Der längste Clavio-Beitrag, den ich je geschrieben habe!
Guten Abend!
Es ist so weit, ich habe den Meisterkurs "hinter mich gebracht" (das klingt so negativ) und keine Anhnung, wo ich jetzt mit dem Bericht starten soll. Am besten hiermit: Ich möchte mich zuerst für all die lieben Beiträge bedanken!
Und nun einen herzlichen Applaus für den Beginn meines Berichts; Vorhang auf; ready... GO!:
Gleich vorweg, um die Spannung zu ruinieren :D, es lief fantastisch.
Der Professor hatte Freude daran, mich zu unterrichten, und jetzt kommt's: Er möchte dies auch weiterhin tun. In diesem Sinne bot er mir an, sofern meine Lehrerin damit einverstanden ist, mir ca. einmal im Monat Unterricht zu erteilen- kostenlos! (meine jetzige Lehrerin behalte ich natürlich auch bei- nicht kostenlos)
Auch beim Meisterkurs war er so freundlich und erteilte mir mehr Unterrichtseinheiten, als im "Vertrag" eigentlich vorgesehen.
Nun zum Tagesablauf vor jeder Meisterkurs-Stunde, denn obwohl alles so glatt lief, hatte ich stets ein "wenig" Lampenfieber:
Eine halbe Stunde bevor ich überhaupt aufstehen muss, liege ich mit Kribbeln im Bauch auf dem Bett, das Fenster geöffnet, damit mich das penedrante Gequieke der Jungvögel von meinen Sorgen ablenkt.
Nach Abschluss aller Dinge, die man nach dem Aufstehen eben so macht+Tasse Kakao von pppetc empfohlen, geht der erste Schritt ans Digitalklavier, denn zu solch unmöglichen Zeiten gehört es sich nicht, den Nachbarn Lärm oder Musik an die Ohren werfen.
40 Minuten habe ich noch, bevor die dreiviertelstündige Odyssee zur Universität beginnt. Das reicht locker um mein Repartoir für den Kurs durchzuspielen und anschließend noch ~10 Minuten an einigen Stellen zu feilen.
Nun ist es so weit, ich stehe vor den Pforten der Uni und die Tür öffnet sich von selbst und nein!-es handelt sich nicht um eine langweilige Schiebetür wie im Supermarkt, sondern um eine moderne 2flügelige aus Edelstahl und Glas.
Mit 15 Jahren durch die Universität wandeln, auch noch mit magischen Türen, das hat was :cool:!
Im Unterrichtraum meines Professors angekommen herrscht bereits erfrischende Kälte von der Klimanlage, doch in ca.30 Minuten wird die Erfrischung eher zu 10 Stangen Blei werden.
Nocheinmal vor 30 Minuten: 2 Flügel stehen im Raum, an der Wand ein Tisch mit 6 Stühlen (wieso merk ich mir solch unnütze Dinge wie die Anzahl der Stühle :confused:)
Der Lehrer begrüßt mich bereits mit freundlicher+freudiger Miene, schüttelt mir die Hand und erkundigt sich nach meinem Wohlbefinden.
Schon gehts an den Bösendorfer-Flügel und die erste Aufgabe lautet weder Beethoven noch Haydn oder Bach, sondern:"Zuerst spielen wir ein kleines Lied" Ich habe nachzuspielen, was er vorspielt; hier ist nicht nur ein gutes Gehör sondern auch eine schnelle Auffassungsgabe verlangt. Als ob das nicht schon ausreichen würde, um mich in Rage zu versetzen, kam auch noch hinzu, dass ich Derartiges noch nie zuvor gemacht habe. So schlecht habe ich mich aber offensichtlich nicht gemacht, denn er war mit meiner Leistung mehr als zufrieden. In einer anderen Stunde basierte das Lied auf Improvisation, nach Frage-Antwort Prinzip. Musikalisches Sprechen- eine Erfahrung, die ich so schnell nicht vergessen werde und gottlob auch nicht vergessen will! : )
Jetzt aber zu meinen Stücken und ich möchte mir nicht verkneifen, einige mir gegebene Ratschläge mit anderen in diesem Forum, die davon profitieren können, zu teilen:
Bach-> Übungstipp: Eine Stimme singen und die Restlichen (aber nur die, nicht auch die Gesungene, sonst ist's ja leicht!) spielen. Das mit jeder Stimme durchmachen. Es gilt jedoch: Kann man machen, muss man aber nicht. Meine Lehrerin hat sich am Telefon, als ich ihr davon erzählte, riesig darüber gefreut-hätt ich doch bloß nichts gesagt, jetzt kann ich diese Übung wahrscheinlich noch jahrelang durchführen >.< *grummel*
Beethoven-> Locker anschlagen, wichtig auch: Überzeugen!
Vorallem in den frühen Sonaten experimentiert Beethoven sehr viel herum. Endlich hat er ein Intrument, das Painoforte, auf dem seine Ideen nun endlich durchführbar sind. Daher darf man sich vor einem fp nicht fürchten, denn Beethoven hat das bewusst so komponiert und war ein äußerst impulsiver Mensch
Der Anfangsakkord des ersten Satzes zum Beispiel muss praktisch durch den ganzen Körper gehen, das abrupte piano dann, Czerny würde sagen :"Ausdruck tiefster Empfindsamkeit".
Haydn-> Da kann ich jetzt nur für die Sonate, die ich derzeit spiele, sprechen:
Elegant! Der erste Satz hat mehr einen tänzerischen Charakter (bei mir hat's zuvor nach theatralischem Begräbnis geklungen)
Die ersten paar Takte könnte man als Dialog beschreiben, wobei die linke Hand fragt und die Rechte antwortet. usw.
Zu Stücken im Allgmeinen:
Noten nicht zu früh aulassen! So manche Stelle bekommt eine ganz andere Wirkung, wenn die Tonlängen nicht genau beachtet werden.
Wir Pianisten neigen dazu eine gespielte Note einfach zu vergessen. Doch jede Note hat eine Bedeutung in einem hierachischem System und wenn man so will auch ein Leben.
Wenn ich die gehaltene Note nicht weiterdenke, laufe ich Gefahr, sie zu früh loszulassen.
Cantables Spiel- und das ist es, was wir bei Bach lernen!
Der Notentext gibt eine Route vor und zumindest die muss man befolgen, ob man dann eher auf der linken Seite geht, ein langsames Schritttempo wählt etc. bleibt einem selbst überlassen.
"Es steht eh alles in den Noten, man muss es nur finden :P" (Wer diesen Satz zu sagen pflegte, weiß ich nicht mehr)
Sehr wichtig auch-> Harmonielehre:
Als ich aufgefordert wurde eine C-Dur Kadenz in Terzlage zu spielen war ich völlig perplex. Im Boden wäre ich am liebsten versunken!
Doch der Lehrer hatte Geduld mit mir, lehrte mich Kadenzen und andere "Basics" von denen ich bisher nur die Namen kannte...
Um tiefer in die Musik eintauchen zu können, muss man das System verstehen. Sonst ist es in etwa so, als wüsste man bei einem Computer gerade einmal, wie man Dokumente schreibt und Mails verfasst.
Dies war also ein "kurzer" Einblick in meine 2 Wochen als Studentin.
Es grüßt,
great blue viennaforteplayer94
(nur ein kleiner Scherz am Rande, denn ich bin noch nicht vom Boden abgehoben)
PS.:
Es wardt einmal ein arroganter Dietrich Fischer-Dieskau, der wagte dem Dirigent zu sagen...
Dietrich:"Also, Brahms ist mir im Traum erschienen und hat gesagt, wir nähmen es mit dem Tempo ein bisschen zu flott!"
der nächste Tag ist angebrochen, der Dirigent klopft immer noch den selben Takt wie gestern
tock tock tock
Dirigent:"Ach ja, Herr Fischer, Herr Fischer" (er mochte es gar nicht, wenn man ihn Fischer nannte) "Brahms ist auch mir im Traum erschienen! Und wissen se was? ... Der kennt Sie gar nich! :D"
Gut möglich, dass nur ich diese (wahre) Begebenheit lustig finde, mündlich kommt es besser rüber, aber es hat eben gerade so gut gepasst.