Klassik und freies Klavierspielen - Geht das überhaupt?

"Hänschen klein" kriege ich vielleicht auch noch ohne Noten hin, wenn ich mich bemühe. :-) Also die Tonleiter rauf und runter, das geht schon. Aber richtige Melodien, da muss ich noch viel üben.
Guck dir mal an, aus welcher Tonfolge das allseits bekannte "alle meine Entchen" besteht.
Du wirst feststellen, dass eine einfache, "richtige" Melodie überhaupt keine Raketenwissenschaft sein muss.
Ich wette, du bist näher dran als du denkst. :)
 
Sinnlos empfinde ich auch, warum manche Menschen glauben, nur mit Ironie das aussagen zu können, was sie eigentlich sagen möchten. Das ist mir wirklich fremd.
...mit dieser Haltung müsste dir sehr viel Literatur (von der Antike bis heute) verschlossen bleiben ;-) so ein grundloser Verzicht auf Tacitus, Sterne, Heine (mit dem war Chopin befreundet), Grabbe, Thomas Mann u.v.a. wäre doch schade...
Versuch doch mal, statt "draufloszuklimpern", eine einfache Melodie (im Stile eines Kinderlieds) zu komponieren
@Deschain ich befürchte, dass es zu den ärgsten Schwierigkeiten gehört, eine schlichte/einfache Melodie zu erfinden, die den Begriff Melodie auch verdient hat.
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Um "Improvisation" ranken sich zahlreiche hartnäckige Vor- und Fehlurteile, um "Interpretation" ebenfalls (z.B. das gerne trotzig vorgebrachte "das ist nur unkreatives Noten abspielen" etc). Die überlieferten Quellen berichten zwar erstaunliches (virtuose Improvisationen im Konzert über zugerufene Themen), aber was gerne übersehen wird: das erstaunliche begrenzt sich auf die wenigen Allerbesten. Liszt, Thalberg, Chopin & Co. hatten das drauf. Von den Improvisationskünsten der breiten Masse der Klavierenthusiasten des 19./20. Jhs. berichten die Quellen nicht (und vermutlich tun sie das nicht grundlos) - - was die stets wiederholt erwähnten ad hoc Leistungen der Größten betrifft: die hatten sich einen unerschöpflichen Vorrat an Spieltechniken/Klangmustern/Harmoniefolgen etc erarbeitet, über den sie verfügten, und sie kannten natürlich musikalische Periodik, Proportionen, Formen usw. Und sie waren bzgl. aktueller "Sensationsmusik" (Opern etc) up to date, d.h. ihnen wurden eigentlich keine Themen zum improvisieren vorgesetzt, die sie nicht schon kannten (oder sofort überblickten). Kein Liszt hat über ein zufallsgeneriertes, formal absurdes "Thema" öffentlich improvisiert.
Ein anderes beliebtes Vorurteil besteht in der Behauptung, dass Improvisation "in der Klassik" keine Rolle spiele, sondern heutzutage nur im Jazz praktiziert würde - zwar beliebt, aber nicht richtig. Einerseits gibt es Kurse/Seminare zur Improvisation, andererseits gelingt keine Jazzimprovisation ohne umfangreichen Vorrat an zuvor erlernten Techniken/Spielmustern.

Und damit kommt man zum ärgerlichen Bereich des vermeintlich freien Improvisierens: je geringer der der einsetzbare Vorrat an instrumentaler Technik ist, umso mehr sackt das improvisieren in jenen Bereich, den andere Leute nicht so gerne anhören... Aus diesem Grund (dass man's selber zumindest gerne mithört) empfiehlt sich für den Einstieg ins Improvisieren die Beschränkung auf rein figurale Beschäftigung mit harmonischen Mustern (erweiterte Kadenzen, Pachelbl-Akkordfolge, Septakkordkette) und peu a peu Abweichungen, Erweiterungen von diesen Mustern - - wenn sich dabei allerdings an den Tasten die Frage stellt "mimimi, wie versetze ich diese sieben oder acht Akkorde in Bewegung?", dann ist es noch zu früh, um sich mit dem (nur scheinbar) "freien" improvisieren zu befassen.
 
So ähnlich geht es mir auch, obwohl ich nach den anderthalb Jahren Unterricht, die ich jetzt hatte, noch gar nicht spielen kann, sondern noch wie in der 1. Klasse das Alphabet lerne.
Ich hasse es, wenn ich etwas nicht lernen oder beherrschen kann, das ich gern beherrschen möchte. Ich habe mich ja schon damit abgefunden, dass ich nicht mehr gut werden kann beim Klavierspielen (was schon schwer genug für mich zu akzeptieren ist), aber dieses freie Klavierspielen, das so wie "Kinderkram" aussieht, wie Herumklimpern, das soll ich auch nicht können?

Mein KL würde jetzt ganz tief seufzen, wenn sie das lesen würde.
Erst in der letzten Stunde hat sie mir wieder erzählt, dass eines ihrer Hauptprobleme beim Unterrichten von erwachsenen Anfänger darin liegt, dass die Anspruchshaltung der Schüler hinsichtlich der Lernziele wahnsinnig hoch ist (was diesen gar nicht klar ist), und sie richtig darum kämpfen muss, um bei den Leuten die Motivation für den langwierigen Lernprozess zu erhalten.
Viele Erwachsene sind es halt einfach nicht mehr gewohnt, etwas völlig von Grund auf neu zu lernen, und kennen die Situation nicht mehr. Das führt dann oft zu Frustration, und dass die Leute sich "klein" machen, und nur "rumklimpern" wollen, oder ganz das Handtuch werfen.

In der Probestunde habe ich mich mit meiner Lehrerin auch intensiv über meine Ziele und Vorstellungen ausgetauscht, da hat sie mir dann auch brutal ehrlich gesagt, dass ich mehrere Jahre Arbeit reinstecken muss, bevor ich ein technisches und musikalisches Niveau erreicht haben werde, das für eine sinnvolle Erarbeitung meiner Wunschstücke notwendig ist.
Für mich war das akzeptabel, aber sie hat mir auch gesagt, dass ihr schon Schüler abgesprungen sind, weil ihnen das zu langsam gegangen wäre.

Sie meinte noch, dass mit ein bißchen mehr Geduld und Durchhaltevermögen eigentlich fast jeder ein Niveau erreichen könnte, auf dem er schön Musizieren kann, dass aber die meisten zu viel in zu kurzer Zeit wollen.

Kann es sein, dass Du auch zu viel von Dir und dem Klavierunterricht erwartest und Dich so unnötig unter Druck setzt?
 
Meine Vermutung: weil der "Vorrat" an einfachen Melodien bereits "ausgeschöpft" ist und man zwangsläufig bei Variationen von bereits Bekanntem landet?
Ich glaube nicht, dass die uns heute bekannten Komponisten es systematisch darauf angelegt haben, nirgendwo da Lücken für interessante neue Melodieschöpfungen zu lassen. Außerdem leben wir ja in einer Zeit, in der die Globalisierung für positive vermischende Einflüße sorgt. Es tun sich da immer wieder neue musikalische Nischen auf.
 
Phil Best, einer der YouTuber, die Klaviervideos machen, hat an einer Stelle mal gesagt: "Klassischer Klavierunterricht und freies Klavierspielen, das verträgt sich nicht miteinander.
Das ist nicht Best sondern Bullshit.
Verzeihung, aber es erschreckt mich, wieviel Müll in den Weiten des Webs verstreut liegt.
Den Satz von Herrn Best bitte aus dem Kopf streichen!!!
 
Hey, @Piano2278 , das ist genau richtig! Ausprobieren, mit dem erlernten spielen! Mit der Zeit gewinnst Du Sicherheit und die Dinge werden komplexer.
Wichtig ist: Am Anfang einfach bleiben! Nicht als Säugling Faust erfinden wollen.
Rörörö und Dadada ist genau richtig. Bald werden die Dreiwortsätze kommen und später die Geschichten.
So weiter!
 

Guck dir mal an, aus welcher Tonfolge das allseits bekannte "alle meine Entchen" besteht.
Du wirst feststellen, dass eine einfache, "richtige" Melodie überhaupt keine Raketenwissenschaft sein muss.
Ich wette, du bist näher dran als du denkst. :)
Für mich klingt das, was ich hier angehängt habe, als ob ich hoffnungslos unbegabt wäre, selbst mit „Alle meine Entchen“. 😊 Aber ich versuche es weiter. Zuerst einmal habe ich – ohne Noten – die Akkorde gesucht, und dann ein bisschen rumgespielt. Die meisten werden mich jetzt auslachen (Akkorde für „Alle meine Entchen“), aber ich fand es recht anstrengend, obwohl ich ja schon vermutet habe, dass es C-F-G ist.
 

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  • Alle meine Entchen plus ''Impro''.mp3
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In der Probestunde habe ich mich mit meiner Lehrerin auch intensiv über meine Ziele und Vorstellungen ausgetauscht, da hat sie mir dann auch brutal ehrlich gesagt, dass ich mehrere Jahre Arbeit reinstecken muss, bevor ich ein technisches und musikalisches Niveau erreicht haben werde, das für eine sinnvolle Erarbeitung meiner Wunschstücke notwendig ist.
Das ist ganz klar. Wobei ich eigentlich gar keine richtigen "Wunschstücke" habe. Ich möchte nur Klavierspielen können. Ein spezielles Stück habe ich da gar nicht im Auge. Aber was ich mir vorstelle, ist freies (also im Sinne von nicht mehr über Tasten oder Töne nachdenken, nicht in Richtung Improvisieren, sondern erst einmal einfach nur Beherrschung der Technik des Klavierspielens an sich bis zu einem gewissen Grad) und flüssiges Spielen, mit dem ich einiges an einfacherer Literatur spielen kann. Eben Bach, Chopin, Mozart für die ersten drei Jahre Klavierunterricht oder so. Danach können es ja vielleicht auch leicht schwierigere Stücke werden. Langsam ansteigend natürlich.

Ich glaube, ja, ich habe mich ein bisschen zu sehr unter Druck gesetzt, aber ich muss ehrlich sagen, diese Diskussion hier hat mich jetzt ruhiger und "bescheidener" gemacht. :-) Ich meine, ich wusste schon, dass ich länger brauche, bis ich etwas wirklich Anhörbares spielen kann. Aber gerade jetzt, wo ich mehr Zeit zum Üben habe, habe ich glaube ich ganz schnell einen großen Sprung erwartet. Und das geht nicht. Es braucht alles seine Zeit.
 
@Piano2278
Ich glaube, du machst dir viel zu viel Kopf darüber.
"Alle meine Entchen" hast du nun schonmal harmonisiert ... ich verrate dir jetzt ein Geheimnis (die anderen werden mich dafür hassen) aber hinter "Freude schöner Götterfunken" oder "die Moldau" steckt eigentlich nicht viel mehr.

Der Weg von einem "Kinderlied" zu "großer synfonischer Dichtung" ist nicht so weit, wie du momentan zu denken scheinst.
Sollte ich mir vielleicht direkt übers Klavier hängen.
Vielleicht tuts auch ein Plakat von "Kiss" ... diese Vier Buchstaben sind seit einiger Zeit bei mir verknüft mit "Keep It Straight and Simple".
Wenn ich was für meine Band komponiere oder arrangiere, dann lautet der Merkspruch "Stumpf ist Trumpf" ... was aber am ende das selbe bedeutet.
 
Ein anderes beliebtes Vorurteil besteht in der Behauptung, dass Improvisation "in der Klassik" keine Rolle spiele, sondern heutzutage nur im Jazz praktiziert würde
Das ist z.B. auch so etwas, was mich ein bisschen daran gehindert hat, mich damit zu beschäftigen. Ich will nicht jazzmäßig improvisieren. Das ist eine ganz spezielle Art, die mit mir nicht viel zu tun hat. Auch wenn ich gern mal Jazz höre hie und da. Solange es noch eine Melodie hat.

Wenn man sich aber Kurse zum Improvisieren anschaut, geht das meistens sofort in Richtung Jazz, mit irgendwelchen Akkorden mit hochgesetzten Zahlen wie hoch 9 oder hoch minus 5 oder oder sus irgendwas. Womit ich überhaupt nichts anfangen kann. Und das möchte ich auch nicht unbedingt lernen. Jetzt auf jeden Fall noch nicht. Vielleicht entwickelt sich ja später ein Interesse dafür, wenn ich besser spielen kann und mehr davon verstehe, was diese Akkorde sind.

Um in einem Stil wie Mozart oder Chopin improvisieren zu können, muss man aber viel besser spielen können als ich. Also das kann ich im Moment noch total vergessen. Ich weiß auch gar nicht, ob ich das will. Denn die Zeiten sind vorbei. Diese Komponisten sind alle tot und haben unter ganz anderen Umständen gelebt. Sie haben tolle Musik geschrieben und tolle Sachen improvisiert, die ich zwar gern höre (wenn sie es aufgeschrieben haben und man es hören kann), aber ich persönlich lebe unter anderen Umständen.

Wenn ich mit einer Improvisation das ausdrücken wollte, was mich persönlich ausmacht (immer vorausgesetzt, ich hätte die Technik dazu), würde sich das ganz anders anhören. Ich weiß nicht, wie es sich anhören würde, aber auf jeden Fall anders. Weil ich nicht Bach oder Mozart oder Chopin bin, sondern eben ich. Was sie damals improvisiert haben, würde gar nicht zu mir passen. Hätte ich ihre Fähigkeiten, würde ich etwas anderes spielen.

Somit erübrigt es sich, deren Art lernen zu wollen. Es wäre nur sinnvoll, wenn ich meine eigene Art lernen könnte. Wozu es aber vermutlich auf höherem Niveau zu spät ist. Also begnüge ich mich mit einem niedrigeren Niveau, auf dem ich noch etwas erreichen kann. Das geht wohl nicht anders.

Und damit kommt man zum ärgerlichen Bereich des vermeintlich freien Improvisierens: je geringer der der einsetzbare Vorrat an instrumentaler Technik ist, umso mehr sackt das improvisieren in jenen Bereich, den andere Leute nicht so gerne anhören.
Das ist ja auch nicht der Grund, warum man frei spielen will. Nicht damit es andere Leute anhören. Es geht nur darum, seine eigenen Gefühle ausdrücken zu können. Wozu schon eine gewisse Technik gehört, wozu man aber nicht unbedingt ein Bach, Liszt oder Brahms sein muss.

.. Aus diesem Grund (dass man's selber zumindest gerne mithört) empfiehlt sich für den Einstieg ins Improvisieren die Beschränkung auf rein figurale Beschäftigung mit harmonischen Mustern (erweiterte Kadenzen, Pachelbl-Akkordfolge, Septakkordkette) und peu a peu Abweichungen, Erweiterungen von diesen Mustern - - wenn sich dabei allerdings an den Tasten die Frage stellt "mimimi, wie versetze ich diese sieben oder acht Akkorde in Bewegung?", dann ist es noch zu früh, um sich mit dem (nur scheinbar) "freien" improvisieren zu befassen.
Das würde aber bedeuten, so gut wie niemand hätte die "Berechtigung", sich damit zu befassen. Denn wer kann das schon so einfach? Sieben oder acht Akkorde in Bewegung versetzen? Das ist eine Menge und viel zu viel für einen Anfänger. Ein paar Arpeggien spielen in drei Akkorden, das kann man relativ schnell lernen. Und wenn man nicht so unbegabt ist wie ich ;-), kann man sogar rechts noch eine Melodie dazu spielen.

Ich würde sagen, das reicht erst einmal. Wenn ich das könnte, wäre ich schon froh.
 
Ich glaube nicht, dass die uns heute bekannten Komponisten es systematisch darauf angelegt haben, nirgendwo da Lücken für interessante neue Melodieschöpfungen zu lassen. Außerdem leben wir ja in einer Zeit, in der die Globalisierung für positive vermischende Einflüße sorgt. Es tun sich da immer wieder neue musikalische Nischen auf.
Wir sprachen von einfachen/einfachsten Melodien, die auch blutige Anfänger komponieren können.
Wer lesen kann ist klar im Vorteil.
 
erst einmal einfach nur Beherrschung der Technik des Klavierspielens an sich bis zu einem gewissen Grad) und flüssiges Spielen, mit dem ich einiges an einfacherer Literatur spielen kann. Eben Bach, Chopin, Mozart für die ersten drei Jahre Klavierunterricht oder so.
Was meinst du mit "spielen können"? Einfach mal hinsetzen und vom Blatt spielen? Oder wochenlang üben und dann halbwegs präsentabel spielen?
 

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