Bei Förster würde man sich freuen wenn aufrund solch überbordender Begeisterung ein sofortiger Spontankauf ( das gibt es in diesem Business durchaus ohne jahrelange Suche ) erfolgen würde, stattdessen kann man darauf warten daß beim nächsten "Will mir einen Flügel kaufen"-Thread sofort darauf hingewiesen wird daß ja früher sowieso alls besser war und man bei einem alten zerlumpten Flügel ja auch keinen Wertverlust mitkauft - andererseits natürlich sofort ein reisender Klavierstimmer sich dem armen Flügel annimmt und ihm wieder etwas Seele einhaucht.
Ja Meister. Nein, Meister. Tut mir leid, Meister. Warst nicht dabei, Meister. Ist anders als du denkst, Meister.
Der "reisende Klavierstimmer" - wie du das zu nennen beliebtest, Meister - ist ein Klaviertechniker, der gelegentlich reist.
Buddhismus, hm? Kleine Erläuterung? Stelle dir einen weisen Lama, einen Erleuchteten vor, der vom Rad des Wiedergeborenwerdens lange bereits entflochten ist. Der hätte einziehen können ins wunsch- und sehnsuchtsfreie Nirwana. Dessen freie Entscheidung jedoch ist, noch eine Weile Erdenkreise zu ziehen. Um andere, arme, noch nicht Erleuchtete, zu leiten und ihnen Gutes zu tun. Was nicht ginge aus dem Nirwana heraus. Also kreist er noch, der Erleuchtete. Aus freien Stücken. Verdienstvoll. Er muss nicht. Aber er tut es. Warum? Weiß ich nicht. Dürfen wir Gnade, Milde, Barmherzigkeit vermuten? Dürfen wir.
So ähnlich ist das mit dem Klaviertechniker, der gelegentlich reist. Er muss nicht. Aber er tut es. Ich bin ihm dankbar.
Ich habe hier einen uralten, riesengroßen Flügel von heiliger Abkunft. Der vor drei Jahren im Zuge seiner Komplettsanierung einen niegelnagelneuen Satz Hämmer der D-Größe bekam. Einen Satz, wie ihn nun all die starken Urenkelkinder des alten Drachen bekommen. Neu, breit, dicht verfilzt, sehr schwer.
So spielt er sich auch. Sehr schwer. Mit etwas zu schrillen Tönen. Duplex vorn, Duplex hinten, aber Meister, wem sage ich das.
Wir sinnierten, was zu tun sei. Fanden dann etwas: zwei von mir in der „Bucht“ (s.w.u.) geschossene Sätze Hämmer desselben Herstellers. Einen cremeweißen, von einem B-Flügel der 60er Jahre. Und einen noch wesentlich älteren. Einen dieser Sätze, die unten noch den grauen Filz mit verwoben haben. Schmaler, leichter, einiges weniger dicht verfilzt.
Ein Heligtum der Szene. Es geht das Geraune, dass diese die besten Hämmer waren, die jemals in New York gefertigt worden seien. Aus den 1930er Jahren. Aber wundersamerweise nicht abgespielt, nur ein wenig eingerillt. Allerdings Kupfer auf den Stahlachsen, die man damals auf diese Weise gegen die Korrison des Stahls schützen wollte. Was auch gelang. Der Stahl der Achsen ist auch nach 80 Jahren nicht korrodiert. Dafür aber ist leider nunmehr das Kupfer der Stahlauflagen korrodiert: Grünspan. Sozusagen meisterlich schiefgegangen. Gut gedacht ist nicht gut gemacht. (NB Die damaligen Käufer haben für solche Sätze auch umgerechnet in Kaufkraft 5.000 Euro bezahlt, s.w.u.)
Die Folge? Vertigris. Grünspan. Die Achsen schwergängig. In New York wurde der Satz vor einiger Zeit in die Tonne geworfen, von den dortigen angelernten Klaviermachern. „Skilled Worker“. Es gibt dann dort wohl des Nachts einige noch Schlauere, die das Material, was entsorgt wurde, aus der Tonne dann wieder herausziehen.. Anschließend weitergeben. In diese omnipräsente Bucht des Altwarenhandels, des Grauens, die da Ihhh Bähhh heißt oder so ähnlich. In dieser Bucht gibt es dann Opfer, die in der Begier, alte Schore zu ergattern, viele Dollars langmachen. Ausgeben für den Schrott, den andere entsorgten <aufzeig>.
Wir bauten mal probehalber drei der Hämmer ein – Bass, Mitte, Diskant. Hammer. Du hättest dabeisein sollen, Meister. Selbst der reisende Techniker war bass erstaunt. Welche Blume, welch Wohlklang sich aus den uralten Filzen an den neuen Saiten entzündete. Ein unfassbarer Unterschied im Klang.
Sofortige Entscheidung: diesen wundersamen Satz Hämmer wiederbeleben. Alle Grünspan-Achsen raus. Die Lagerung auf Maß reiben. Neue Edelstahlachsen rein. In ruhigen Stunden Werkstattarbeit.
Diesen wiederbelebten Satz dann bei der nächsten Reise einbauen.
Durchaus im Wissen, dass dann der maximale Sound (den man für die Carnegie Hall braucht) nicht mehr da sein wird. Weil die alten Hämmer sowohl schmaler als auch zudem spezifisch leichter sind. Dafür eine Dynamik im Piano und Pianissimo bieten, nach der ich mich mehr und mehr sehnte, je mehr meiner Zeit ich der Musik Chopins widmete.
Ein D-Flügel daheim sei das falsche Instrument für Chopin? Nein. Ein D-Flügel lässt sich doch ein wenig entschärfen. Im Kleinen so umbauen, dass das fein wird. Auch rückgängig zu machen ggfs. (Falls nochmal benötigt in der Carnegie..)
Ich freue mich schon unbändig darauf, diese 80 Jahre alte Hämmer blumigen Klanges, gefertigt in meisterlicher Qualität, eingebaut zu bekommen. Ein verspätetes Weihnachtsgeschenk.
Etwas, das zu machen ich mich mit hiesigen Meistern nicht unterfangen hätte, niemals getraut hätte. Was die gern tun: einen Satz neuer Hämmer für 5.000 Euro in Hamburg kaufen. Den Satz dann einbauen.
So ganz anders ist das mit dem Klaviertechniker, der gelegentlich reist. (Er muss nicht reisen. Aber er tut es. Ich bin ihm dankbar dafür.)
Ich könnte einen neuen Satz in Hamburg kaufen. Aber ich muss nicht. Ich will das nicht, ich bin überzeugt davon, dass ich mit den uralten Hämmern besser fahren werde.
Ach ja klar, eines noch: und stimmen kann er auch.