Lieber Friedrich,
das ist das Beste, was Du tun kannst:
am Samstagabend den "Fernen Klang" zu hören.
Was gäbe ich darum, wenn ihn auch wieder einmal hören könnte!
Um es moderatorentauglich zu formulieren:
Der von Dir zitierte Text ist ein hochgradiges Ärgernis.
Laß Dir ein paar der schönsten Verbalinjurien, die das Fränkische kennt,
durch den Kopf gehen - dann weißt Du, was ich von dem Text halte,
desgleichen von seinem eloquenten und hochgebildeten Verfasser.
Leider reichen Bildung und angelesenes Wissen nicht immer aus,
um einen Text zu verstehen - sein mangelndes Verständnis belegt
der Operndirektor schon dadurch, daß er mit Zitaten argumentiert.
Es gibt kaum einen Autor, der weniger zitierbar ist, als Adorno.
Seine Texte sind so konstruiert, daß Gedankenbewegungen nicht
aus ihrem Kontext herausgelöst werden können,
ohne daß man sie zerstört oder Mißverständnissen aussetzt.
Und wenn er unbedingt zitieren will, dann hat der Operndirektor
den entscheidenden Passus sogar noch ausgelassen:
"Mit Kitsch und Glorie ist Schrekers Utopie die der Königskinder,
nur freilich des kleinbürgerlich Idealischen von Humperdincks Oper
entkleidet. Sie feiert jene, die zusammen losziehen in die Welt,
heraus aus aller mittleren Ordnung, lieber zugrunde gehen,
als nicht dem Trieb bis hinab ins Amorphe zu folgen;
die englische Beschreibung dessen, der den Regenbogen jagt,
ist das Schicksal der Schrekerschen Vaganten und Verführerinnen."
Die Pointe in Adornos Text, daß Kitsch hier positiv konnotiert ist,
"mißlungene Ichbildung" und "pubertäre Seelenlage" in Adornos Sicht
notwendige Voraussetzungen sind, um so komponieren zu können,
wie Schreker es getan und Adorno an ihm bewundert hat:
nämlich eine Musik des "bewußtlosen Surrealismus" - diese Pointe
zu verstehen überfordert den Operndirektor ganz offensichtlich.
Und der üble Trick, Vertrautheit mit Adornos Text zu behaupten
und "in vielerlei Hinsicht" Sympathie für den Autor zu bekunden,
während man ihm gleichzeitig posthum zu Leibe rückt,
ist ein wunderschönes Beipsiel für repressive Toleranz.
Dann: Adorno mit dem Darmstädter Klüngel gleichzusetzen...
er war in Darmstadt bestenfalls geduldet - Sprachrohr für die
dortigen jungen Wilden war er nie. Ferner: ihm in die Schuhe zu schieben,
daß andere aus Gedankenträgheit oder Desinteresse Schreker
mit Jugendstil gleichgesetzt und für überholt erklärt haben -
Adorno war gerade darum bemüht, Schreker aus dieser Ecke herauszuholen.
Und da er der erste und lange Zeit einzige war, der sich um Schreker bemüht hat,
gegen das Verdikt der Darmstadt-/Donaueschingen-Front und deren Propagandisten,
ist es sehr wagemutig zu behaupten, Adorno habe nichts zu Schrekers Rehabilitierung
auf der Bühne beigetragen - und macht wieder einmal aus dem X ein U.
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Wie heißt es bei Dashiell Hammett so schön?
"Ich las derweil ein Schild oben an der Wand hinter der Bar:
HIER WERDEN NUR ECHTE AMERIKANISCHE UND
BRITISCHE VORKRIEGS-WHISKYS AUSGESCHENKT
Ich versuchte zu zählen, wieviel Lügen sich in diesen
neun Worten verbargen, und war bis auf vier gekommen -
mit Aussicht auf noch mehr -, als..."
Frage: Wieviel Worte hat der Text des Operndirektors?
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Herzliche Grüße,
Gomez