Mögt ihr Oper?

Mögt ihr Oper


  • Umfrageteilnehmer
    369
Ein plausibler Grund, Oper (nicht) zu mögen:

"A Carrier [ein kanad. Indianerstamm] friend recently told me, somewhat to my surprise, that his father, who passed away in 1995 at the age of 95 and never went to school, had liked opera. He called it "shun be lhehudulh" = "they fight each other with songs". I'm not sure how much Italian he understood, but he seems to have understood opera pretty well."

(Quelle: Language Log » Bill Poser)
 
....es wäre ein Grund, an der Seriosität dieser Gattung zu zweifeln.

Das "shun be lhehudulh" = "they fight each other with songs" hat nämlich
untergründig sogar die Freiheit des Komponisten beschränkt: ein Aspekt,
der z.B. Verdi in seinen Galeerenjahren ebenfalls zu schaffen gemacht hat.
Das strenge System im italienischen Operntheater - mit der Abstufung
von Haupt- und Nebenrollen - wirkte sich auf Länge und Komplexionsgrad
der Arien aus. Arien für Nebenrollen durften nicht "zu gut" ausfallen,
um zu verhindern, daß eine Neben- eine Hauptfigur an die Wand sang.

Es ist erstaunlich, daß die Gattung Oper unter solch kunstfremden
oder sogar -feindlichen Entstehungsbedingungen nie gelitten hat.
 
Am Donnerstag habe ich den fadesten Tristan meines Lebens miterlebt - in der Generalprobe in Bayreuth.

...

Und andertags habe ich mir unverzüglich die Aufnahme der weiter oben erwähnten wunderschönen Dessauer Produktion zu Gemüte geführt, um den ganzen Schmarrn aus dem Kopf zu bekommen.

Die Damnatio Memoriae ist vollendet, denn gestern war ich in dem musikalisch wunderschönen Nürnberger Tristan.

Ich mag Journalistenlyrik nicht so gerne, aber man wird dem Rezensenten des BR kaum widersprechen wollen, der nach der Premiere in seiner Frühmorgenkritik meinte:

"Leidenschaftlich, schwelgerisch, schmachtend, drängend, anrührend, erschütternd, aufwühlend ... Es gibt nicht genug Adjektive, die diese unbeschreibliche Musik beschreiben könnten – so wie sie Nürnbergs Generalmusikdirektor Marcus Bosch aus dem Orchestergraben hervorzaubert.
... Fazit: Eine ungeheuer spannungsreiche, lebendige Inszenierung, die die Geschichte librettogetreu in hochästhetischen abstrahierenden Bildern mit viel Leidenschaft erzählt, ein phänomenales, mitreißendes Dirigat, das die Leidenschaften kongenial zur Bühne toben lässt und eine Brangäne zum Niederknien. Nicht entgehen lassen!"


Ich fand den hauseigenem Vincent Wolfsteiner als Tristan eher ein bisserl kratzig - aber immerhin hat er im Gegensatz zum oben genannten bayreuther durchgehalten. Wie erwartet großartig war die einflogene Professorin lIoba Braun als Isolde und auch die mir schon von der Dessauer Produktion her bekannten Alexandra Petersamer als Brangäne fand ich so begeisternd wie der Rezensent sie beschrieben hatte - doch leider hatte die Regie ihre "Habet acht" -Rufe hinter die Bühne verbannt, sodaß man sie kaum hören könnte. Die Regie - nun ja, mich störte sie nicht weiter bis auf den Schluß, wo Tristan im Schlamm eines Schweinekobens lag, um sich richtig in seinem Fieberwahn suhlen zu können, wo Isolde, möglicherweise aus Abneigung gegen dan ganzen Dreck, das Sterben vergaß, und wofür ersatzweise Tristan am Ende - per aspera ad astra - wieder auferstund, sodaß als Schlußtableau ein Holywood-Dream-Paar erschien, zur ungeteilten Begeisterung des altfränkisch gesonnen Publikums, das um ein Haar "hoirate solle se" geschrien hätte.

Grüße,

Friedrich
 
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Dieses Thema existiert seit dem 6.Oktober 2009. Seitdem verfolge ich diesen Faden und in den 3 Jahren habe ich mich nicht dazu durchringen können hier abzustimmen. Jetzt hab ichs doch getan.
Am Mittwoch sah ich im Darmstädter Staatstheater Madame Butterfly. Im Dezember gehts nach Mainz in Elektra und im Studium beschäftigen mich die späten Opern von Verdi. Es ist nicht mehr zu leugnen: das Opernfieber hat mich gepackt. Drum lautet meine Antwort:

Ja, sehr sogar!

lg marcus
 
Am Mittwoch sah ich im Darmstädter Staatstheater Madame Butterfly. Im Dezember gehts nach Mainz in Elektra und im Studium beschäftigen mich die späten Opern von Verdi. Es ist nicht mehr zu leugnen: das Opernfieber hat mich gepackt. Drum lautet meine Antwort:

Ja, sehr sogar!

super! :):)

und viel Spaß im Studium, wenn tutto nel mondo e burrla drankommt!!
 
Wer kennt Dombois / Klein, R. Wagner und seine Medien?

Liebe Leute,

ich wollte mich erkundigen, ob jemand von Euch schon den unten zitierten Titel in der Hand gehabt hat und sagen kann, welche Beiträge daraus lesenswert sind (ich kann mich derzeit leider nicht durch über 500 Seiten fachfremde Literatur fressen).

Alternativ gefragt: gibt es gute Online-Rezensionen zu musikwissenschaftlichen Publikationen, im Stile etwa von Linguist oder Bryn Mawr Classics (bitte nichts aus dem Lektorat der Massen à la Amazon), die einen zuverlässigen Eindruck von Neuerscheinungen vermitteln?

Dank und Gruß,

Friedrich

Hier die Titelankündigung des Verlags:

J. Dombois & R. Klein (eds.): Wagner als Modell für ein Musiktheater von heute. Stuttgart: Klett-Cotta 2012, 531 Seiten, ISBN: 978-3-608-94740-3

Johanna Dombois und Richard Klein bringen die Dinge zusammen, die bei Wagner selbst zusammengehören, in der Interpretation aber meist getrennt werden: Schrift, Musik und Theater. In 23 Beiträgen wird Wagners Werk als Modell für ein Musiktheater von heute entfaltet, in dem alte Wahrheiten wie Neue Technologien ihren Platz finden. Die Bandbreite der sprachlichen Formen – philosophische Abhandlung und Künstlertext, Essay und Manual, Dramolett, Rezension und Gespräch – steht dabei für das »Experimentelle im Repertoire« und ein Theater der Medien, das einmal keinen ruinösen Widerspruch zur Tradition der Werke bildet. Überall werden Einblicke in den inszenatorischen Alltag mit ästhetisch-politischer Kritik verzahnt. So formiert sich auf der Grundlage von Wagners Musiktheater eine Neubestimmung der Oper.
 
so, nun war ich zweimal hintereinander in der Nürnberger "Aida", nicht weil ich dem Stück so verfallen wäre, sondern weil ich Lust auf ein bisserl, nun ja, musikalische wellness hatte, auf Genuß ohne geistige Anstrengung, Theatralik ohne Dramatik oder wie das Programmheft als Zitat Wagners überlieferte, auf "Wirkung ohne Ursache". Am erste Abend sag die Puertoricanerin Melba Ramos ohne rechtes Engagement, am zweiten zu meiner Überraschung als Gast die weiter oben von mir schon einmal gepriesene Jordanka Derilova aus Dessau. Ich fand meine damalige Begeisterung bestätigt, denn eine Stimme, die so glockenklar über dem vereinten Fortissimo von Chor und Orchster schwebt, findet man in einem Haus der Mittelklasse sonst kaum. Dafür hatte einer der Triumphmarschbläser einen rabenschwarzen Abend erwischt und zog die Lacher einiger Blödiane auf sich. Mir fiel dazu eine Anekdote aus einem - nicht weiter empfehlenswerten - Klatschbuch über Wagner ein, das ich über die Weihnachtsfeiertage gelesen habe (J. Köhler, der lachende Wagner, 2012): "Während des Spiels [W. dirigierte Beethoven in Wien] unterlief dem Hornvirtuosen Richard Lewy das Mißgeschick zu gicksen. Der in der ersten Reihe sitzende Eduard Mauthner, Kritiker der Neuen Freien Presse, lachte höhnisch auf. In der Pause sah man Wagner erregt zu M. eilen und ihm aufgebracht erklären, es sei ein Verbrechen, einen Bläser wegen eines Gicksers zu verspotten. Man müsse nur verstehen, was das heiße, dem spröden Metall den idealen Klang abzugewinnen ..." Schade war es trotzdem um den "vergicksten" Marsch.

Appendix: Wäre der böse Hrolf an meiner Stelle, würde er sicher hinzufügen, daß man zur Abrundung die Passage im Werk eines großen norddeutschen Autors zu lesen haben, in welcher er beschreibt, daß in einer gewissen "kleinen Gruppe von Platten die Schlußszenen des pompösen, von melodiösem Genie überquellenden Opernwerks dargeboten würden, das ein großer Landsmann des Herrn Settembrini, der Altmeister der dramatischen Musik des Südens, aus sollennem Anlaß, bei Gelegenheit der Übergabe eines Werkes der völkerverbindenen Technik an die Menschheit, im Auftrag eines orientalischen Fürsten geschaffen hatte." Aber ja: das hab ich unverzüglich getan, zwecks Steigerung der wellness.

Wünsche allerseits ein Gutes neues jahr!

Friedrich
 
so, nun war ich zweimal hintereinander in der Nürnberger "Aida", nicht weil ich dem Stück so verfallen wäre, sondern weil ich Lust auf ein bisserl, nun ja, musikalische wellness hatte, auf Genuß ohne geistige Anstrengung, Theatralik ohne Dramatik...

Lieber Friedrich,

das klingt eher nach Elton Johns Musical! :D

Um den Wellness-Faktor noch weiter zu erhöhen empfehle ich dir, eine Aufführung in Verona zu besuchen. Dort darf man wenigstens beim Triumphmarsch kräftig mitklatschen und kann so auch das eventuelle "Gicksen" der Marschbläser übertönen! :D

Viele Grüße und guten Rutsch!
 

....na warte..... ;):D
wir werden bei nächster Gelegenheit mal einen Blick auf die Harmonik der ägyptomanen Wellnesspartitur werfen

Ach mir ahnte schon, daß derlei kommen würde. Oder schwante es mir gar? ;) Also: ich werd mich nicht erdreisten, ein Urteil über die Partitur abzugeben. Was ich im Kopf hatte, war der Begriff des Musikdramas. Und hier scheint mir tatsächlich zu gelten: "... eine Oper, die nur ihrem eigenen sinnlichen Ausdruck frönt, in der hinter all dem naturalistischen Schein und der leidenschaftlichen musikalischen Expression kein zollbreit Raum mehr bleibt für ein Dahinter, für Bedeutung, Absicht, Hintersinn" (A. Csampai, Aida. Programmheft der bayer. Staatsoper, Spielziet 1978/79). Was die Aida von der Zauberflöte oder dem Tristan scheidet.
 
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Was ich im Kopf hatte, war der Begriff des Musikdramas.
das ging der zeitgenössischen Musikkritik in Italien ebenso, und sie zauste den Verdi mit dem Vorwurf, wie Wagner zu komponieren... und das bzgl. der Aida (!) ... - mit etwas Abstand und ohne 19.-Jh.-Parteigetue: durchkomponiert, leitmotivisch organisiert, kunstvoll orchestriert ist Aida; verblüffenderweise fallen die für "normale" Opern ungewöhnlichen kompositorischen Eigenarten nicht so deutlich auf wie bei Wagner (und was die Libretti betrifft: ich will nicht entscheiden müssen, ob Tristan*) oder Walküre besonders tiefsinnig sind - Aidas Libretto jedenfalls ist nicht sonderlich tiefsinnig)

*) und beide, Tristan wie Aida, haben am Ende einen schönen Liebestod - beide Varianten hat Liszt aufs Klavier übertragen; übrigens hatte Verdi seit dem erscheinen den Klavierauszug des Tristan auf seinem Klavier liegen und sehr geschätzt
 
Was ich im Kopf hatte, war der Begriff des Musikdramas. Und hier scheint mir tatsächlich zu gelten: "... eine Oper, die nur ihrem eigenen sinnlichen Ausdruck frönt, in der hinter all dem naturalistischen Schein und der leidenschaftlichen musikalischen Expression kein zollbreit Raum mehr bleibt für ein Dahinter, für Bedeutung, Absicht, Hintersinn" (A. Csampai, Aida. Programmheft der bayer. Staatsoper, Spielziet 1978/79).

Dem Manne kan geholfen werden. Musst nur, lieber Friedrich, Deine Pläne etwas erweitern, dann kannst Du erleben, was alles in Aida steckt. Und die Delirische als Aida sollte es Dir doch allemal wert sein...:p
 
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heute um 23 Uhr kommt Puccinis La Boheme in der Glotze (3Sat oder Arte), eine andere Inszenierung kommt Anfang nächsten Jahres (am 1. Jan.) dann im anderen Sender (Arte oder 3Sat)
 
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Ich habe gerade eben zufällig den Fernseher angeschaltet gehabt und dabei den Schluss vom 2. Akt sowie den kompletten 3. Akt gesehen. Allerdings wurde auf Arte "Madame Butterfly" gegeben und nicht "La Boheme". ;-)

Das war eine List des bösen Hrolf! Der Überschwemmungsfaktor ist bei MB höher als bei LB, und wenn der Taschentuchvorrat nicht groß genug ist.....

Allerdings denke ich inzwischen, dass die Hamburger Puccini nicht so recht können. Vor Jahren bin ich mal (erstmals in einer Oper!!) in der Pause gegangen, weil der Einschläferungsfaktor soo groß war.

Die MB gestern war auch einfallslos und eher langweilig.
 
Das war eine List des bösen Hrolf! Der Überschwemmungsfaktor ist bei MB höher als bei LB

Wirklich? Mir fällt dazu immer nur der Satz aus Aristoteles' Poetik ein, daß manche Handlungen nicht tragisch, sondern einfach abscheulich seien.
Von der faden Hamburger Inszenierung hab ich nur einen Ausschnitt gesehen, weil vorher im "livestream" der bayr. Staatsoper (Bayerische Staatsoper) Rigoletto kam, auch in fader Inszenierung, aber musikalisch prima. Als letzte internetübertragung kommt übrigens am 9.3. Jenufa.
 

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