Die übliche Replik der Theaterleute lautet, man wolle eben provozieren.
Lieber Friedrich,
ich bewege mich hier auf sehr glattem Eis, weil ich, was Regietheater u.ä. angeht, überhaupt keine Ahnung habe und daher aus keinem Hintergrundwissen schöpfen kann. Also muss ich mich auf einen ganz subjektiven Standpunkt stellen. :p
Meiner Meinung ist eine Provokation als Grund für modernes Regietheater völlig verfehlt und ich hoffe wirklich, dass das nicht (mehr) der Grund dafür ist!
Eine solche Inszenierung, die natürlich an der Optik, die Wagner vorschwebte, vorbei geht, ist nur dann zu rechtfertigen, wenn sie die erzählte Geschichte in einem anderen, zeitgemäßeren Kontext schimmern lässt. Die Geschichte in eine andere Zeit zu transportieren und ihr da eine womöglich gesellschaftskritische Deutung zu geben, ist für mich das Faszinierende!!! Und ihr dabei nichts an Dramatik..., nichts an der musikalischen Aussage zu nehmen!
Wenn du bei den Ratten lachst :p, könnte man sagen, dass dies nicht geglückt ist. Vielleicht liegt es aber auch am Rezipienten? :D
Vielleicht muss die Inszenierung einen Nerv treffen, was natürlich nicht bei jedem Zuhörer geschehen kann. Bei mir war es so, bei meinem Mann übrigens auch.
Ich persönlich mache mir oft Gedanken um Mitläuferschaft, um die Tendenz unserer Gesellschaft, überall auf den neuesten Trend, die neueste Sensation aufzuspringen. Könnte so etwas wie das dritte Reich noch einmal passieren? Sind wir nicht alle anfällig für Reden, die einfache Wahrheiten verkünden, bei denen man sich nicht groß anstrengen muss, mitzukommen? Ist nachdenken, sich Zeit lassen, nicht in der Masse mitzulaufen, out???
Sorry für diesen Exkurs, aber genau so habe ich die Ratten verstanden und deswegen fand ich sie sehr zeitgemäß und, das Wichtigste, zum Nachdenken anregend.
Eine Inszenierung sollte im besten Fall der Gesellschaft, dem Publikum einen Spiegel vorhalten, der zur kritischen Auseinandersetzung auch mit sich selbst anregt.
Weißt du, früher hätte ich solchen Inszenierungen auch nichts abgewinnen können. Aber ich lerne sie immer mehr schätzen. Denn ich darf von Kunst erwarten, dass sie nicht nur zum Genuss einlädt, sondern auch zur Auseinandersetzung. Und da ist mir eine historische Aufführung ( so nenne ich sie jetzt mal...) nicht ausreichend.
Ich weiß natürlich nicht, was Wagner sagen würde. Aber meistens sind Komponisten ja durchaus offen für so etwas.
Ich war neulich auch in Essen im Ring. Die (in der Presse sehr widersprüchliche) Rheingoldaufführung fand ich auch ganz phantastisch in der Inszenierung, weil sie ebenso diesen Spiegel vorhielt.
Ich selbst denke da durchaus lange drüber nach. Es berührt etwas in mir und das ist doch das beste, was passieren kann. Ich finde auch nicht, dass die Inszenierung der Musik etwas nimmt. Sie ergänzen sich und eine Berührung könnte bei mir ohne die bewegende musikalische Umsetzung gar nicht stattfinden.
Aber was, liebe Chiarina, war an der Inszenierung "klar"?
Was ich klar in der Inszenierung fand, war zum einen die Farbwahl (schwarz/weiß), das Licht und die geraden Formen, die nicht im Geringsten ablenkten und die Aufmerksamkeit des Hörers (für mich) klar auf die Protagonisten und die Aussage der Inszenierung lenkte.
Ich fand's echt toll! *grins* Bis eben auf diesen Embryo, der für mich da überhaupt nicht herein passte.
Liebe Grüße
chiarina
P.S.: Lieber gubu, den Anfang hatte ich leider verpasst! :)