Hallo,
ich wundere mich sehr!!!
Einige geradezu außerordentliche musikalische, ja speziell pianistische Talente haben Texte über Musik geschrieben, und das auf einem extrem hohen Reflexionsniveau - - da ist keinerlei nebulöses "intuitives" zu lesen, sondern brillante Analysen (Gould, Boulez, Brendel, Margulis u.a.)
Ganz im Gegenteil bin ich davon überzeugt, dass es ein enormer Gewinn für alle Lernenden ist, wenn sie Unterricht bei "Talenten" *) haben können, und gottlob unterrichten einige (wenn auch wohl nicht die Mehrheit) von diesen auch **). Ich vermag auch keinen zwingenden Grund dafür zu finden, dass sehr gute Pianisten nicht vermitteln und lehren können, was sie tun - banal gesagt verstehen die doch von der Sache mehr, als die quasi "untalentierten" ;)
*) ich gehe mal davon aus, dass hier überwiegend von musikalischem und speziell klavieristischem Talent die Rede ist.
**) dass dieser Unterricht sehr begehrt ist, hat zur Folge, dass es Auswahlverfahren gibt - bei einer Nachfrage, die zu groß ist, ist das allerdings kein Wunder.
Aber zurück zu Kindern, die eventuell Talent haben und Förderung brauchen: wer mit 5-6-7 Jahren lieber am Klavier als im Sandkasten sitzt, lieber Musik hört als fangen spielt, der zeigt eine auffällige Leidenschaft für Musik - ich nehme an, hier könnte man Talent vermuten. Wenn ein solches Kind in kurzer Zeit dann am Instrument Melodien gestalten kann, Zusammenklänge musikalisch sinnvoll abtönen kann, dann wird musikalisches Talent vorhanden sein. Wenn dann noch überdurchschnittliche Fortschritte im manuellen Bereich sich einstellen, wüsste ich keinen Grund, warum man das dann nicht Talent nennen sollte. Warum es solche Kinder gibt, ist meiner Ansicht nach eine nutzlose Frage - dass es sie gibt, ist allerdings erfreulich.
Dennoch werde ich aber den leisen Verdacht nicht los, dass das Phänomen "musikalisches Talent" mit Misstrauen betrachtet wird: schon die Frage, ob all das, was Pianisten können, denn nicht prinzipiell von jedem gelernt werden könne, geht in diese Richtung. Und das trifft auch auf das statistische Argument zu (alle haben mindestens 10000 h geübt etc.), welches die musikalische Ausbildung auf das rein motorische Training reduziert: es ist der Versuch, eine meßbare und reproduzierbare (!) Erklärung zu bieten.
Gruß, Rolf
wie schon ein kluger Vorposter feststellt, versuchen wir hier Fragen zu lösen, bei denen selbst eine Kompanie von Wissenschaftlern sich immer noch die Zähne ausbeisst.
Entsprechend vorsichtig sollte wir argumentieren und alle Holzhämmer stecken lassen, auch die mit weichen Fell überzogenen. Dies betrifft nicht nur dich , sondern auch mich und anderer.
Dass aussergewöhnliche Talente Texte auf hohem Reflexionsniveau schreiben ist bekannt aber trifft nicht unseren Fall. Ich gab auch zu, dass sie wunderbare Meisterkurse abhalten, in denen sie auch auf eben diesem hohen Niveau über Musik sprechen.
Meine These war aber: Ihre speziellen Fertigkeiten - nicht Fähigkeiten - sind ihnen zweite Natur und darüber sprechen sie höchst selten. Und da vermute ich, dass dieser Teil ihres Niveaus eben nicht zur Zone der hohen Reflexion gehört. Dass einige der wirklich Talentierten unterrichten ist natürlich ein Gewinn, für die, die den Unterricht geniessen dürfen. Aber auf den sprichwörtlich fruchtbaren Boden wird er vor allem bei denen fallen,, die eine ähnliche Disposition aufweisen.
Vielleicht etwas vereinfachend:
Ich habe K.H Kämmerling im Mainz bei Meisterkursen beobachtet, wie er unterrichtete. dort war ich nicht als aktives Mitglied des Kurses, sondern als Begleiter für die Orchester Parts einiger Klavierkonzerte.
Mir fiel auf, dass er selbst fast nichts spielte- höchstens mal eine Übung im 5 Fingerraum. Und mit anderen haben wir uns unterhalten, dass er es eigentlich auch immer so macht. Er hört zu und analysiert und findet die Schwachpunkte seiner Studenten im detail und kann ihnen anscheinend genauestens erklären, was zu tun ist. viele haben ihn noch nie ein zusammenhängendes Stück spielen sehen.
Ob er selbst ein talentierter Pianist ist, weiss ich nicht aber ich sehe sein Talent in der Rolle des Vermittlers.
Ob die Talentierten wirklich mehr von der Sache verstehen, wie du schreibst, als die Untalentierten müsste erstmal untersucht werden. Denn was heisst hier verstehen:
Verstehe ich von der Sache mehr , wenn ich ein Werk gut spielen kann oder verstehe ich mehr, wenn ich es erklären kann. Beide Fähigkeiten! müssen sich nicht immer in ein und derselben Person vereinigen.
Dann gibt es den Typus, des Meisters, der in seinen Kursen alles perfekt spielt und kaum einer weiss warum, aber alle staunen. Pardon, das ist etwas verkürzt ausgedrückt. Aber auch diese Erfahrung habe ich oft gemacht.
Und ebenfalls habe ich häufig erlebt, dass diese Talente dann ihren Studenten Ratschläge für deren Üben geben, an die sie sich selbst nie halten.
Und nun zu deinem Misstrauen. Das ist ja nicht wahr. Niemand betrachtet musikalisches Talent mit Misstrauen sondern im Gegenteil mit Bewunderung und grösstem Interesse. Das ist so mein Eindruck hier.
Und warum sollte die Frage nicht erlaubt sein, ob man das, was Pianisten können nicht auch eines Tages lernen kann. Sollen sich denn alle ohne weiteres Nachfragen in Verzicht üben?