Klassik und freies Klavierspielen - Geht das überhaupt?

Piano2278

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Ich übe momentan an der Gymnopédie, und als ich dazu Referenzaufnahmen suchte, stieß ich auch auf dieses Video:



Klavierlernen mit Melanie kannte ich schon, ich habe sogar ihren Akkordkurs gekauft. Aber es kam mir immer so vor, als wären diese beiden Welten sehr getrennt, einmal die klassische Musik, die ich mit meiner Klavierlehrerin übe, und dann solche Dinge wie das Spielen mit Akkorden und Improvisieren. Zwei verschiedene Welten.

Nun würde ich gern einmal fragen, wie es anderen damit geht. Wenn ich darum bitten dürfte, dann bitte nicht gleich mit "Geklimper" kommen. Ich finde, diese junge Frau gibt sich sehr viel Mühe, den Leuten das freie Klavierspielen beizubringen, nachdem sie von ihrem eigenen Klavierunterricht als Kind und auch noch im Studium sehr enttäuscht war. (Wer das nachlesen will, wird sich darin vielleicht wiedererkennen: https://klavierlernenmitmelanie.de/about)

Also es geht hier nicht darum, das niederzumachen und zu sagen "klassische Musik ist besser" oder so etwas. Jeder soll daran Spaß haben, woran er eben Spaß hat, ob das nun klassische Musik ist oder auch so etwas wie dieses freie Klavierspielen auf sehr einfachem Niveau. Für mich ist das gerade richtig, denn mehr könnte ich noch gar nicht bewältigen. ;-) Ich habe an beidem Spaß, aber auf sehr verschiedene Art. Nach Noten spielen kann ich schon länger, ohne Noten noch so gut wie gar nicht, da bin ich noch mehr am Anfang als mit dem Klavierspielen überhaupt.

Geht es anderen auch so, dass sie sich von beidem angesprochen fühlen, oder finden die meisten, dass man sich für eins dieser beiden Dinge entscheiden sollte? Oder interessieren sich nur für eins von beidem? Ich fände es schön, dazu mehr Meinungen zu hören, denn manchmal denke ich, warum will ich das eigentlich? Ich könnte doch auch bei einer einzigen Sache bleiben, speziell jetzt am Anfang.
 
Ja und mein Lehrer integriert beides.
Darf ich mal fragen, warum Du bei solchen online Kursen unterwegs bist, obwohl Du Unterricht hast?
Bei mir war das nämlich vor gut einem Jahr auch der Fall. Nach dem Lehrerwechsel schaue ich mir noch gerne ergänzende Videos zu meinen aktuellen Stücken an, z.B. zur Entstehung des Stücks o.ä.
Aber was Grundsätzliches angeht, bin ich jetzt bestens bei meinem Lehrer versorgt.
Natürlich kann das bei Dir ganz andere Gründe haben. Wenn Du die teilen möchtest, fände ich das interessant.
 
Nein.
Klassik ist unkreatives Noten abspielen und staubtrockene Theorie.
Freies Klavierspiel ist eo ipso frei von Noten abspielen und öder Theorie.
Ergo: das eine schließt das andere aus.
;-)
 
Jetzt verwirr die Leute nicht noch mehr, als sie eh schon sind :004:
Danke, @Stilblüte. :-) Ich sehe schon ein, dass das für manche Leute eine wahrscheinlich fast überflüssige Frage ist. Warum macht man nicht einfach beides? Klavierspielen ist doch Klavierspielen.

Leider habe ich festgestellt, dass es das nicht ist. Oder vielleicht bin ich auch einfach nur besonders begriffsstutzig. Ich tue mich extrem schwer mit dem freien Spielen. Früher wollte ich das auch gar nicht. Ich möchte gern Bach spielen und Mozart und Chopin und ähnliches. Dafür gibt es Noten, und das lernt man nach Noten und gut ist.

Aber hin und wieder sitze ich so am Klavier und denke mir, es wäre doch schön, wenn man einfach mal so spielen könnte, aus dem Bauch heraus. Nur so ein bisschen "herumklimpern". Aber das bringe ich nicht zusammen. Ich brauche immer Noten. Deshalb versuche ich jetzt, mich da reinzuhängen und das Spielen mit Akkorden zu lernen. Zusätzlich zu meinem klassischen Klavierunterricht.
 
Das unterrichtet auch nicht jeder Lehrer, was nicht verwunderlich ist - es steht quasi nirgends im Lehrplan und die wenigsten haben also je gelernt, wie sie Improvisation unterrichten sollen. Leider, denn es macht wirklich Spaß und bringt einen musikalisch und fachlich sehr weiter. Es gibt auch Möglichkeiten, einfach drauflos zu spielen; möchte man sich darin aber wirklich fortbilden, muss man das genauso üben wie jedes Instrument oder jede andere Fertigkeit. Hier zwei Ideen:

1) Lerne, Kadenzen zu spielen und verändere dann immer eine Kleinigkeit, z.B. die Oberstimme / Melodie, den Klaviersatz, die Taktart, die Begleitung etc.
2) Nimm ein Stück, das du schon kannst und das aus Melodie + Begleitung besteht. Spiele die Begleitung bzw. einen kurzen Teil davon, und erfinde eine neue Melodie.
 
Also das gehört für mich auf jeden Fall zum klassischen Unterricht dazu. Wie willst denn sonst bei Stücken verstehen was da passiert? Oder verstehe ich Dich da jetzt falsch?
Nein, ich denke, das verstehst Du absolut richtig. Ich bekomme ein Stück oder eine Übung, und die machen wir dann. Dabei erklärt sie mir sehr viel über die Art, wie man das spielen muss, die Handhaltung, den Fingersatz, was weiß ich. Aber Akkorde kommen da nicht vor. Wir spielen mal eine Kadenz, das schon, aber nicht Akkorde als eigenes Thema und was man damit machen kann.

Sicherlich sagt sie auch manchmal "Spiel mal da weiter, wo es nach d-moll geht", aber das ist mehr deshalb, weil ich jetzt mit den Akkorden angefangen habe und auch immer von Akkorden spreche, die Akkorde zu einem Stück spiele, wenn ich sie sehe. Bei Anfängerstücken ist das ja sehr einfach.

Das unterrichtet auch nicht jeder Lehrer, was nicht verwunderlich ist - es steht quasi nirgends im Lehrplan und die wenigsten haben also je gelernt, wie sie Improvisation unterrichten sollen. Leider, denn es macht wirklich Spaß und bringt einen musikalisch und fachlich sehr weiter. Es gibt auch Möglichkeiten, einfach drauflos zu spielen; möchte man sich darin aber wirklich fortbilden, muss man das genauso üben wie jedes Instrument oder jede andere Fertigkeit. Hier zwei Ideen:

1) Lerne, Kadenzen zu spielen und verändere dann immer eine Kleinigkeit, z.B. die Oberstimme / Melodie, den Klaviersatz, die Taktart, die Begleitung etc.
2) Nimm ein Stück, das du schon kannst und das aus Melodie + Begleitung besteht. Spiele die Begleitung bzw. einen kurzen Teil davon, und erfinde eine neue Melodie.
Das werde ich machen. Danke! :-) Ja, ich denke, meine Lehrerin hat das nie gelernt, improvisiert selbst auch nicht. Sie kann eben einfach sehr gut Klavierspielen, hat aber kein Interesse am Improvisieren und weiß auch nicht, wie das geht. Als ich mal nach freiem Spielen fragte, sagte sie gleich, das unterrichtet sie nicht, nur klassisches Klavierspiel.

Sie ist aber eine gute Lehrerin und sehr nett, wir verstehen uns gut, und ich habe auch schon eine ganze Menge von ihr gelernt. Ein größerer Fortschritt ist sicher auch daran gescheitert, dass ich nicht immer so regelmäßig üben konnte, weil ich viel unterwegs war. Aber das hat sich ja jetzt geändert, und deshalb will ich jetzt dann auch schneller vorankommen. Auch mit Akkorden, weil ich schon das Gefühl habe, dass das sehr wichtig ist, denn ich denke, das hier

Es gibt auch Möglichkeiten, einfach drauflos zu spielen; möchte man sich darin aber wirklich fortbilden, muss man das genauso üben wie jedes Instrument oder jede andere Fertigkeit.

trifft hundertprozentig zu.
 
So einfach ist das gar nicht.
Gulda sagt dazu zB, sogar am Beispiel Mozart:
Was ist Jazz? Das hätte ich jetzt nicht unbedingt mit Mozart in Verbindung gebracht. ;-) Jazz will ich aber auch gar nicht spielen. Ich will nur ein bisschen improvisieren können. Mozart hat bestimmt auch viel improvisiert, aber so gut bin ich leider nicht. Also "klassisch improvisieren", das ist natürlich noch mal ein anderes Thema. Dazu muss man die Musik sehr gut kennen und in den Fingern haben und am besten so gut spielen können wie Gulda.

Das werde ich nie erreichen. Ich fürchte, bei mir wird es bei einer Art "Geklimper" bleiben. Aber es wäre dann eben mein Geklimper, mit dem ich - vielleicht - das ausdrücken könnte, was ich gerade empfinde oder was ich eben gerade ausdrücken will.

Davon bin ich momentan noch meilenweit entfernt. Was Gulda da macht, zeigt, wie gut er ist. Aber auch, dass man das nur erreichen kann, wenn man schon in den Kinderschuhen anfängt Klavier zu spielen. Ich glaube, wir Spätanfänger können uns das abschminken. ;-) Melanie ist mehr mein Niveau. Das kann ich noch erreichen in meinen späten Jahren.
 

Wie schon Stilblüte geschrieben hat, ist das Kadenzspiel eine wichtige Basis, übrigens für so gut wie alles, was mit Klavierspiel und Improvisation zu tun hat. Suche dir mal eine kleine Kadenz, z.B. Tonika - Subdominante - Dominante - Tonika. Spiele diese Kadenz als Dreiklänge um das c1 herum in der linken Hand mit engstmöglicher Verbindung der Akkordtöne. Wenn du dies dann als Albertibass spielst, hast du eine Begleitung im Mozartstil entwickelt, ähnlich der Begleitung im Gulda-Video. Dann experimentiere mit der rechten Hand, indem du dir Melodien zur Begleitung ausdenkst. Dies wäre ein möglicher Schritt in Richtung des freien Spiels.
 
Warum macht man nicht einfach beides? Klavierspielen ist doch Klavierspielen

Meine Lehrerin ist auch eine reine Klassikerin, Übungen zu Kadenzen wie sie @Demian beschrieben hat machen wir aber häufig, die Beherrschung und der fliessende Wechsel von Stufe zu Stufe gehören für sie (neben vielen anderen Dingen) zu den Basics, das muss ich so nach und nach in jeder Tonart lernen.
Und ich will auch nicht unbedingt in Richtung Jazz, Bach und Chopin sind eher mein Ziel, aber ohne Basics gibts keinen Bach, und ohne Bach keinen Chopin.:007:
 
Suche dir mal eine kleine Kadenz, z.B. Tonika - Subdominante - Dominante - Tonika.
C-F-G-C kann ich schon. ;-) Damit kann ich auf jeden Fall arbeiten. Aber jedes Mal, wenn ich das versucht habe, war meine rechte Hand wie gelähmt. Die rechte Hand allein kann eine Melodie spielen oder auch Akkorde, die linke allein kann Begleitung oder Melodie spielen, aber mir gleichzeitig Töne ausdenken, wenn ich links die Kadenz spiele, das ist wie ein sinnloses Herumhacken. Sicherlich fehlt es mir vor allem an Übung, aber das hat mich schon mehrmals frustriert. Deshalb will ich es jetzt unbedingt lernen.

Akkorde würden bei klassischer Musik auch nur stören ...
:lol:Genau. In der klassischen Musik gibt es keine Akkorde, das sind alles nur einzelne Töne. ;-) Aber das Interessante ist in gewisser Weise schon, dass es fast so unterrichtet wird, als wenn es so wäre. Wenn man eine Kadenz spielt beispielsweise, ist das ein abgetrennter Vorgang. Das hat nichts mit dem Stück zu tun, das man dann spielt.
Und man macht mit der Kadenz dann auch nichts. Also improvisieren.

Meine Lehrerin ist auch eine reine Klassikerin, Übungen zu Kadenzen wie sie @Demian beschrieben hat machen wir aber häufig, die Beherrschung und der fliessende Wechsel von Stufe zu Stufe gehören für sie (neben vielen anderen Dingen) zu den Basics, das muss ich so nach und nach in jeder Tonart lernen.
Das fehlt mir noch. Vielleicht müsste ich das mal üben. Dachte ich schon öfter, aber meine Lehrerin hat sich bisher noch nicht sehr weit getraut mit den Kadenzen. C-Dur, a-moll, F-Dur und letztens G-Dur.

Vielleicht liegt es aber wie gesagt auch an mir. Ich war so viel unterwegs, und da konnte ich nicht immer regelmäßig üben, da wollte sie mich wahrscheinlich nicht mit so viel Neuem belasten. Auch Tonleitern und Umkehrungen. Ich habe sehr lange nur C-Dur gespielt, in letzter Zeit dann mal a-moll, F-Dur und G-Dur. Und die chromatische Tonleiter. Die spiele ich seit dem ersten Tag, und langsam läuft sie ein bisschen schneller als am Anfang.
 
Ist nur der Titel des Videos.
Dazu muss man die Musik sehr gut kennen und in den Fingern haben und am besten so gut spielen können wie Gulda.

Das werde ich nie erreichen.
Doch, die gezeigten Verzierungen kann jeder lernen. Das ist keine Hexerei.
Vielleicht werden sie bei dir nicht so schnell/sauber. Aber das ist kein Grund, es nicht zu tun.
Es gibt auch leichtere Verzierungen, zB Vorschläge Der eigentliche Kern meines Postings war, der Aussage 'bei Mozart spielt man nur die Noten und gut ist, ohne Improvisation' zu widersprechen.
 
Viele denken, Improvisation geht mit Akkorden. Und schont zieht man sich zurück, weil man denkt: Kann ich nicht.
Nun, wenn man beginnt, aus dem Stegreif zu musizieren, was ensteht da meistens -unter der Dusche? Eine Melodie.
Das Singen ist die Urfrom unserer Musik, nicht die Kadenz. Die steht fast am Ende unserer abendländischen Entwicklung.
Man zieht einem Fohlen keine Kandarre an.
1. Tipp: Klimper einfach drauflos, auch wenn es sich schräg anhört. Spiel wütend, spiel zart. Du merkst bald: Huch, das geht ja!
2. Probiere Rhythmen, auf dem Tisch, beim Autofahren mit dem Blinker als Metronom, auf dem Klavier, im Bass, im Diskant.
Wühle im Material.
3. Spiele Tonleitern (nein, nicht schnell, langsam, melodiös, merke Dir die Töne)
Baue auf jedem Ton der Tonleiter einen Dreiklang mit den Tönen der Tonleiter (also bei G spielst Du ein fis, kein f).
4. Spiele links die Dreiklänge und rechts im Fünftonraum dazu. Du merkst vielleicht, welche Klänge nicht so gut klingen, lass sie einfach weg.

So kann es anfangen. Du brauchst sicher Unterricht darin, aber anfangen kannst Du allein.
Einfach tun!
 
Jeder soll daran Spaß haben, woran er eben Spaß hat, ob das nun klassische Musik ist oder auch so etwas wie dieses freie Klavierspielen auf sehr einfachem Niveau. Für mich ist das gerade richtig, denn mehr könnte ich noch gar nicht bewältigen. ;-) Ich habe an beidem Spaß, aber auf sehr verschiedene Art. Nach Noten spielen kann ich schon länger, ohne Noten noch so gut wie gar nicht, da bin ich noch mehr am Anfang als mit dem Klavierspielen überhaupt.
 
Nein.
Klassik ist unkreatives Noten abspielen und staubtrockene Theorie.
Freies Klavierspiel ist eo ipso frei von Noten abspielen und öder Theorie.
Ergo: das eine schließt das andere aus.
;-)
Puh.... also ich habe gelernt, stets einen breiten musikalischen Horizont anzustreben und bin der absoluten Überzeugung, dass sich unterschiedliche Stile und Herangehensweisen ergänzen. Meine Frau hat an eine der angesehensten Musikhochschulen nicht nur Englands sondern weltweit studiert und dort gab und gibt es ein wunderbares Fach, das vielleicht weltweit einzigartig sein dürfte. Es wird von einem fantastischen Pianisten/Künstler unterrichtet, für den eigens für dieses Fach eine Professur eingerichtet wurde und nennt sich : "Interpretation by improvisation". Ich habe mehrfach zuhören können und war fasziniert, wie sich die Interpretation verbessern kann, wenn man sich dem Feld der Improvisation öffnet. Unbestritten gibt es tonnenweise Literatur mit Stellen, die nichts anderes als ein notierter "Versuch" von Improvisation sind. Und dieser Versuch - man kann gute Improvisation nun mal nicht notieren - wird meiner Meinung nach nicht gut klingen, wenn man glaubt, dass das eine das andere ausschließt.

Es gibt auch tonnenweise Komponisten, die sinngemäß sagen, dass Musik der Raum zwischen den Tönen ist (Debussy), andere sagen "Das Wichtigste steht nicht in den Noten, oder Victor Hugo berühmtes Zitat: Die Musik drückt das aus, was mit Worten nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.
Mit diesen Aussagen verlassen wir unbestreitbar den Raum der "staubtrockenen" Theorie bzw. bewegen wir uns zwischen diesen beiden Welten, die sich zwangsweise ergänzen müssen.
Ich unterrichte an einer Musikhochschule und kann ganz klar sagen, dass es genau die Improvisationsfähigkeit ist (auf verschiedenen Ebenen), die meinen Studenten fehlt, um noch mehr zum Kern eines Werkes vordringen zu können.
Wobei vielleicht noch ergänzt werden kann, dass auch andere Stile wie Jazz, viele Volksmusikrichtungen für eine große Reihe von klassischer Literatur von entscheidender Bedeutung sind. Wieviele geniale Pianisten gab es in der Musikgeschichte, die genial improvisieren konnten. Auf die vergessene Kunst/Tradition des Präludierens auf der Bühne bevor das eigentliche Werk aufgeführt wurde, gehe ich jetzt nicht ein, das würde den Rahmen sprengen...

@Piano2278 Nur Mut und weiter so - meiner Überzeugung nach ist das alles andere als eine entweder-oder-Frage.
 

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