@hi sunny, das tut gut zu lesen, dass Du ähnliche Erfahrungen gemacht hast wie ich. Ich habe 17 Schüler im Alter von inzwischen 6 - 65. Alle machen toll mit und sind motiviert, bis auf zwei. Dazu mehr weiter unten.
Ich beschreibe auch meist bildhaft, in Metaphern, Hilfsmitteln usw. weil das am besten verstanden wird. Ich habe z. B. einen kleinen Haribozug, der genauso gross ist, dass er unter dem Handgelenk auf dem Rand des Klaviers entlangfahren kann, damit die Schüler dran denken ihre Hände/Handgelenke nicht "faul" auf das Klavier zu legen (sag ich so natürlich nicht), sondern die Hände "gerade" zu halten. Der Zug kommt immer super an.
Meine zwei "Problemkinder" sind Geschwister, zwei Jungs im Alter von 9 und 6 Jahren. Die erste Stunde war eine Katastrophe für mich. Egal, was ich machte, egal was ich sagte, sie machten nicht mit. Ich versuchte alles, erstmal das Klavier kennen lernen, Töne suchen, Rhythmus nachklatschen usw. und immer hiess es "Nein, ich möchte nicht". "Nein, ich mach das nicht". Aber Klavier wollten sie trotzdem lernen. Ich dachte mir, ok, hier wollen die Eltern mehr als die Kinder. Das wird wohl nicht lange gut gehen. Die nächste Stunde war ich erstmal baff, weil die zwei ihre Hausaufgaben gemacht hatten, was mich total freute. Aber dann wieder der Unterricht... Sie machten wieder überhaupt nicht das, was ich ihnen beibringen wollte oder was ich mit ihnen singen, musizieren wollte. Immer "Nein", und "Nee" und "Warum soll ich das tun?" usw.
Vor lauter Frust sang ich sogar alleine! (Wo ich ja so ein toller Sänger bin, haha, aber das ist den Kindern ja wurscht). Es gab dann schon kleine Fortschritte, wenn der Kleine mal paar Töne mitsang. Trotzdem war der Unterricht so anstrengend für mich, dass ich mit riesen Kopfschmerzen nach Hause ging und die ganze Woche fast schon Alpträume hatte.
Ich überlegte, wo das Problem liegt.
Die beiden sind vielleicht zu sehr abgelenkt? Weil sie zu Hause unterrichtet werden und die Mutter oft irgendwo hinten dran steht?
Sie wollen überhaupt nicht Klavier spielen? (Mutter meinte, dass die beiden den ganzen Tag auf dem Klavier spielen würden).
Sie können sich nicht konzentrieren?
Sie haben zuviele Hobbys und noch eins mehr ist einfach zu viel?
Es liegt an mir??? Was kann ich ändern?
Der 9-jährige hat 30 Minuten Unterricht und der 6 jährige 10-15 Minuten, je nach Form und Konzentration. Sie haben beide Talent und spielen ohne Mühe eine schöne Technik. Der 9-Jährige spielt auch Flöte und kann schon gut Noten lesen, aber er ist meist zu faul, (ich sags mal jetzt so), nachzudenken. Obwohl er genau weiss, wo die Töne sind und wie sie heissen, sagt er immer, "Ich weiss nicht wo das G ist" oder "Wo soll das C sein?". Wenn ich dann drei-vier Mal nachhake, weiss er es doch.
Die dritte Stunde. Der ältere sollte Weihnachtslieder üben und was soll ich sagen, er konnte alle Kopien, die ich ihm gegeben hatte perfekt, also 4 Weihnachtslieder! Da dachte ich mir, ok, er will wohl doch Klavier lernen, sonst hätte er nicht geübt (Mutter sagt, freiwillig). Was bei ihm auch den Motivationsfunken gegeben hat war das Faustspielstück aus der Europäischen Musikschule. Ich mache das anfangs sehr gerne mit meinen Schülern, weil das Stück nicht schwer ist und sich schon toll anhört und bei allen springt der Funke rüber.
Bei dem kleinen habe ich verschiedene Kopien und Klavierschulen ausprobiert und er hat sich dann in die Cirkusschule (Circus Pianissimo) verliebt, so dass er nach 4 Unterrichtsstunden schon die ersten 10 Lieder kann.
In der 5. Stunde hatte ich eine Veränderung bemerkt. Ich hatte zuvor immer viel gelobt, wenn sie etwas gut gemacht haben. Wenn sie etwas nicht so gut gemacht hatten, versuchte ich es positiv auszudrücken und wenn ich garnicht weiterkam, holte ich die Mutter zur Hilfe. Z.B. als ich nach der Stunde "Äpfel pflücken" machen wollte um die Rückenmuskeln zu dehnen. Keine Chance. Ich war die einzige die Äpfel pflückte
(Nein, ich möchte nicht, nein, wieso soll ich das machen, nein, nein, nein).
Mit der Mutter gings dann. (Das Problem hier ist, das beide wie Igel auf dem Stuhl sitzen und schon immense Haltungsschäden haben. Sie weigern sich gerade zu sitzen, machen keine (spielerische) Rückenübung mit, einfach nichts! Der ältere gab sogar zu, Rückenschmerzen zu haben! Die Mutter meinte, er würde Sport machen und er sei selber Schuld, wenn er seinen Schulranzen nicht auspacken würde und das ganze Zeug mit sich herumschleppen würde. Mannomann, das tut mir in meinem Sportlerherzen weh!)
Die Veränderung der 5 Stunde. Ich kam dort an, und wer kam mir freudestrahlend entgegengerannt? Der Ältere :) (Die Mutter meinte, er freue sich schon den ganzen Tag auf die Stunde). Er machte diesmal ganz gut mit, zwischendurch schon noch bockig, aber er hatte doch Spass dabei. Ich lobte ihn für seine schöne Technik und dass er schon toll Noten lesen kann und von dem Strahlen im Gesicht des Jungen und seiner Mutter zehre ich jetzt die ganze Woche. Ich bin zuversichtlich, dass es jetzt aufwärts geht :) Beim Kleinen war es genauso, ich lobte ihn dass er so toll mit gemacht hatte und zum Abschied bekam ich dreimal die Hand geschüttelt. Auch war er diesmal pünktlich! (Die ersten beiden Stunden hatte er sich vorher im Klo eingesperrt und bekam angeblich die Tür nicht mehr auf).
Ich bin gespannt wie es mit den beiden weitergeht!
Freu mich auf weiteren Austausch :)
lg
madozi