Mögt ihr Oper?

Mögt ihr Oper


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hallo Friedrich,

unter den kritischen bis ablehnenden habe ich Adorno, Gal und Marcuse gerne gelesen - ich muss damit ja nicht übereinstimmen. Ein lesenswertes Buch ist meiner Ansicht nach immer noch die Wagner-Biografie von Gregor-Dellin. Die Aufsatz-Sammlung "Wagner und kein Ende" von Egon Voss ist auch sehr lesenswert, sodann jeder Aufsatz von Werner Breig.

Das Heine-Zitat!! :D ...ja, der Heine hat gern auf den Liszt eingedroschen ("häng dich, Franz Liszt") - und umgekehrt von diesem auf die Mütze erhalten, und zwar süffisant... danach war Waffenstillstand :).

herzliche Grüße,
Rolf
 
Hallo, Friedrich, hallo, Rolf!

Gáls Position Wagner gegenüber war nicht dem kritischen Geist
der 60er Jahre geschuldet (dafür war Gál auch schon viel zu alt!),
sondern ist wirklich ein letztes Nachbeben des Parteienstreits
zwischen Brahminen und Wagnerianern. Es mutet unheimlich an,
diese Unversöhnlichkeit hundert Jahre später noch zu spüren.

Adornos "Versuch über Wagner" ist nicht nur besser als sein Ruf,
sondern auch entschieden wagnerfreundlicher,
als orthodoxe Bayreuth-Parteigänger wahrhaben möchten.
Natürlich heftet Dr.Wiesengrund seinen berühmten "bösen Blick" auf Wagner.
Die kleine Schrift wimmelt von gehässigen, wunderbar bösartigen Pointen.
Aber TWA ist insofern ein "ehrlicher Schurke", als er seine Leser immer wissen läßt,
auf welcher theoretischen Grundlage er zu seinem Urteil kommt.

Und dann passiert das Merkwürdige - Adorno gehen die Gäule durch:
Hinter dem Wagnerverächter kommt der heimliche Bewunderer zum Vorschein;
am auffälligsten in den Abschnitten über die Instrumentation und die Phantasmagorie.
Zwei Zeugen haben das unabhängig voneinander bemerkt: Walter Benjamin,
der die 1939 in der "Zeitschrift für Sozialforschung" veröffentlichte Urfassung kannte,
und Thomas Mann, der die vollständige Publikation kannte und dem "lieben Dr.Adorno"
eine "bezwungene Bewunderung" Wagners attestierte.

Also gilt auch für TWA der alte Journalistenwitz:
Seine veröffentlichte Meinung deckt sich nicht immer mit seiner privaten.

Viele Grüße,

Christoph
 
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... ein letztes Nachbeben des Parteienstreits zwischen Brahminen und Wagnerianern. Es mutet unheimlich an, diese Unversöhnlichkeit hundert Jahre später noch zu spüren.

Möglicherweise war er der letzte echte Kombattant, aber zu dieser Zeit
war der Streit schon in die Phase der Mythologisierung
eingetreten, d.h. in die Phase seiner Nacherzählung nach
Sekundär- und Tertiärquellen und seines heldenhaften Nachvollzugs in
gymnasialen Musiksälen und in bürgerlichen Klavierzimmern. Und das hat ihm wohl seine Zählebigkeit beschert. Autobiographische Reminiszenz: weil meine gestrenge Frau Mama schon in
ihrer Schule lauter böse Dinge über Wagner gehört hatte und in ihrem
Glauben an diese wiederum von den Musiklehrern ihres Sprößlings
bestärkt wurde, galt in einem rückständigen fränkischen Landstrich noch in der 2. Hälfte der 60er Jahren statt des Prinzips der Autopsie oder besser Autakousie und statt kritischer Quellenkunde das große, von den Musikpädagogen eifernd überwachte allgemeine Wagneranathem.

Boshafter Appendix: derselbe Mythologisierungsprozeß läßt sich
interessanterweise hier im Forum an der Rezeptionsgeschichte des
"Dreigestirns" verfolgen: eigene Quellenlektüre ist bä, Tradierung und
Ausschmückung von Rhapsodengut hochbeliebt. Wie durch diesen Prozeß Theoderich
zu Dietrich von Bern wurde, so tritt das schreckliche Drachentrio in der
Claviohöhle ins Leben; die Notwendigkeit eines Supplementbands zu
Schwab läßt sich nicht länger leugnen.


Schönes Wochenende!

Friedrich
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Boshafter Appendix: derselbe Mythologisierungsprozeß läßt sich
interessanterweise hier im Forum an der Rezeptionsgeschichte des
"Dreigestirns" verfolgen: eigene Quellenlektüre ist bä, Tradierung und
Ausschmückung von Rhapsodengut hochbeliebt. Wie durch diesen Prozeß Theoderich
zu Dietrich von Bern wurde, so tritt das schreckliche Drachentrio in der
Claviohöhle ins Leben; die Notwendigkeit eines Supplementbands zu
Schwab läßt sich nicht länger leugnen.

:D:D:D

genial glossiert !!!!!

herzlichste Grüße,
Rolf

insbesondere des otrogothischen Warlords Erwähnung :D
 
Lieber Friedrich!

Vielen Dank für Deinen schönen Kommentar -
und die Anregung, sich diese operntaugliche Szene auszumalen:
wie die Ritter vor der Neidhöhle zusammenkommen, um das Drachentrio auszuräuchern...

Zu Deiner Anmerkung:

...galt in einem rückständigen fränkischen Landstrich noch in der 2. Hälfte
der 60er Jahren statt des Prinzips der Autopsie oder besser Autakousie
und statt kritischer Quellenkunde das große, von den Musikpädagogen
eifernd überwachte allgemeine Wagneranathem.

Es scheint ein Naturgesetz zu sein, daß die Musikpädagogik
der Musikgeschichte fünfzig (oder mehr) Jahre hinterherhinkt.
Die zeitgenössische Musik wird völlig ausgeblendet, statt gerade zu ihr hinzuführen.
Auch die nun schon hundert Jahre alte Avantgarde bleibt ungeliebt.
Aber es geht noch weiter: Der Kanon "hochschultauglicher" Literatur
ist auf die üblichen Verdächtigen beschränkt, die meisten Dozenten haben kein Bedürfnis,
den Horizont ihrer Studenten erweitern zu helfen. Warum?
Weil ihr eigener Horizont so beschränkt ist.
Sie kennen keine Note z.B. von Janacek oder Fauré, nicht einmal von diesen,
die des "Kulturbolschewismus" doch nun wirklich unverdächtig sind.
Was soll man da machen?

Herzliche Grüße!

Christoph
 
Moin

die Anregung, sich diese operntaugliche Szene auszumalen:
wie die Ritter vor der Neidhöhle zusammenkommen, um das Drachentrio auszuräuchern...

Sofern die Inszenierung sich nicht dem real crime verpflichtet
fühlt, oder es sich insgesamt um ne absurde Oper handeln
sollte, kämst Du als Intendant in arge Besetzungs-Nöte -
weniger bei den Drachen, als vielmehr bei den "Rittern".

gruß

stephan
 
Gáls Position Wagner gegenüber war nicht dem kritischen Geist
der 60er Jahre geschuldet (dafür war Gál auch schon viel zu alt!),
sondern ist wirklich ein letztes Nachbeben des Parteienstreits
zwischen Brahminen und Wagnerianern. Es mutet unheimlich an,
diese Unversöhnlichkeit hundert Jahre später noch zu spüren.

hallo Gomez,

betrachte doch den Jux (von der 60er Jahre Atmosphäre ein wenig beeinflusst zu sein) als eine Art Ehrenrettung ;) - - ein Musiker, Komponist, Musikfachmann, der das Duett aus Tristan in der von mir zitierten Weise diffamiert, obwohl er es live von den besten Interpreten (Nilson, Flagstad, Silja usw.) hat hören können - ich möchte das lieber nicht weiter ausmalen...

...unheimlich, diese Unversöhnlichkeit? Mir scheint sie eher obskur dogmatisch.

herzliche Grüße,
Rolf
 
...unheimlich, diese Unversöhnlichkeit? Mir scheint sie eher obskur dogmatisch.

Lieber Rolf,

wenn's mal so einfach wäre!

Sein Wagner-Buch kenne ich nicht, und das von Dir
präsentierte Zitat ist wirklich haarsträubend. Das Problem bei der Sache:
Gál war kein Luftikus oder Schwadroneur, sondern ein tiefsinniger Denker.
Er hat auch selbst komponiert. Nach meinem Empfinden gehörte Mut dazu,
sich Anfang der sechziger Jahre mit einem solch haarsträubenden Urteil
an die Öffentlichkeit zu wenden - wenn man nicht wirklich davon überzeugt war.

Bei Gál, Jahrgang 1890, Mandyczweski-Schüler, aufgewachsen in einem Wiener Milieu,
wo sich assimiliert-jüdische und deutsch-österreichische Traditionen gegenseitig befruchtet haben,
sehe ich ein ästhetisches Empfinden nachwirken, das noch der Londoner Emigrant
der roaring sixties so artikulieren kann, als lebte er im Wien des Jahres 1910.

Dies zu wissen macht seine Worte nicht erträglicher -
aber vielleicht verständlich und verzeihlich?

Herzliche Grüße!

Christoph
 
Dies zu wissen macht seine Worte nicht erträglicher -
aber vielleicht verständlich und verzeihlich?

hallo Gomez,

sind gleichsam ex cathedra verbreitete Falschaussagen von einem, der es wissen müsste (wir kennen beide Gals oft verdienstvolles Wirken und auch seine Biografie), sind die wirklich verzeihlich? Ist es verzeihlich, zu behaupten, Wagner habe für Singstimmen eigentlich nicht komponieren können?? Wenn ich mir vorstelle, ein unbedarfter Opernfreund informiert sich, erfährt, dass Hans Gal eine Koryphäe ist, kauft sein Wagnerbuch und lehnt danach ab, in eine Wagneroper zu gehen, und zwar in der Gewissheit, mit einem fachlich versierten Urteil übereinzustimmen - wären auch solche Folgen verzeihlich?

Ich selber halte es nicht für verzeihlich:
erstens, wer entscheidet, was wann verzeihlich ist, was nicht?
zweitens käme mir eine Neuauflage mit Vorwort und Fußnoten, worin um Verständnis für die verzeihlichen Falschaussagen gebeten wird, irgendwie sonderbar vor.
Nein, Gal hat das willentlich, wissentlich und wohlüberlegt geschrieben, im rennomierten Fischerverlag untergebracht - die Konsequenzen, dafür forschungsgeschichtlich und rezeptionsgeschichtlich gebeutelt zu werden, sind dann halt Pech. Man hätte die falschen Invektiven ja auch sein lassen können, aber das wollte man wohl nicht... letzteres mag auch dem Klima der 60er geschuldet sein.

In den 60er Jahren herrschte bzgl. Wagnerrezeption ein Klima der ideologischen Saubermänner, welche bzgl. Wagner einem grundlegenden Fehler aufsaßen: sie machten Wagners Werk verantwortlich für die schäbigen Possen der Wagnerrezeption in der Zeit von ein-zwei Generationen nach dem Tod Wagners. Dieses Klima fand großen Anklang, weil es von der jüngeren Generation als politisch und ideologisch fortschrittlich aufgenommen wurde.

So mancher große Geist hat in diesem Themenkomplex wunderliches von sich gegeben... Ich denke da an Adornos Rabulistik, dass der Alberich im Nibelungenring die schlimmste aller Judenkarikaturen sei, gerade weil er als solche gar nicht kenntlich ist... Das ist wahrlich heavy!!!... Nicht minder in seinem Wagnerbuch die Behauptung, Wagners mangelndes kompositorisches Geschick erweise sich in der "einstimmigen Fortführung von Akkorden"... was mag das nur sein?...

Da ist vieles dem Klima, der Haltung geschuldet - und vieles funktioniert da nach dem Motto: das darf nicht gut sein, also muss man irgendwas (er)finden...

herzliche Grüße,
Rolf
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Piano, lieber Rolf, piano!

Ich bin doch selbst ein Semi-Wagnerianer, bis hin zu der Schizophrenie,
daß ich mich an Wagners Werk ab dem "Lohengrin" berauschen
und gleichzeitig an bösartiger Polemik wider den Bayreuther Meister erfreuen kann -
von Nietzsche über Ludwig Marcuse bis zu Herbert Rosendorfer -,
von Nestroys Parodie und Ernst von Piddes Satire ganz zu schweigen.
Sollten wir über den Parteienstreit nicht langsam erhaben sein?
Und die Polemik vergangener Tage als historisches Phänomen betrachten?

Wie gesagt, ich kenne Gáls Buch nicht, und weiß nicht,
ob darin die Antisemitismus-Karte gezückt wird. Aber anders als Du befürchtest,
hat es keinen sichtbaren Schaden anrichten können - rezeptionsgeschichtlich
ist es offenbar völlig folgenlos geblieben. Man sollte Gál als Schüler
des Brahms-Schülers Mandyczewski zugestehen, daß er vor dem Hintergrund
einer gänzlich veralteten klassizistischen Ästhetik argumentiert,
die mit ihm/in ihm erstaunlicherweise noch lebendig geblieben ist - 1960!
Das mutet an wie die Fahrt mit einer Zeitmaschine.

Zu Adornos Buch habe ich mich schon geäußert - je länger man es liest,
desto offener tritt darin Adornos heimliche Liebe zu Wagner zutage,
bis er gar nicht mehr versucht, sie zu verbergen. Wie schon gesagt:
Benjamin und Th.Mann haben ihm das auch sofort unter die Nase gerieben.
Es interessiert Adorno übrigens nur am Rande, daß Alberich und Mime
als Judenkarikaturen konzipiert worden sind, grandios wird es,
wenn er sie als verkappte Selbstporträts ihres Schöpfers entlarvt.

Wir sollten nicht so "obskur dogmatisch" sein, wie Du von Gál behauptest,
und es lieber mit Molière halten: Je prends mon bien où je le trouve.

Herzlichst,

Christoph
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Piano, lieber Rolf, piano!

Ich bin doch selbst ein Semi-Wagnerianer, bis hin zu der Schizophrenie,
daß ich mich an Wagners Werk ab dem "Lohengrin" berauschen
und gleichzeitig an bösartiger Polemik wider den Bayreuther Meister erfreuen kann -
von Nietzsche über Ludwig Marcuse bis zu Herbert Rosendorfer -,
von Nestroys Parodie und Ernst von Piddes Satire ganz zu schweigen.
Sollten wir über den Parteienstreit nicht langsam erhaben sein?
Und die Polemik vergangener Tage als historisches Phänomen betrachten?

hallo Gomez,

was für eine Zwickmühle!... Einerseits stimme ich Dir zu, andererseits vermag ich aber nicht so gelassen gnädig wie Du zu sein.

Es fällt mir zu schwer, Gals musikalische, kompositorische und in diesem Gebiet schlichtweg falsche Invektiven a la Wagner konnte nicht für Stimmen zu übergehen - - zumal es eine Gal Gesellschaft gibt, die dieses Machwerk namens "Versuch über Wagner" stillschweigend gutheißt...

Es fällt mir auch zu schwer, beim Thema Adorno und Wagner nur den "heimlichen Bewunderer" zu sehen - unter heimlicher Bewunderung stelle ich mir bei einem großen Denker etwas anderes vor, als die unlogische Abstrusität der schlimmsten, weil unkenntlichen Judenkarikatur.... in Gottes Namen: wozu schrieb und publizierte der sowas?

Aber ok - man könnte auch sagen: Schnee von vorgestern - - wenn dem wirklich so wäre! Aber ein Adorno ist kein Schnee von vorgestern - und wenn selbst der bzgl. Wagner zu wunderlichen Formulierungen neigt, so hatte und hat das Folgen: woher kommt denn die Flut der ebenso gehässigen wie unsachlichen Publikationsflut der 60er-80er Jahre über Wagner? Auf wen beruft sich dergleichen gerne, um eine auctoritas zu zitieren?

...die Fahrt mit der Zeitmaschine :) -- ich wüsste ja gar zu gerne, was Herr Gal zu den Nonen und Septimen im zweistimmigen Abschnitt der Chopinschen Berceuse gesagt hat... ob er da auch gewettert hat? ...

anfreunden kann ich mich nicht mit Gals Buch - und dass es relativ folgenlos geblieben ist, sieht man heute so; in den 60er-70ern war das aber nicht der Fall. Und es ist erstaunlich, dass damals kaum wer diesen wunderlich unzeitgemäßen "ästhetischen Hintergrund" als das wahrgenommen hat, was er ja da schon war: unzeitgemäß und sachlich unhaltbar.

Was mich ein wenig bestürzt:
Es interessiert Adorno übrigens nur am Rande, daß Alberich und Mime
als Judenkarikaturen konzipiert worden sind
, grandios wird es,
wenn er sie als verkappte Selbstporträts ihres Schöpfers entlarvt.
wer kann eindeutig nachweisen, dass Alberich und Mime als Judenkarikaturen konzipiert seien??? Weder der Text der Tetralogie, noch die Musik enthalten dergleichen!

Eigentlich wäre "Schwamm drüber" am besten - nur wird, wie ich oft genug erlebt habe, dieser Krempel immer wieder hervorgekramt. Und ich meine: der fehlerhafte Ansatz besteht darin, die schäbigen "ideologischen" Possen der Rezeption nach Wagners Tod partout dem Verblichenen anlasten zu wollen...

herzliche und stets dikussionsfreudige Grüße,
Rolf

im Prinzip stimme ich Dir ja zu: die Polemiken vergangener Tage als historische Phänomene zu betrachten. Aber manche Fossilien weigern sich zäh, einzusehen, dass sie nicht mehr lebendig sind... das wird vermutlich noch eine Weile dauern, bis dieses Thema in der Rumpelkammer des Vergessenwürdigen endgültig verstaut ist
 
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was zum Lachen :) :) obwohl gut gesungen!!

hallo,

um den Ernst ein wenig zu mildern - Wagner und Wagnerrezeption können auch richtig Spaß machen: darum was zu lachen :D

http://www.youtube.com/watch?v=tAo_fTiZ2hY

herzliche Grüße, Rolf
 
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was sich auch anzuhören lohnt:
Carl Maria von Weber: Euryanthe
wunderschön!!!

Ich mag den enthusiastischen Schwung von Webers Musik!!!
 
Lieber Rolf,

auf dem virenbereinigten Link ist Kirsten Flagstad
doch entschieden besser angezogen. Und singen tut sie auch.

Ein dezentes Lächeln angesichts der Kulissen
und des Rahmens, in dem sie dort auftritt (einer Bob Hope-Show),
ist nicht zu vermeiden - meintest Du das?

Ja - und Weber... Warum werden "Oberon" und "Euryanthe"
auf den Bühnen so gemieden? Woher stammt das Ammenmärchen
von ihrer angeblichen Bühnenuntauglichkeit?

Herzliche Grüße!

Christoph
 
Ja - und Weber... Warum werden "Oberon" und "Euryanthe"
auf den Bühnen so gemieden? Woher stammt das Ammenmärchen
von ihrer angeblichen Bühnenuntauglichkeit?

hallo,

das wüsste ich auch gerne!

Oberon: da empfehle ich immer wieder die Aufnahme Domingo, Nilsson!

Euryanthe habe ich erst unlängst komplett konzertant erlebt und sie hat mir sehr gefallen!!

Gruß, Rolf

den Laptop gereinigt und neu eingerichtet zu bekommen war ein kostspieliges Vergnügen!
 
In der Augsburger Pressemitteilung habe ich noch einen ebenso interessanten wie verwunderlichen Satz gefunden:

"... Die Komponisten der Darmstädter Schule und ihre Theoretiker, allen
voran Theodor W. Adorno, stellten Schreker unter Kitschverdacht. ..."

Um diese Geschichte zu einem (vorläufigen?) Ende zu bringen: was ich kaum mehr erwartet hätte, ist eingetreten - der Augsburger Operndirektor hat geantwortet, und ich könnte mir vorstellen, daß seine Antwort Widerspruch provoziert:

unser Pressesprecher Philipp Peters hat Ihre Nachricht vom 15. 4. an mich
weitergeleitet. Es mag sein, dass die Feststellung, die Sie zitieren, das
Verhältnis Adornos und das Verhältnis der "Darmstädter Schule" zu Franz
Schreker verkürzt wiedergibt. Natürlich kenne ich den Text aus "Quasi una
fantasia" und auch die anderen Äußerungen Adornos zu Schreker. Adorno hat
sich, das ist völlig richtig, sehr differenziert zu Franz Schreker und
dessen Verhältnis zum musikalischen Fortschritt im 20. Jahrhundert geäußert.
Gleichwohl entkräftet der besagte Schreker-Text Adornos den "Kitschverdacht"
nicht, er rückt ihn nur in ein anderes Licht. Darüber ließe sich trefflich
streiten und diskutieren. Aber es sind Sätze wie die folgenden, die es
selbst Wohlmeinenden gerade auch nach der Lektüre von Adornos Schreker-Text
schwer machten, sich zu dem Komponisten Franz Schreker zu bekennen: "Woran
die neue Kunst ihr Wesen hat: daß die Utopie eingeht in die Kraft der
Negation, ins Verbot ihres Namens; daß das Bunte gerettet wird im Dunklen,
das Glück in der Askese, die Versöhnung in der Dissonanz - all das hat
Schreker nur von fern gestreift. Bei aller Virtuosität in ihrem
Sonderbereich - an Sicherheit der orchestralen Phantasie war Schreker
wahrscheinlich Strauss überlegen - mißlang seiner Musik die Ichbildung. Sie
steht exterritorial zu den Forderungen der Kultur."
"Mißlungene Ichbildung" - "Schrekers Klangideal ist Musik, die Luftwurzeln
treibt" - "Es ist Musik der Pubertät; selbst einer pubertären Seelenlage
entsprungen ..." Diese Zitate aus Adornos Text waren und sind es, die das
Mißtrauen gegen Schreker bei aller dialektischen Betrachtungsweise und allen
würdigenden und mit Sympathie formulierten Einschränkungen und
Differenzierungen, die Adorno vornimmt, für viele Intellektuelle und Musiker
wachgehalten haben und die Beschäftigung mit seiner Musik, den Einsatz
dafür, seine Werke auf die Spielpläne zu setzen, als vergebliche Liebesmüh'
erscheinen ließen. Ich habe selbst mit Michael Gielen an der Berliner
Aufführung des "Fernen Klang" gearbeitet, einem Dirigenten, der eben von der
Theorie Adornos und dessen Blick auf die Moderne sehr beeinflusst ist, und
weiß von ihm, welch langen Weg es bedurfte bis zur Erkenntnis, Schrekers
Musik als Teil einer "anderen Moderne" wahrnehmen zu können, ja zu dürfen.
Wie gesagt - das ist ein Thema, über das man viele Stunden und Tage
diskutieren kann, aber aus meiner persönlichen Erfahrung als Dramaturg, der
sich seit vielen Jahren für Schreker einsetzt, weiß ich, dass es nicht
Theodor W. Adorno (den ich in vielerlei Hinsicht über alles schätze und
bewundere), zu verdanken ist, dass die Werke Schreker nun doch wieder
häufiger auf den Spielplänen erscheinen.

Gleichwohl freut sich das Theater Augsburg darüber, dass seine aktuelle
Produktion von "Der ferne Klang" bei Kritik und Publikum großes Lob und
regen Zuspruch gefunden hat.

Mit freundlichen Grüßen,

Theater Augsburg
[...]
Operndirektor

Am Samstag schau ich mir die Aufführung an.

Schöne Grüße,

Friedrich
 
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Lieber Friedrich,

das ist das Beste, was Du tun kannst:
am Samstagabend den "Fernen Klang" zu hören.
Was gäbe ich darum, wenn ihn auch wieder einmal hören könnte!

Um es moderatorentauglich zu formulieren:
Der von Dir zitierte Text ist ein hochgradiges Ärgernis.
Laß Dir ein paar der schönsten Verbalinjurien, die das Fränkische kennt,
durch den Kopf gehen - dann weißt Du, was ich von dem Text halte,
desgleichen von seinem eloquenten und hochgebildeten Verfasser.

Leider reichen Bildung und angelesenes Wissen nicht immer aus,
um einen Text zu verstehen - sein mangelndes Verständnis belegt
der Operndirektor schon dadurch, daß er mit Zitaten argumentiert.
Es gibt kaum einen Autor, der weniger zitierbar ist, als Adorno.
Seine Texte sind so konstruiert, daß Gedankenbewegungen nicht
aus ihrem Kontext herausgelöst werden können,
ohne daß man sie zerstört oder Mißverständnissen aussetzt.
Und wenn er unbedingt zitieren will, dann hat der Operndirektor
den entscheidenden Passus sogar noch ausgelassen:

"Mit Kitsch und Glorie ist Schrekers Utopie die der Königskinder,
nur freilich des kleinbürgerlich Idealischen von Humperdincks Oper
entkleidet. Sie feiert jene, die zusammen losziehen in die Welt,
heraus aus aller mittleren Ordnung, lieber zugrunde gehen,
als nicht dem Trieb bis hinab ins Amorphe zu folgen;
die englische Beschreibung dessen, der den Regenbogen jagt,
ist das Schicksal der Schrekerschen Vaganten und Verführerinnen."

Die Pointe in Adornos Text, daß Kitsch hier positiv konnotiert ist,
"mißlungene Ichbildung" und "pubertäre Seelenlage" in Adornos Sicht
notwendige Voraussetzungen sind, um so komponieren zu können,
wie Schreker es getan und Adorno an ihm bewundert hat:
nämlich eine Musik des "bewußtlosen Surrealismus" - diese Pointe
zu verstehen überfordert den Operndirektor ganz offensichtlich.

Und der üble Trick, Vertrautheit mit Adornos Text zu behaupten
und "in vielerlei Hinsicht" Sympathie für den Autor zu bekunden,
während man ihm gleichzeitig posthum zu Leibe rückt,
ist ein wunderschönes Beipsiel für repressive Toleranz.

Dann: Adorno mit dem Darmstädter Klüngel gleichzusetzen...
er war in Darmstadt bestenfalls geduldet - Sprachrohr für die
dortigen jungen Wilden war er nie. Ferner: ihm in die Schuhe zu schieben,
daß andere aus Gedankenträgheit oder Desinteresse Schreker
mit Jugendstil gleichgesetzt und für überholt erklärt haben -
Adorno war gerade darum bemüht, Schreker aus dieser Ecke herauszuholen.

Und da er der erste und lange Zeit einzige war, der sich um Schreker bemüht hat,
gegen das Verdikt der Darmstadt-/Donaueschingen-Front und deren Propagandisten,
ist es sehr wagemutig zu behaupten, Adorno habe nichts zu Schrekers Rehabilitierung
auf der Bühne beigetragen - und macht wieder einmal aus dem X ein U.

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Wie heißt es bei Dashiell Hammett so schön?

"Ich las derweil ein Schild oben an der Wand hinter der Bar:

HIER WERDEN NUR ECHTE AMERIKANISCHE UND
BRITISCHE VORKRIEGS-WHISKYS AUSGESCHENKT

Ich versuchte zu zählen, wieviel Lügen sich in diesen
neun Worten verbargen, und war bis auf vier gekommen -
mit Aussicht auf noch mehr -, als..."

Frage: Wieviel Worte hat der Text des Operndirektors?

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Herzliche Grüße,

Gomez
 
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hallo,

der Augsburger Operndirektor zitiert Adorno, u.a. eine Textstelle, in welcher Adorno andeutet, dass Schreker in der Orchestrierung vielleicht Richard Strauß überlegen war:
Bei aller Virtuosität in ihrem
Sonderbereich - an Sicherheit der orchestralen Phantasie war Schreker
wahrscheinlich Strauss überlegen - mißlang seiner Musik die Ichbildung.
Ich gehe davon aus, dass Adorno das Finale des zweiten Aktes vom Rosenkavalier kannte - und da wundert mich diese Aussage doch sehr!

Innerhalb der Opernmusik der moderaten frühen Moderne kenne ich noch kein Werk, dessen Orchesterklang sich mit dem faszinierenden Funkeln bei Puccini oder R. Strauß, Ravel oder Debussy vergleichen ließe - ferner Klang, tote Stadt u.v.a habe ich gehört.

Vielleicht hat Schreker als Opernkomponist eine ähnliche Position, wie vor ihm Gounod, Delibes oder Saint-Saens: letztere hatten in Wagner und Verdi eine nur schwer erreichbare Konkurrenz - ersterem ging es vielleicht mit Ravel, Debussy, Puccini und R. Stauß ähnlich. Halt - das ist kein "ranking", sondern ich drücke damit nur aus, dass ich nachvollziehen kann, dass z.B. der Rosenkavalier oder Salome nicht selten zu hören sind.

Hätte ich die Zeit, würde ich am Samstag zum fernen Klang nach Augsburg fahren! Aber da bin ich leider nicht im Süden.

Gruß, Rolf
 
Ich gehe davon aus, dass Adorno das Finale des zweiten Aktes vom Rosenkavalier kannte - und da wundert mich diese Aussage doch sehr!

Lieber Rolf,

natürlich kannte Adorno den "Rosenkavalier",
wie auch alle anderen Opern Straussens bis zur "Arabella" (UA: 1933).
Die nachfolgenden Opern hat er emigrationsbedingt nicht kennengelernt
und sich nach seiner Rückkehr aus der Emigration wohl auch nicht mehr
mit ihnen beschäftigt.

Und natürlich kannte Adorno Schrekers Opern - im Gegensatz zu Dir.
Um Adornos "Ranking" also nachvollziehen oder ablehnen zu können,
müßtest Du Dich erst einmal mit Schrekers (Opern-)Musik beschäftigen.
Ansonsten entsprängen Deine Zweifel, die Du in obigem Zitat äußerst,
im wahrsten Wortsinne einem Vor-Urteil.

Und dieses Vorurteil vertiefst Du noch, indem Du über Schrekers
musikgeschichtlichen Stellenwert nachsinnst, obwohl Du kaum eine Note von ihm kennst!
Argumentativ beziehst Du Dich dabei auf Aufführungszahlen. Das ist unmöglich -
wie Du selbst weißt. Wenn Du den Wert einer Musik an Aufführungs-
und Tonträger-Verkaufszahlen bemißt, wäre die dabei herauskommende
"Top Fifty Classics"-Liste auch nicht nach Deinem Geschmack!

Aber wenn Du gerne nackte Zahlen sprechen läßt: Schreker war
zwischen 1918 und 1933 der meistaufgeführte Opernkomponist in Deutschland -
weit vor Richard Strauss. Ab 1933 hat sich dieses Verhältnis nicht einfach umgekehrt,
sondern Schreker wurde verboten: weil er Jude war.
Nach 1945 hat eine ganze Generation von Musikwissenschaftlern,
deren Sozialisation in die Nazi-Zeit fällt, daran gearbeitet, zu beweisen,
daß Schreker und auch Zemlinsky, Braunfels etc. musikgeschichtlich irrelevant seien,
virtuose Musik ohne den Seelenadel deutscher Innerlichkeit produziert hätten:
die alten antisemitischen Klischees in neuer Verpackung.
Eine Überprüfung dieser Behauptungen wurde erst möglich, als die Theater
ab Ende der 70er Jahre wagten, die Opern aus der Versenkung zu holen.
Und siehe da: Neben den besten Werken von Zemlinsky und Schreker
sah plötzlich der arme Richard Strauss ziemlich alt aus. Und das Erstaunen
über die Qualität dieser Musik entsprang keinem verspäteten Wiedergutmachungsbedürfnis.
Die junge Generation von Musikliebhabern ist da ganz unbefangen:
Weder hat Schreker einen Juden-Bonus, noch Strauss einen Arier-Malus.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß Du
- der vor ein paar Tagen so wacker für Anne Frank gekämpft hat -
hier ein altes, antisemitisch motiviertes Vorurteil rekapitulieren möchtest.
Ich kann mir aber vorstellen, daß Du Dir die Klavierauszüge besorgst
(meine Empfehlung: "Die Gezeichneten", "Der ferne Klang" und "Der Schatzgräber",
am besten in dieser Reihenfolge) - dazu die passenden Tonkonserven -,
Dich damit beschäftigst, und wir uns dann weiter darüber austauschen.

Herzliche Grüße!

Gomez
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

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