Ich danke euch für eure (selbst auf Seite 3!) so sachlichen und total interessanten Beiträge! Es freut mich, dass hier so spannende und teilweise sich widersprechende Ansichten herrschen.
bei mir auch, aber meine Frage betrifft, was man unter dem Begriff "Künstler" versteht. ...
Meiner unmaßgeblichen Ansicht nach sollte dieser Begriff für diejenigen reserviert bleiben, die tatsächlich schöpferisch-kreativ tätig sind
Ich glaube, die Frage, was ein Künstler ist, ist für die Fragestellung des Fadens zentral. Tatsächlich habe ich mich das erste Mal, als ich bei einem Klavierabend als "die Künstlerin" angesprochen wurde, auch etwas gewundert, denn "Künstler" waren für mich immer bildende Künstler. Maler, Bildhauer etc.
Wenn ich nun darüber nachdenke, bedingen einen Künstler in meinen Augen drei Dinge:
1. Fantasie
2. Kreativität
3. Eine "Vision" und Ausdruckswille
Diese drei Dinge hängen natürlich zusammen. Fantasie sind die gegenständlich gewordenen Vorstellungen im Oberstübchen. Bilder, Formen, Klänge, Zusammenhänge, Worte.
Kreativität ist so etwas ähnliches, ich bin nicht sicher, wie man das sinnvoll abgrenzen kann - aber Kreativität geht für mich noch etwas weiter. Sie lässt sich auch auf das eigene Handeln anwenden, z.B. um Probleme und Fragestellungen zu lösen, Sachverhalte aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen (sehr wichtig fürs Unterrichten) etc.
Und die "Vision" ist quasi der Sinn hinter dem Ganzen. Das, was "Mehr" ist als nur bloßes Drücken der Tasten bei Beachtung der Dynamikeinzeichnung. Das dahinterschauen und (interpretierende) Verstehen dessen, was man vor sich hat.
@chiarina Wunderbarer Beitrag von dir!! Vollste Zustimmung! Ich verstehe, wie oben dargelegt, einen Künstler nicht ausschließlich als "aktuell ausübend konzertierenden Musiker". Sondern so:
das künstlerische Sein! Die Suche nach immer neuen Lösungen, nach Weiterentwicklung, nach immer neuen kreativen Zugängen, die stetige (Weiter-) Bildung nicht nur der Pianistik, sondern der eigenen Persönlichkeit, des Hörens, des Musikverständnisses, die Neugier auf das, was man noch nicht kennt und weiß...
Vielleicht - wenn ich so darüber nachdenke -, muss ein Künstler zumindest an sich selbst ein Pädagoge sein, denn er muss sich ja quasi selbst unterrichten.
Ist das Unterrichten für den künstlerischen Weg hinderlich?
Das hat chiarina oben beantwortet - nein, grundsätzlich ist es nicht hinderlich. Es sei denn, man unterrichtet so viel, dass man selbst nicht mehr zum üben kommt...
Alles, was man erklärt und in seine Einzelteile zerlegt, nimmt man selbst noch einmal anders wahr. Das ist immer hilfreich.
ABER es gibt auch - selten wirklich gut! - den Instinktmusiker, der - aus welchen Quellen auch immer! - unbewusst gestaltet.
Das glaube ich auch! Ich vermute, Martha Argerich ist so eine. Und ich denke, ein gewisses intuitives Musikverständnis hat jeder Profimusiker. Durch Unterricht wird es geschärft, gerichtet, kultiviert, vertieft, erklärt.
Ich habe auch sehr lange eher intuitiv gespielt und wusste nicht genau, was ich da eigentlich mache. Das ging aber nur bis zu einem gewissen Grad und ließ mich außerdem im Dunkeln darüber, wie ich mich weiterentwickeln kann.
Ich hatte vor meinem Studium einen ziemlich erfolgreichen Klavierlehrer, der nicht mehr spielte
Das wichtige Wort ist hier "nicht
mehr". Jemand, der niemals sehr gut Klavier gespielt hat, wird kaum Schüler unterrichten, die weit über seinem (ehemaligen) Niveau sind. Damit meine ich nicht unbedingt die technische Perfektion, sondern das genaue hören und das Formverständnis im Kleinen und Großen. Ausnahmen dürften hier höchstens Musiker anderer Instrumente sein (Dirigenten, Geiger,...)
Dass man nicht dauerhaft konzertieren und unterrichten muss, steht für mich außer Frage.