralen.
Es gibt zwei Antipoden: Russland und Texas, wo der Ölboom in den 50er-Jahren folgte.
Aber in der Regie wird sich vieles dem historisierenden Zugriff entziehen. Amerika
und Russland sind für mich das 20. Jahrhundert, in der Mitte ist etwas, das sind wir.
Mein Bühnenbildner Aleksandar Denic hat etwas Wunderbares gebaut: den Berliner Alexanderplatz
als postmodernen Sozialismus. Auf einer Drehbühne wird Ost-West zusammengebracht,
das ist unsere Zeitreise. Sie beginnt irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg.

Welt Online : Bei einer Premiere in Bayreuth haben Sie eine größere
politische Aufmerksamkeit als in der Volksbühne. Wie wollen Sie diese nutzen?

Castorf : Das muss man sehen. Ich liebe den Spaß der Umwege, und ich weiß
heute doch noch nicht, wohin mich die Musik führen wird. Es gibt den Alexanderplatz,
aber wenn sich die Bühne dreht, ist man in New York an der Wall Street.
Ich will diese Ambivalenz und keine eindeutige Aussage. Eindeutige Aussagen stimmen selten.
Aber richtig ist: Alle Systeme, die wir hatten, haben sich als Walhalla herausgestellt.
Und gegenwärtig lösen sich alle moralischen Werte auf.

Welt Online : Dann machen Sie einen "Globalisierungs-Ring"?

Castorf : Ich kann nicht sagen, ob Globalisierung gut oder schlecht ist. Aber ich merke,
dass durch den Zusammenbruch des Wertesystems, an dem ich mich ja früher gerieben habe,
sich vieles verschlechtert hat. Die Ost-West-Mauer hat auch vieles abgehalten, die großen Kriege.
Das Aufkommen des militanten Islamismus wäre so nicht denkbar gewesen. Aber Geschichte
kann man sich ja nicht wünschen, die passiert einfach.

Welt Online : Kleist wie auch Wagner – ist das Ihre Rückbesinnung auf das Deutsche?

Castorf : Ich bin ja auch so ein teutonischer Zuchtmeister. Ich finde schon, dass wir
eine lange Traditionslinie haben, die erklärt, warum wir so geworden sind. Das ist teilweise
furchtbar, manchmal – wie im Fall Wagner – etwas ganz Besonderes. Mich interessieren
die liegengebliebenen Stoffe des 19. Jahrhunderts: Grabbe, Hölderlin, Lenz.
Bei Kleist macht es mir Spaß, durch Widersprüche zum Lachen zu provozieren.
Mein Stil ist vielleicht im Augenblick nicht angesagt. Das wird sich aber wieder ändern.
Im Moment bin ich hier in Berlin in einen Spalt der Zeitmaschine gefallen.

© Axel Springer AG 2013
 

Das Interview habe ich mir nicht ausgedacht.


Echt nich? Ok.ok.: war bloß sone rhetorische Frage.

Sowas denkt man sich nicht aus - sowas kriegt man geschenkt.
Immerhin weiß ich nun, was "wir" ist - das hatt mich schon mein
Leben lang umgetrieben; jetzt endlich!!!

Es ist immer wieder wien Tritt vorn Bug, wenn man jemanden
trifft, der *wirklich* weiß, wovon er spricht - währenddessen
man ihm gerne zuriefe:



Die Frau Rauscher aus der Klabbergass:
Die hadde Beul am Ei -
Obs vom Rauscher kimmd, odder vonnirm Maa,
Dess klärrd die Bollizei.






p.s.: wobei - der hadde werklisch schee Jäggelsche oo: feii Stöffsche, feii Stöffsche
 
Über Österreich zu schreiben, ist schwer.
Was wird das Ausland dazu sagen?
(Egon Friedell)


Opern-, Konzert- oder Theaterkritiker zu sein, ist ein schwieriger Beruf,
nicht nur wegen der Gefahr, durch Fehlurteile à la Krehbiel unsterblich zu werden,
sondern weil der Rezensent beim Sprechen über das Objekt seiner Kritik
eine Menge von sich selbst preisgibt: Man kann von jedem Berufskritiker –
anhand seiner Vorlieben und Abneigungen – eine Art Bewegungsprofil erstellen.
Die schlaueren Füchse unter den Kritikern wissen das und orientieren
ihre Veröffentlichungen daran. Eine Rezension gibt also nicht unbedingt
die Meinung ihres Verfassers wider, sondern eher das Wunschbild,
das der Kritiker von sich in der Öffentlichkeit erzeugen möchte.

Dieses Wunschbild wird nur von dem Ruf beeinträchtigt, den der Arbeitgeber
des Kritikers, also das jeweilige Medium, in der Öffentlichkeit genießt.
Darum präsentiert sich der Rezensent in einem linksliberalen Blättchen
anders als im konservativen Druckorgan. Das führt zu einer interessanten
Rochade in der Regietheater-Berichterstattung der letzten Jahre:
Vor ihrem jeweiligen Hintergrund können es sich Kritiker in den linksliberalen
Blättern leisten, über die neuesten Theaterexzesse ironisch-distanziert
zu berichten, während ihre Kollegen aus dem konservativen Zeitungsmilieu
gerade das Lob des Regietheaters als eine Art Jungbrunnen entdeckt haben.

Aber selbst wenn man dieses Reaktionsmuster als unvermeidlich hinnimmt,
überraschen die von der Alice Schalek der Musikkritik erbrachten Höchstleistungen,
zuerst in jener nach der Rheingold-Premiere eilends einberufenen „Kritikerrunde“,
dann in ihren Heimatblättern FAZ/FAS: Sie hält es für eine originelle Inszenierungsidee,
alle Männer als „Strizzis“ und alle Weiber als „Nutten“ auftreten zu lassen,
und in diesem Tenor geht es dann weiter: „Alle Männer sind ausgemachte
Arschlöcher, zynische Schwächlinge, geile Böcke. Die Frauen sind hysterische Hexen,
Zombieschlampen, Püppchen mit Stroh im Kopf...Zuhälter Wotan und Edelnutte Erda...“

Sie kriegt sich vor Begeisterung gar nicht mehr ein – über sich selbst: daß sie
so böse Worte in den Mund nimmt und daß sie Castorfs Inszenierung so toll findet
(unter anderem mit der Begründung, daß sie sich darin „keine Sekunde gelangweilt“ habe).
Es ist das Übelste, was man Frank Castorf zur Zeit nachsagen kann,
daß seine „Ring“-Inszenierung FAZ-Begeisterungsstürme auslöst.
 
Übrigens, ich mag Oper durchaus sehr gern:



Musik, Bühnenbild, und schauspielerische Leistung der Akteure: alles ist hier sehr gut gemacht, finde ich. So wie auch bei allen anderen Opern-Ausschnitten im Film "Amadeus".

Auch ohne Bild kann ich die Musik alleine sehr gut anhören.

Und auch der Gesang: rein, klar, kraftvoll, angenehm, hochgradig beeindruckend. Ich mag Kunstgesang durchaus, aber so, wie es aussieht, kommt es auf die Art des Singens an. Wenn ich mir wahllos Opern auf YT herauspicke, passiert es öfters, daß ich mit der Art, wie gesungen wird, nicht warm werde. Es liegt nicht an der Musik. Richtig verbalisieren kann ich es aber nicht, was genau mich da manchmal stört.

Viele Grüße.

p.s. ach so, noch ein Tipp: es gibt auf Youtube ganze Opernaufführungen bekannter Häuser zu begutachten - für diejenigen, die das noch nicht wußten. Man muß also nicht unbedingt in die Oper gehen, um sich mit dem Genre näher vertraut zu machen - falls noch nicht geschehen.

Edit: Link mit Teilen der Inszenierung
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Übrigens, ich mag Oper durchaus sehr gern

Und dieser Leidenschaft haben wir also Deinen legendären Faden https://www.clavio.de/forum/umfragen/16124-moegt-ihr-oper-nicht.html zu verdanken? Ich darf Dich ein wenig zitieren:

Seit 3 Jahren und mittlerweile 105 Seiten ist dieser Faden der Dauerbrenner - und ich fühle mich irgendwie benachteiligt. Und manchmal auch ein wenig abgewertet, weil ich dieser Kunstform, ganz im Gegensatz zur Kunstmusik allgemein, eben nichts abzugewinnen vermag.

Und dabei darf das Lumen natürlich nicht fehlen:

Wenn in der Oper gesungen wird, hört es für mich auf

Welchem Damaskuserlebnis ist denn Dein Sinneswandel geschuldet?
 
Lieber Friedrich,

nennen wir diesen einen Faden, für den ich mich auch öffentlich entschuldigte, mißlungen...

Welchem Damaskuserlebnis ist denn Dein Sinneswandel geschuldet?

;) Einfach der Tatsache, daß es diesen Film gibt ("Amadeus").

Ich hatte immer mal nach Opernmusik gesucht, die ich mag - und dabei vergessen, daß ich bereits welche kannte, ja sogar auf DVD hatte.

Zu leisten wäre die folgende Arbeit: viele Inszenierungen von Opern wahllos durchhören, solange, bis man etwas findet, das einem gefällt. Dann könnte man es z.B. in euren Faden hier verlinken. Allein, bleibt das eine Zeitfrage.
 

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