Kempff und Haskil
Gerade entdeckte ich ein Interview mit J. Kaiser, bei dem es um Kempff ging und auch um Clara Haskil.
Da bestätigt Kaiser nochmal, dass Kempff anscheinend wirklich als 10 Jähriger das gesamte WTK auswendig spielen konnte, wobei er auch die Fähigkeit ansprach, dass er damals alle 48 Stücken daraus auch sofort in jede gewünschte Tonart transponieren konnte.
Das Erstere kann ich glauben aber das Letztere nur schwer.
Bei Menschen mit unglaublichem Talent setzt dann oft eine Legendenbildung ein. Es wird auf die ohnehin fantastische Leistung noch oben drauf gepackt, weil das ja keiner mehr überprüfen kann.
Andererseits kann es auch nicht ausgeschlossen werden. Denn wer derartige Fähigkeiten hat, der spielt ja mit anderem Bewusstsein als die anderen. Es gibt ja durchaus Qualitätsabstufungen in Bezug auf die Verinnerlichung der Werke. Zwischen sicher auswendig Spielen und ein Stück vollkommen in sich zu tragen gibt es eben bedeutsame Unterschiede.
Ein solcher Pianist wird die Stücke dann immer aus seinem inneren Klangbild spielen, was auf diesem Niveau bedeuten kann, dass die Noten keine Rolle mehr spielen. Er ist eben in der Lage, tatsächlich immer das zu spielen, was ihm als Klang gerade vorschwebt.
auf weit geringerem Schwierigkeitsgrad können wir das ja auch.
Nehmen wir als Beispiel die 8. Invention von Bach. Die werden wir derart im Kopf und im Herzen haben, dass wir die auch in weiteren Tonarten spielen können und nicht nur in F. Vom Prinzip her ist es also möglich. Das heisst aber auch, dass wir vielleicht eine Fuge aus dem WTK noch nicht ausreichend zu unserem persönlichen Besitz gemacht haben und dass es da vielleicht Lücken geben mag, die uns bisher nicht aufgefallen sind, weil wir uns beim Vortrag ja auch wie an einem Geländer entlang bewegen und ein Abschnitt den nächsten zur Folge hat.
Hier werden mir möglicherweise andere Pianisten widersprechen und für sich reklamieren, dass sie die Stücke doch besser inwendig draufhaben. aber vielleicht doch nicht so tief verankert, dass eine Transposition gelingt ?
Das Üben der 10.000 Stunden ist ja nur eine "conditio sine qua non", also eine Mindestanforderungen ohne die es garnicht geht.
Neuhaus spricht in seinem Buch "die Kunst des Klavierspiels" davon, dass es ein grosser Unterschied ist, ob ein junger Mensch oder ein reifer Mensch übt. Dem jüngeren Pianisten empfiehlt er durchaus eine Zeit des Hämmerns und Donnerns, was für die Praxis bedeutet, dass es nicht falsch ist, wenn allerlei und sogar möglichst viel Etüdenwerk eingeübt wird.
Er vertritt ja auch die Ansicht, dass man, bevor man sich an Mozart oder Beethoven wagen sollte, erstmal die schwierige virtuose Literatur der Romantik mit Liszt, Rachmaninoff, Prokoffiew und anderen studiert haben sollte. Mit solchen Studien vergeht schon mal eine Menge Überzeit und dann kommt antürlich noch das Studium der Noten ausserhalb des Klaviers dazu und das mentale durchgehen der Stücke, was ja auch Üben bedeutet.
So gesehen, ist der richtige Pianist(also der es will und nicht der es muss) eigentlich immer am Üben, ob nun am Klavier oder nicht.
Wie es nun kommt, dass ein 10 jähriger bereits solche Fähigkeiten hat lässt sich mit der Tatsache, dass es musikalische Savants gibt aber nicht erklären, denn wie auch andere Genies am Klavier (wie Saint Caens, der auch bereits als Junge alle 32 sonaten von Beethoven auswendig und öffentlich vortrug)denn diese Menschen waren ja ansonsten nicht eingeschränkt sondern vielseitig interessiert und befähigt, also das genaue Gegentiel eines Savant.
Man muss wahrscheinlich bei einigen Wenigen von einer Superbegabung sprechen. Das sind eben Ausnahmen, die sich die Natur oder die Evolution leistet und hervorbringt. Und da kann man als Normalbegabter nicht mehr mit und alles Üben würde es auch nicht herbeizwingen.
Vom jungen Dimitri Sgouros wurde berichtet, dass er Stücke dadurch lernt, indem er sie ein bis zweimal anhört und sie dann ebenfalls kann. Solche Fähigkeiten sind mit normalem Verstand nicht mehr nachvollziehbar und leisten auch für die Erkenntnis, wie man besser üben könnte, keine Dienste.
Wen es interessiert, der kann sich das video mit J. Kaiser hir ansehen und gleichzeitig stelle ich noch einen Kommentar dazu rein.
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/33674
und hier der Kommentar eines Lesers:
HANS DR.ALBERTS (0) 09.06.2010 | 15:46
Widerspruch Excellenz,
natürlich hat jeder seine eigenen Favoriten.Ich trat in den Bezirk der klassischen Musik mit Kempff ein, 5 Klavierkonzert, hatte aber alsbald andere, die mir zusagten, in diesem Repertoire damals Hans Richter Haaser. Ich fand Kempff einfach langweilig, würde ihn auch heute bei Beethoven nicht wählen, sondern eher Richter oder den fabelhaften Leslie aus München !
Nein, Widerspruch wegen Clara Haskil. Sie muss eine grosse Virtuosin gewesen sein, wir haben halt davon keine Zeugnisse. Aber egal, ihr Mozartspiel, KV 280,415, 595 hat Ewigkeitswert. Eine Qualität, die ich keiner Aufnahme von Kempff zugestehen würden,auch wenn ich mich diesem Pianisten nach Jahrzehnten wieder angenähert habe ( Schumann)