LvB Sonate op. 27 Nr. 2

Dafür habe ich ein anderes aufschlussreiches Zitat gefunden:
...dir ist klar, dass dein Fundort etwas … tendenziös ist und genau genommen nichts über Beethovens Tempovorstellungen mitteilt? (Kontext und Intention von Publikationen sind immer zu bedenken)
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...nochmal ganz langsam (sic :-D)
-- Es geht nicht darum, ob A oder B zu schnell oder zu langsam spielen - das ist nebensächlich
-- Es geht auch nicht darum, ob Tempo xy richtig oder falsch ist - das ist vorerst ebenfalls nebensächlich
-- Es geht auch nicht darum, ob irgendwer irgendein Tempo für angemessen hält - das ist völlig irrelevant
-- Es geht auch nicht darum, Beethovens wenige originale Tempovorgaben (Metronomisierungen) zu bewerten*)

Stattdessen geht es vorab um diese Frage(n):
1. was weiß man sicher über Beethovens Tempovorstellungen?
2. wie ist man zu welcher Kenntnis gelangt? (Methoden, Quellen, Sekundärquellen)
3. was kann man bei Beethovenwerken übers Tempo ermitteln, die der Komponist nun mal nicht metronomisiert hat? (Vergleiche der Takt- & Temposysteme, Kolisch u.a.) und wie gesichert ist das?

@playitagain hatte die gute Idee, "wissenschaftliche Vorgehensweise(n)" zu Rate zu ziehen. Eine prima Gelegenheit, nachzuprüfen, was die Musikforschung zum Tempo der Mondscheinsonate geliefert hat und das dabei zu hinterfragen (sofern nötig)**) Da kann man dann sichten, ob und welche primären und welche sekundären Quellen vorliegen und was diese mitzuteilen in der Lage sind. ==> schaden wird das niemandem, eher nützen: so bleibt vorerst irrelevante Plauderei mit privaten Geschmacksdingen außen vor, ebenfalls Vergleicherei mit zig Aufnahmen (denn diese sagen uns nicht, was Beethoven gemeint hat, stattdessen sagen sie uns nur, wie dieser oder jener Interpret Beethoven in der Praxis deutet)

Also hat man die Chance, sich unbeirrt von Gefühlsseligkeiten der Sache mal ganz sachlich und nüchtern zu nähern. Da gemeinhin die vom Komponisten notierten Töne (Tonhöhe, -dauer, -stärke, Artikulation etc etc) nicht angezweifelt werden***) nicht angezweifelt oder gar verschlimmbessert werden, kann und soll man diese Tugenden auch auf die originalen Tempovorschriften anwenden****) Allerdings gibt es einige wenige Fälle, in welchen die originalen Vorschriften den Interpreten Rätsel aufgeben*****) - und das ist ja hier der Fall.

Schadet es, die wenigen Fakten und die vielen Wahrscheinlichkeiten/Indizien zu Tempo und Pedal wenigstens mal wahrzunehmen? Man könnte jetzt, obwohl schon ein paar Hinweise aufgelistet wurden, mal damit anfangen (das Sommerloch hat Platz genug)

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*) a la "buhuhu viel zu schnell" oder "sowas spielt eh keine Rolle" oder "aber das heutige Tempoempfinden" blabla - das alles ist höchst verzichtbar.
**) die liebe Musikforschung bietet übrigens bei weitem nicht zu allen Klavierwerken detaillierte Forschungen über authentische Tempi
***) bestenfalls offensichtliche Schreibfehler werden korrigiert, aber mit Anmerkungen versehen (jedenfalls in ordentlichen Editionen)
****) das geschieht ja auch überwiegend: wo Beethoven adagio sostenuto hinkrakelte, da spielt heute niemand feurig presto possibile
*****) u.a. Chopin op.10,3 Tempo; Beethoven op.106, Metronom; op.111, Tempi; op.27,2 adagio Pedal & Tempo ---- in aller Regel sind es die Werke, deren Interpretationen in auffallendem Maß voneinander abweichen (also sehr verschiedene Aufführungsdauern) ...zu Aufführungsdauern, deren Messungen und vielerlei anderem in diesem Kontext interessant ist https://www.sim.spk-berlin.de/_tempomessungen_bei_beethoven_1317.html lesenswert, auch wenn nichts zum Mondschein drin steht
 
Es geht nicht darum, ob A oder B zu schnell oder zu langsam spielen - das ist nebensächlich
Es geht für dich nicht darum ....
Es geht auch nicht darum, ob Tempo xy richtig oder falsch ist - das ist vorerst ebenfalls nebensächlich
Es geht für dich nicht darum. Und das richtige Tempo (besser richtigere Tempobereich) ist nicht nebensächlich, sonst spielen wir in Zukunft die Klassik wie wir wollen. Auch ok, aber dann halt nicht Werktreu und nicht im Sinne des Komponisten.

Und noch zuletzt das Original-Manuskript Op27, 2 .Ob das wirklich das Original ist weiß ich nicht, aber auf IMSLP runtergezogen. Von alle breve im heutigen Sinne wohl keine Spur. Sehe hier einen schönen 4 Viertel Takt.

Weiters noch Noten von Moscheles (auch Quelle IMSLP)
 

Anhänge

  • IMSLP51037-PMLP01458-Op.27-2_Manuscript.pdf
    4,2 MB · Aufrufe: 25
  • IMSLP90660-PMLP01458-Beethoven,_Lv,_Piano_Sonata_No.14,_Op.27_No.2,_EdMoscheles.pdf
    2,9 MB · Aufrufe: 18
Es geht für dich nicht darum. Und das richtige Tempo (besser richtigere Tempobereich) ist nicht nebensächlich, sonst spielen wir in Zukunft die Klassik wie wir wollen. Auch ok, aber dann halt nicht Werktreu und nicht im Sinne des Komponisten.

Das hat doch niemand behauptet, dass "wir" machen sollen "was wir wollen" oder "spielen wie wir wollen".

Es geht auch für mich nicht ums "Recht haben" oder um das "einzig wahre, weil vom Komponisten so gewollte" Tempo. Wenn man sich dafür interessiert, was Werktreue sein könnte oder was der Komponist gemeint haben könnte und vor allem, wie man sich dem Quellenstudium nähert, dann sind die Beiträge von @rolf sehr lehrreich.
Und irgendwann kommt man zu einem Tempo, das einem passend erscheint, das aber dennoch Gegenstand der eigenen Interpretation ist (und hoffentlich nicht nur der eigenen Spielfähigkeit, weil man z.B. nicht schneller oder langsamer kann). Das macht die Beschäftigung mit Musik ja so spannend.
 
bist du mal wieder zänkisch drauf, @playitagain ?
...hättest du nicht missverstanden, was ich über Quellen etc mitgeteilt habe, dann hättest du begriffen, dass vor einer Entscheidung für ein Tempo die Frage nach den Grundlagen für diese Entscheidung relevant ist; denn wenn man sich nur auf Hörensagen oder noch weniger seriöse "Quellen" stützt, dann sieht es wenig erfreulich aus mit den Grundlagen der Entscheidung - - jetzt begriffen?

Übrigens dein Link zum Manuskript zeigt allen Interessenten nur die 2. (oder 3.?) Seite und dann weiter, die 1. Seite mit Taktvorgabe und Pedal-auf-italienisch ist nicht dabei - … kein Wunder also, dass du da kein alla breve Zeichen sehen kannst: das geht uns allen so; und ein 4/4 kannst du dort natürlich auch nicht sehen, einfach weil da keins ist (Augen auf)
(falls auch das willentlich missverstanden oder nicht kapiert wird: Taktvorgabe und Pedalanweisung befinden sich am Beginn des Satzes, nicht mittendrin)
 
Was ich dir hier sagen wollte hast nicht verstanden: Du kannst nicht für das Forum sagen worum es hier geht. Du suggerierst hier ins Forum und es fällt dir einfach nicht auf.;-)
https://www.duden.de/rechtschreibung/suggerieren


Übrigens bin ich bisher der einzige hier der Spitzenquellen zum Thema, inklusive Pedal, gepostet hat. ;-). Da bin ich schon längst fertig damit.
 
Ja @playitagain du bist eine wissenschaftliche Leuchte, insbesondere bei Autographen und deren erster Seite, wo man Taktvorgaben sieht... und epochal sind die von dir ermittelten Beethovenquellen, die von Czerny und Moscheles stammen...
Ja, es war lehrreich, deine Ausführungen zu lesen :lol::lol:
 
Ein Haydnspaß mal wieder hier zu lesen. Rolfl in action.
Es quellen die Quellen hervor und alle sind so klug als wie zuvor.
 

Das richtige Tempo ist genau so wichtig wie die richtige Note, Lautstärke etc.. Die Wirkung eines Stücks kann eine ganz andere sein bei unterschiedlichem Tempo.
100% Zustimmung!!
"ein falscher Ton stört - ein falsches Tempo verzerrt" (V. Margulis)

Die interessante, noch nicht geklärte Frage aber ist: wie findet man für den 1.Satz op.27,2 ungefähr "das richtige Tempo"? ...und wenn man sich dieser Frage halbwegs ernsthaft nähern will, wird das einem viel Mühe machen... Denn diese Frage lässt sich nicht kurz mit irgendeiner Aufnahme oder irgendeinem (aus dem sehr weiten Kontext gerissenen) Zitat beantworten.

Es gibt ein paar Werke, bei denen die Tempofrage nicht (oder noch nicht?) gelöst ist, op.27,2 erster Satz ist eines davon. Das macht die Sache interessant.
 
"ein falscher Ton stört - ein falsches Tempo verzerrt" (V. Margulis)
Die Frage wäre: stört wann und wen...
(den Laien, den Fachmann, zerstört ein falscher Ton den musikalischen Fluss oder ist er eine durchaus denkbare, womöglich sogar gute oder interessante Alternative zum Notierten usw.)
Die interessante, noch nicht geklärte Frage aber ist: wie findet man für den 1.Satz op.27,2 ungefähr "das richtige Tempo"?
Ein interessantes - und sehr weises - Detail, dass Du "das richtige Tempo" in Anführungszeichen gesetzt hast.
"Das richtige Tempo" gibt es nicht - niemand kann wissenschaftlich beweisen, welches Tempo für ein Stück "das richtige" ist. Da Musik von uns Menschen kommt und gehört wird, können wir nur per Gefühl beurteilen, ob sich irgendetwas schnell oder langsam gespielt besser anhört. Oder ob man es besser etwas schneller oder etwas langsamer spielen sollte.
 
Genau, was @Dreiklang geschrieben hat, finde ich zutreffend: Letztlich wird es doch immer das Gefühl für das richtige Tempo sein, das einen leitet. Sicherlich können Quellen eine kognitive Untermauerung leisten, aber die letzte Instanz wird das subjektive Gefühl sein.

Ich halte es sogar für legitim, selbst bei einer genau vom Komponisten vorgegebenen Metronomzahl von dieser abzuweichen, wenn das Gefühl (nach gründlicher Überlegung und Abwägung der Kriterien) ein anderes Tempo empfindet. Denn das Tempo ist nur ein Parameter der Interpretation, wie ich ja oben schon schrieb. Alle Parameter müssen im Zusammenspiel Sinn ergeben.

Im übrigen gilt: Probieren ist Studieren.

Und noch eine interessante Tatsache: Niemand muss sich bei einer Interpretation für immer festlegen, sollte es auch nicht tun. Brendel hat drei Interpretationen aller Beethoven-Sonaten hingelegt.

Musikmachen kann immer nur ein Suchen bleiben. Boulez sagte sinngemäß, der Künstler-Musiker solle sich nicht mit einer gefundenen Lösung einrichten.
 
Ich halte es sogar für legitim, selbst bei einer genau vom Komponisten vorgegebenen Metronomzahl von dieser abzuweichen, wenn das Gefühl (nach gründlicher Überlegung und Abwägung der Kriterien) ein anderes Tempo empfindet.
...kannst du ein Beispiel geben, wo genau das nachvollziehbar gemacht wird? (kleiner Tipp: op.106 1.Satz ist kein gutes Beispiel, trotz umfangreicher "Quellen" jeglicher Couleur)
...es geht immer beim ermitteln oder entscheiden eines Tempos um die gründliche Abwägung der "Kriterien" - niemand hindert dich, diese für den ersten Mondscheinsatz aufzulisten (ich wird´s mit Interesse lesen)
 
@Tastimo als Interpet kannst, musst und wirst Du eine Entscheidung treffen hinsichtlich der Geschwindigkeit, mit der Du ein Stück, oder dessen Teile, spielst.

Du bist der Letzte in der künstlerischen Kette, nach dem Komponisten und vor dem eigentlichen Hörer.

Natürlich sollte die Entscheidung für ein bestimmtes Tempo auch begründet, zumindest aber gut überlegt, und nicht allzu leichtfertig getroffen worden sein.
 
@rolf
Die Kriterien, die eine Tempo-Entscheidung mit beeinflussen, sind Klangbalance und Dynamik (vertikal bzw. global), Phrasierung (horizontal) und Agogik.

Ich erläutere das einmal ganz schematisch.

Klangbalance und Dynamik:
Ein sehr langsames Tempo erfordert einen insgesamt kräftigeren Anschlag als ein flüssigeres Tempo. Die langgezogenen Töne verklingen sonst schneller. Damit sind wir auch schon bei der

Phrasierung:
Das Hinspielen zu einem Phrasenhöhepunkt gelingt im schnelleren Tempo leichter als im langsameren. In einem zu langsamen Tempo besteht die Gefahr, dass das Stück „zerfällt“.

Agogik:
Je langsamer das Tempo ist, desto wirksamer wird die verwendete Agogik, weil im Kontrast zum Statischen agogische Freiheiten stärker ins Gewicht fallen als in einem generell zügigeren Tempo.
 
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